Widerstand als Graphic Novel: In „Gejagt“ erzählen Fabien Grolleau und Nicolas Pitz gekonnt die turbulente Geschichte der jungen Akademikerin Angela Davis, die in den 1970ern zum Gesicht der Black-Power-Bewegung und zum „Staatsfeind Nummer 1“ der US-Regierung wurde.
Wenn man das Jahr 2020 Revue passieren lässt, wird man natürlich einerseits an Covid, Masken und Lockdowns denken. Aber auch die schrecklichen Bilder der Tötung von George Floyd durch einen Polizisten haben sich tief ins kollektive Gedächtnis gebrannt. Neun Minuten und 29 Sekunden kniete Derek Chauvin auf dem Hals des 46-jährigen Afro-Amerikaners, brachte ihn dadurch langsam und quälend um. „I can’t breathe“. Ein Zeugenvideo hielt den Mord fest, die Bilder lösten danach nicht nur Fassungslosigkeit und Trauer, sondern auch eine globale Protestwelle aus. „Black Lives Matter“. Und kein Jahr später formt sich in den USA der Backlash. Das rechtskonservative politische und mediale Establishment hat unter dem Schlagwort „Critical Race Theory“ einen neuen Kampfbegriff gefunden, um die culture wars in die Schulen und Vororte zurückzubringen. Neue Wahlgesetze in den red states höhlen Bürger- und Wahlrechte vor allem von people of color aus …
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Rassismus als zeitloser Schrecken
Rassismus ist ein zeitloser Schrecken. Der Kampf für Gerechtigkeit bleibt daher ein ewiges Unterfangen. Er gleicht einer Sisyphus-Arbeit, bei der auf kurzfristige Erfolge immer wieder Rückschläge folgen. Das zeigt auch die Graphic Novel „Gejagt – Die Flucht der Angela Davis“, die Fabien Grolleau und Nicolas Pitz gerade vorgelegt haben, und die schon vor George Floyds Tod entstanden ist. Grolleau und Pitz beschäftigen sich hier mit dem Leben und Wirken von Angela Davis. Einer „Galionsfigur der progressiven Bewegung“, wie sie die „Süddeutsche“ neulich nannte. Davis war eine der wichtigsten Aktivist*innen der Black-Power-Bewegung. International bekannt wurde sie durch eine Monate lange Hetzjagd durch das FBI, denen sie als Symbolfigur der Bürgerrechtsbewegung ein Dorn im Auge war. Nach einer Schießerei mit Todesfolge setzte das FBI sie auf die Liste der „zehn meist gesuchten Verbrecher“. Ihre Inhaftierung machte sie zu einer der bekanntesten politischen Gefangenen der Welt, auch in der BRD und der DDR gingen Menschen auf die Straße, um für ihre Freilassung zu demonstrieren. Die Rolling Stones schrieben einen Song für sie.
Fabien Grolleau und Nicolas Pitz sind Spezialisten in Sachen Biopic. Diese Graphic Novel ist aber weit mehr als eine bloße biografische Erzählung. Sie ist ein gut recherchierter, fantastisch gezeichneter Politthriller. Und sie ist auch eine eindrucksvolle Dokumentation, wie die schwarze US-Bevölkerung vom weißen Mann seit Jahrhunderten unterdrückt wird. Daher ist auch das zwischenzeitliche Happy End, die Freilassung von Angela Davis, kein wirkliches Ende. Denn der Kampf um Gerechtigkeit dauert an, wie die eindrücklichen Schlaglichter zeigen, die Grolleau und Pitz ans Ende des Buchs gestellt haben. Miami 1980. Los Angeles 1992. Cincinnati 2001. Ferguson 2014. New York 2014. Charlottsville 2017. Das aufrüttelnde, schmerzhafte Mantra der Graphic Novel: Wir dürfen uns nicht daran gewöhnen. Niemals.
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