AnnenMayKantereit in Mannheim (foto: Vera Barth)

Live: AnnenMayKantereit in Mannheim

AnnenMayKantereit sind ein Phänomen. Unter einem ausverkauften Haus scheint es die Kölner Band nicht mehr zu machen. Auch die Mannheimer SAP-Arena war am Donnerstagabend pickepackevoll. Versuch einer Erklärung.

Eigentlich sind AnnenMayKantereit ja  die Antithese zu allen Regeln, die im musikalischen Mainstream zuletzt gegolten haben. Es ist doch so: Die 2010er Jahre waren die Dekade der Einzelkünstler. Sie dominierten die Charts, ob sie nun Rihanna, Adele, Miley Cyrus, Harry Styles, Drake, Kendrick Lamar, Lana Del Rey, Lorde, Helene Fischer oder Billie Eilish hießen. Es war das Jahrzehnt, in der Karrieren  gewöhnlich am Laptop im heimischen Kinderzimmer gestartet wurden. Der klassische Weg, mit Kumpeln nach der Schule in einer Garage eine Band zu gründen  – er fiel zunehmend aus. 

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Eine Band wie AnnenMayKantereit, die sich mit handgemachter Musik binnen einer Dekade  von einer klassischen Schülercombo in eine Band verwandelt hat, die nun große Hallen füllt,   ist heutzutage also eher eine Seltenheit. Und das kommt einem schon in den Sinn, wenn man da so ins Rund der ausverkauften SAP-Arena blickt; 10.000 Menschen dabei beobachtet, wie sie Sänger Henning May aus der Hand fressen und die Halle mit ihren Smartphones in ein Lichtermeer verwandeln. Und dann zieht man den Vergleich mit Wanda. Die Österreicher sind  ja nun ebenfalls  nicht gänzlich erfolglos, konnten den viel kleineren  Rosengarten  aber am Vortag nicht mal ansatzweise füllen.

Emotion ohne Kitsch

Woran es liegt, dass ausgerechnet AnnenMayKantereit so aus der Reihe fallen? Die Antwort auf diese Frage ist schwierig. Klar, da gibt es ein paar augenfällige Faktoren. Dass Sänger May eine außergewöhnliche Stimme hat, die man irgendwo zwischen Tom Waits, Sven Regener und Rio Reiser verorten muss, steht außer Frage. Der Mann kann mit seinem Organ einiges an Emotion transportieren, was sich gerade bei Songs wie  „Sieben Jahre“ offenbart, einer eindringlichen Nummer, die AnnenMayKantereit für ein paar Freunde geschrieben haben, die vor vielen Jahren bei einem Autounfall ums Leben kamen. An diesem Song zeigt sich ebenso, wie elegant es die Band schafft, trotz aller emotionalen Intensität die Grenze zum Kitsch nicht zu oft zu überschreiten. Eine Beobachtung, die sich auch auf die vielen Herzschmerz-Songs der Kapelle anwenden lässt. In ihrer zur Schau getragenen Verletzlichkeit wirken die Jungs da selten bis nie peinlich.

Musiker mit Haltung

Das unterscheidet sie von vielen Kollegen aus der deutschsprachigen Musikszene. Ebenso wie die Tatsache, dass sich die Kölner trauen, Haltung zu zeigen. Mit dem Song „Für Pia“ etwa plädieren AnnenMayKantereit für die Straffreiheit von Seenotrettern. Der Song ist der Kapitänin Pia Klemp gewidmet, der von den italienischen Behörden ein Strafverfahren  wegen Beihilfe zu illegaler Einwanderung drohte, weil sie auf dem Mittelmeer Flüchtlinge vorm Ertrinken rettete.

Und ja, vielleicht ist es dann am Ende eben auch diese romantische Idee der Schülerband, die sich über die Straßenmusik nach oben gespielt hat, die dann bei vielen Hörern doch noch verfängt. Die einen dann antreibt, bei „Barfuß am Klavier“ oder „Pocahontas“  lauthals mitzusingen – und sich komplett  in der Musik zu verlieren.

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