Sofia Portanet (foto: Tomas Eyzaguirre)

Track By Track: Sofia Portanet über „Chasing Dreams“ – „Küssen und lieben kann man nicht alleine“

Mit „Chasing Dreams“ hat die Berliner Künstlerin Sofia Portanet gerade ihr zweites Studioalbum vorgelegt – den lang erwarteten Nachfolger zum Erstling „Freier Geist“, der 2020 auf den Markt gekommen war. Auf dem Debüt verband Portanet Einflüsse des französischen Chansons mit Post-Punk, Rock, New Wave und der Neuen Deutschen Welle. Diesmal geht es deutlich poppiger zu, viele der Nummern sind maximal tanzbar. Auf den elf Tracks der neuen Platte behandelt Portanet Themen wie Heimat, Identität, Selbstfindung, Kindheit, toxische Beziehungen und Mental Health. Mal singt sie dabei auf Englisch, mal auf Deutsch, Französisch und erstmals sogar auf Spanisch. Welche Gedankenspiele sich hinter den einzelnen Songs verbergen, verrät uns die Gute in diesem Track-By-Track-Interview.

Ich Bin

Das Intro ist für mich das Bindeglied zwischen dem ersten und dem zweiten Album. Das erste Album „Freier Geist“ war textlich an Gedichte deutscher Lyriker wie Rilke, Heine und Goethe angelehnt. Auf dem zweiten Album „Chasing Dreams“ ist die Sprache zugänglicher. Aber im Intro greife ich das Gedichtkonzept der ersten Platte auf. 

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Entstanden ist das Intro, als ich 2021 einen Konzertabend für die Tischlerei der Deutschen Oper konzipieren durfte. Es geht darin um Sehnsucht und um die Frage nach der eigenen Identität.

Real Face

„Real Face“ war der erste Song der zweiten Platte, den wir im Studio produziert haben und einer der ersten Songs, der für die Platte geschrieben wurde. Es ist okay, nicht okay zu sein und es ist auch okay, nicht immer stark zu sein – das ist die zentrale Message des Songs. Ich habe viele Jahre gedacht, dass ich immer alles alleine schaffen und immer stark sein muss und habe dabei versucht, meine Einsamkeit hinter oberflächlichen Dingen zu verbergen. Es geht auch um das Bedürfnis, sich zu öffnen und sich so zu zeigen, wie man sich wirklich fühlt und darum, dass man sich selbst verzeihen darf, wenn man in der Vergangenheit Dinge anders gemacht hat, als man sie heute gerne gemacht hätte. 

Der Entstehungsprozess des Songs hatte viel Magie. Ich weiß noch genau, wie ich in meinem Auto saß und es draußen regnete und mir plötzlich der Text für die erste Strophe wie aus dem Himmel gefallen kam. Ein paar Tage später kam die genau richtige Klaviermelodie dazu… Ich wusste sofort, dass das einer meiner Lieblingssongs der neuen Platte werden würde. 

Ballon

Einen persönlichen Traum zu haben und umsetzen zu wollen, ist toll! Doch es kann passieren, dass man sich von dem Traum so doll einnehmen lässt, dass das Hier und Jetzt nicht richtig wahrgenommen und wertgeschätzt wird. Ich wusste zum Beispiel von klein auf, dass ich Sängerin sein wollte. Dafür habe ich immer alles gegeben. Ich habe aber gemerkt, dass ich nicht mein Leben lang einem Ideal hinterherlaufen möchte, nicht an zweiter Stelle in meinem eigenen Leben sein will. Ich möchte im Hier und Jetzt sein. Und dabei kann ich trotzdem meine Träume weiterverfolgen. Aber eben nicht auf Kosten meiner selbst. Darum geht es in „Ballon“.

Zum Entstehungsprozess: Wir wollten vom Intro direkt in einen neuen Song reingehen, der auf ähnlichen Harmonien basiert. So war die musikalische Idee von „Ballon“ geboren. Bei der Textfindung habe ich einige Leute gefragt, ob sie mir dabei helfen wollen, meine Gefühle in Worte zu bringen. Geholfen hat mir dabei zum Beispiel der Input von Inga Humpe, die ich 2021 bei einem TV-Format kennen und schätzen gelernt habe. Letztendlich habe ich den Text mit einer guten Freundin und einem Freund geschrieben. Zusammen konnten wir genau die richtigen Worte für die Geschichte finden, die ich erzählen wollte.

Unstoppable

Es geht bei „Unstoppable“ um persönliches Empowerment und Neuanfang. Das Motto lautet, in neuem Glanz wie Phoenix aus der Asche wieder aufzuerstehen und weiterzumachen! 

Ich habe das Lied mit John Fortis in London geschrieben. Ich hatte eine Geschichte, die ich erzählen wollte und John hat sofort verstanden, um welche Stimmung es ging. Neue Lieder in London zu schreiben, hat sich für mich wie ein großer neuer Schritt angefühlt. Die Lieder des ersten Albums habe ich in Berlin und hauptsächlich zu Hause und teilweise alleine geschrieben und es ist sowohl herausfordernd als auch inspirierend, aus meiner Komfortzone herauszutreten. Ich möchte, dass meine Musik sich weiterentwickelt und neue Horizonte überschreitet, meinem Geschmack treu bleiben und trotzdem neugierig sein und mich mit Menschen umgeben, von denen ich einen neuen Ansatz für Songwriting und Produktion lernen kann.

Entre nos lèvres

Entre nos lèvres“ ist mein erster eigener französischer Song, den ich auf Platte bringe. Für mich also ein besonderer Song. Ich bin in Frankreich aufgewachsen und verspüre den Wunsch, durch meine Musik auch Menschen in Frankreich zu erreichen. „Entre nos lèvres“ bedeutet „Zwischen unseren Lippen“ und beschreibt eine erotische und leidenschaftliche Begegnung zweier Personen, die sich trotz ihrer körperlichen Nähe und emotionalen Bindung fremd bleiben. Beide suchen im anderen, was sie nicht in sich selbst finden… Es geht um Selbstfindung durch die Liebe und um die Spiegelung zweier Seelen. Wir leben in einer individualistischen Gesellschaft, in der jeder alles alleine und selbstständig machen möchte. Nur küssen und lieben kann man eben doch nicht allein.

Lust (feat. Tobias Bamborschke)

In „Lust“ geht es um Liebe, Leidenschaft, Selbstzweifel, Depressionen und Heilung. Der Song beschreibt den Wunsch nach Zweisamkeit und die Lust, jemanden mit Küssen und Liebe zu heilen. Wenn wir uns nicht gut fühlen, tendieren wir dazu, uns abzukapseln und zu isolieren… Sich in den Armen einer anderen Person fallen zu lassen, sich fangen und lieben zu lassen, ist nicht immer einfach. Aber es ist schön, erkannt zu werden, für das, was man in der Essenz ist, unabhängig von Selbstzweifeln und schweren Zeiten. 

„Lust“ war der erste Song, den ich für die neue Platte geschrieben habe. Mir war sofort klar, dass das ein Duett sein würde. Daraufhin habe ich Tobias Bamborschke (Isolation Berlin), den ich nach meiner ersten Album-Veröffentlichung kennengelernt hatte, gefragt, ob er den Song mit mir singen möchte. Ich bin ein großer Fan von seinen Texten, habe ihn Jahre zuvor mit Isolation Berlin live auf der Bühne erlebt und mir seitdem gewünscht, irgendwann mal gemeinsam etwas zu kreieren. Umso mehr freue ich mich, dass er bei dem Song dabei ist.

My Time

In „My Time“ geht es um Selbstreflexion, Self-Empowerment und persönliche Unabhängigkeit. Jeder Mensch durchlebt mal gute und mal schlechtere Phasen. Gerade, wenn man von ungesunden Beziehungen umgeben ist, ist es schwer, sich seiner eigenen Macht im Klaren zu sein. Sich von negativen Dingen und Menschen zu lösen und zuversichtlich zu bleiben, dass bessere Zeiten kommen, ist dabei entscheidend. Diese positive Einstellung wollte ich in einem energischen und dynamischen musikalischen Arrangement festhalten.

Paralysed

In „Paralysed“ geht es darum, Frieden mit einer gescheiterten Liebesgeschichte zu schließen. Man kann eine Beziehung beenden und trotzdem innerlich nicht abgeschlossen haben. Deswegen heißt der Song auch „Paralysed“. Es fühlt sich so an, als wäre ein Teil von uns in der Vergangenheit hängen geblieben, obwohl die Zeit und die Beziehung längst vergangen sind. Es ist, als hättest du alle Emotionen und Erinnerungen in einer kleinen Box verstaut, nur damit sie unerwartet wieder geöffnet wird und dich mit denselben Emotionen überschwemmt, als ob alles gestern passiert wäre. 

Mi Amor

„Mi Amor“ trägt viel Wut in sich und handelt von Liebe, Enttäuschung und davon, sich von toxischen und unehrlichen Beziehungen zu lösen und für sich selbst einzustehen. Genauso wie der Song mir geholfen hat, den Schmerz zu überwinden, hoffe ich, dass er auch anderen Mut machen wird. Die Welt ist voller schöner Menschen und es ist besser, sich jemanden zu suchen, der einem gut tut. 

Das ganze Album wurde in einem Studio in Köln produziert. „Mi Amor“ ist die Ausnahme und wurde in einem Londoner Studio aufgenommen. Ich wollte erst die ganze Platte dort produzieren lassen, doch das ganze Hin- und Herreisen hat sich für mich als zu anstrengend und teuer herausgestellt, sodass wir die Produktion dann in Köln fortgeführt haben.

Coplas

Für mich persönlich hat „Coplas“ einen sehr besonderen Stellenwert auf dieser Platte: Es ist ein Coversong meines Vaters, Antonio Portanet, der in den 70ern und 80ern jeweils als Sänger und Gitarrist eine Platte herausgebracht hat. Er hat eine umwerfende Stimme und „Coplas“ war schon immer eines meiner Lieblingslieder. Der Text ist eine Mischung aus Texten spanischer Folklore und eines Dichters namens Antonio Machado und befasst sich mit dem Thema Selbstfindung und Vergänglichkeit. Ich habe erst im Nachhinein gemerkt, dass ich mit meiner ersten Platte etwas gemacht habe, was mein Vater damals auch gemacht hat: große spanische Dichter zitieren und Gedichte mischen mit eigenen Texten. 

Es ist meine erste spanische Veröffentlichung und für mich symbolisiert dieser Song einen weiteren Schritt in Richtung Vereinigung aller meiner Anteile und der Kulturen, mit denen ich groß geworden bin. Erst ganz am Ende, als alles fertig war, habe ich meinem Vater den Song gezeigt. Das neue Arrangement hat ihm sehr gefallen und er war sehr bewegt. Meine Stimme und meine ganze Leidenschaft zur Musik und zum Gesang habe ich ihm zu verdanken. Dieser Song ist eine Hommage an meinen Vater.

Real Face Piano Version (feat. Chilly Gonzales)

Es war für mich eine Ehre, mit Chilly Gonzales zu arbeiten. Wir haben gemeinsame Freunde und haben uns schon ein paar Jahre zuvor zum ersten Mal kennengelernt. Als ich ihn fragte, ob er sich vorstellen könnte, mit mir zusammen eine neue Version von „Real Face“ zu machen, sagte er sofort ja! Ich wollte eine zerbrechlichere und verletzbarere Version schaffen und durch Chillys einfühlsame Klavierbegleitung ist uns das gelungen. 

In dieser Version wird der Text nochmal aus einem anderen Winkel beleuchtet. Es ist OK, wenn es nicht perfekt ist. Es ist OK, so zu sein, wie man ist. Es ist OK, traurig, wütend und sauer zu sein… Es ist OK, die Fassade fallen zu lassen. Das passte auch genau zur Philosophie der Aufnahme. Wir machten innerhalb von zwei Stunden den Song fertig. Es gab vorab keine Besprechung, wie wir den Song gestalten würden, und wir hatten auch nichts eingeübt… Es war ein Sprung ins kalte Wasser. Nach drei Takes war die Aufnahme fertig. Für mich war das eine sehr neue und ungewöhnliche Art zu arbeiten, da ich es gewohnt bin, viel aufzunehmen und anschließend viel zu editieren. Doch so wie der Text schon sagt, ging es hier nicht um Perfektion, sondern um Natürlichkeit und Echtheit.

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