Es war eine Zäsur: Kurz nach der Veröffentlichung ihres vierten Studioalbums „Bleed Like Me“ legten Garbage eine mehrjährige Pause ein. Die Luft war aus, die Nerven lagen blank. Und dennoch feiern die Fans der Alternative-Rock-Kapelle das Album heute immer noch. Genau deswegen wurde es jetzt auch zum ersten Mal seit seiner ursprünglichen Veröffentlichung im Jahr 2005 auf Vinyl aufgelegt.
Keine Frage: Garbage sind eine echte Institution der 1990er Jahre. Mit Songs wie „Stupid Girl“ oder „Only Happy When It Rains“ prägte die Band um Mastermind Butch Vig (seines Zeichens Produzent des Nirvana-Klassikers „Nevermind“) und Frontfrau Shirley Manson den Sound dieser Ära maßgeblich mit. Selbst den Titelsong eines Bond-Songs durfte die Band performen („The World Is Not Enough“). Seit ihrer Gründung im Jahr 1993 hat die britische Gruppe mehr als 17 Millionen Alben verkauft – und Sängerin und Songwriterin Shirley Manson avancierte dabei zu einer Ikone des Feminismus. Künstlerinnen wie Florence Welch, Billie Eilish, Lana Del Rey, Lady Gaga, Katy Perry, Hayley Williams oder auch Taylor Momsen beziehen sich auf die Schottin.
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Schwierige Zeiten
Die Band hat aber nicht nur auf der Sonnenseite des Lebens gestanden. Und kein anderes Album dokumentiert das so gut wie „Bleed Like Me“, erschienen im April 2005. Die Gruppe befand sich vor den Arbeiten an dieser Platte in einer schwierigen Situation. Gerade hatte die Kapelle eine 14 Monate währende Tournee zu ihrem dritten Album „Beautiful Garbage“ hinter sich gebracht, die Beziehung zu ihrem damaligen Label Interscope Records ist aber mit „schwierig“ noch euphemistisch umschrieben. Dort waren Garbage irgendwie gelandet, nachdem die Universal Music Group den alten Label-Heimathafen aufgekauft hatte. „Interscope Records wollte uns nicht, und wir wollten dort auch nicht sein“, erzählte Shirley Manson im Interview mit NEON GHOSTS. Das Label wollte Garbage „moderner“, hätte die Kapelle um Manson und Vig gerne mit Kollegen aus dem Hip-Hop-Bereich zusammengebracht. Auf eine solche Anbiederung an den Zeitgeist hatte die Band aber keine Lust.
Dennoch sah auch die Gruppe selbst, dass man von der Gegenwart ein bisschen überrollt wurde. Der Garbage-Sound der 1990er war plötzlich nicht mehr „in“, Kollegen wie die Strokes oder die White Stripes gaben plötzlich in Sachen Rock den Ton an. „Wir fühlten uns outdated“, gibt Manson zu. Und eine gemeinsame Vision, wie es weitergehen sollte, gab es nicht. Garbage waren mehr oder weniger orientierungslos, die Bandmitglieder hatten unterschiedliche Vorstellungen vom Sound der Zukunft und machten sich gegenseitig für die aktuell schwierige Lage verantwortlich. „Es war ein echtes Blame-Game“, so Manson zu „NEON GHOSTS“. Die Tatsache, dass man wusste, dass es auch seitens des Labels keinerlei Unterstützung geben würde, machte die ganze Sache umso aussichtsloser.
Zurück zu den Wurzeln
Dennoch: Trotz aller Streitigkeiten, gesundheitlicher Probleme (Shirley Manson etwa musste damals eine Stimmband-Zyste entfernt werden) und sonstiger widriger Umstände brachten Garbage mit „Bleed Like Me“ doch irgendwie noch ein Album zustande. Soundtechnisch orientierte sich dieses dann eher an den Anfängen der Band. Die Synthesizer des umstrittenen Vorgängers „Beautiful Garbage“ waren plötzlich verschwunden, es wurde wieder deutlich gitarren- und rocklästiger. Es ging back to the roots. Dabei versuchte man, die Live-Energie der Kapelle irgendwie ins Studio zu übertragen. Das Schlagzeugspiel musste nicht perfekt, sondern durfte ein bisschen schmutzig sein. Und Manson brauchte für ihre Gesangs-Parts oft nur einen Take.
Manson wurde damals im Songwriting auch noch politischer: In „Metal Heart“ und „Boys Wanna Fight“ etwa ging es um die Irak-Invasion von 2003, „Sex Is Not The Enemy“ ist eine Abrechnung mit den moralischen Sittenwächtern, inspiriert durch die heuchlerische Skandalisierung von Janet Jacksons und Justin Timberlakes „Super Bowl“-Auftritt.
Die drei Songs gehören auch zu den Glanzlichtern der original insgesamt elf Tracks umfassenden Platte. Und sonst? Der voll auf die Zwölf gehende Opener „Bad Boyfriend“ wird durch Dave Grohl an den Drums veredelt. Zieht direkt gut ins Album. „It’s All Over But The Crying“ ist gelungene Ballade über eine zerbrochene Beziehung, auch das mit sechs Minuten erstaunlich lange „Happy Home“ besticht – ein wunderbarer Abschluss der Platte.
Neuauflage mit Bonus-Tracks
Diese Neuauflage von „Bleed Like Me“, die komplett neu gemastert wurde, erscheint als 2CD Edition, 1LP silberfarbendes Vinyl, 2LP Deluxe rotes Vinyl und digital. Sie kommt mit einigen Bonus-Tracks daher. Zu den Highlights gehören dabei auf jeden Fall der 4:41 Minuten-Titel „Betcha“, der ursprünglich eine B-Seite der eigenständigen Single „Tell Me Where it Hurts“ war und mit Pussycat-Dolls-Referenzen spielt. Eine Rarität. Nice ist auch das Ramones-Cover „I Just Wanna Have Something To Do“.
Shirley Manson kommentiert die Neuauflage von „Bleed Like Me“ wie folgt: „Dieses Album war schwierig zu realisieren und führte dazu, dass die Band kurz nach seiner Veröffentlichung eine fünfjährige Pause einlegte. Im Laufe der Jahre hat es sich jedoch zu einem festen Bestandteil unserer Diskografie entwickelt, so dass wir uns aufgrund der vielen Bitten unserer Fans entschlossen haben, es endlich auf Vinyl zu veröffentlichen.“
„Bleed Like Me“ war bei seiner Erstveröffentlichung im April 2005 ein Top-5-Albumhit in Großbritannien, den USA, Australien und erreichte Top-Postionen in Europa. Vor allem die Singles „Bleed Like Me“ und „Sex Is Not The Enemy“ sind beide feste Bestandteilen der Liveshows der Band.
Mini-Tour durch Deutschland
Garbage spielen dieses Jahr übrigens auch drei Shows in Deutschland:
02.07.24, Wiesbaden – Schlachthof
04.07.24, Berlin – Uber eats Music Hall
05.07.24, Köln – Palladium
Tourneeveranstalter und Tickets hier: kj.de
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