Mit „R.E.M. – Life And How To Live It“ hat die Musikjournalistin Birgit Fuß mehr als nur eine Bandbiografie veröffentlicht. Das Buch ist nämlich auch eine Anleitung, wie das Leben gut gelingen kann. Erzählt anhand der Entscheidungen einer Band, die fast keine Fehler gemacht hat. Es ist die erste originär deutschsprachige R.E.M.-Biografie.
Hach. Man wird ja wohl noch träumen dürfen. Aber: Nein. Ausgeschlossen. Ein Comeback von R.E.M. wird es wohl nicht geben. Das haben Michael Stipe und Kollegen wieder und wieder betont. Aufhören, wenn es am schönsten ist: Das nehmen sich viele Bands vor. R.E.M. waren da zumindest ganz nah dran. Sie waren vielleicht nicht mehr am Zenit ihres Schaffens, aber auch nicht allzu weit davon entfernt, als sie 2011 endgültig die Segel strichen. Zu diesem Zeitpunkt standen Stipe & Co. immer noch hoch in der Gunst des Publikums – und auch der Kritiker. Ein Kunststück, das nicht vielen Künstlern gelingt.
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Durchgehalten hatten sie fast 31 Jahre. 1980 hatten sich Michael Stipe, Peter Buck, Mike Mills und Bill Berry in Athens, Georgia, zusammengefunden und zunächst als Twisted Kites firmiert. Recht schnell schwenkten sie auf den Namen R.E.M. (steht für Rapid Eye Movement) um. Als die Band den großen Durchbruch schaffte, waren schon sechs Alben ins Land gegangen. 1991 schoß die Band mit dem Album „Out Of Time“ und der Single „Losing My Religion“ in höchste Sphären vor. Aus den Posterboys des Alternative Rock wurden Mainstream-Superstars. Album um Album wurde von Fans und Kritikern gefeiert, ehe die Gruppe 2011 nach dem 15. Longplayer den finalen Schlussstrich zog. Ohne Not, ohne Groll, einfach, weil ihnen danach war. Und weil sie das Gefühl hatten, in dieser Konstellation alles gesagt zu haben.
Auch Nerds entdecken Neues
Werden R.E.M. die erste Band sein, die sich nicht für eine Reunion-Tournee kaufen lässt? Und welches Vermächtnis hinterlassen sie, was bedeutet ihr Werk heute noch? Fragen wie diesen geht Autorin Birgit Fuß in „R.E.M. – Life and How To Live It“ nach. Fuß ist Redakteurin beim deutschen „Rolling Stone“ und hat in dieser Funktion in den vergangenen 20 Jahren immer wieder mit der Band Interviews geführt, durfte sogar mal im Studio vorbeischauen. Das erste Mal traf man sich im Jahr 1996: ein Gespräch mit Mike Mills. Die komplette Kapelle traf sie dann 2003 in Vancouver das erste Mal. In Folge dann bei jeder neuen Album-Veröffentlichung und Tournee – und selbst nach der Auflösung der Band 2011. Da schreibt eine also nicht aus der Distanz. Fuß war an den Jungs aus Athens, Georgia, einigermaßen nah dran.
„R.E.M. – Life and How To Live It“ will dabei nicht nur eine einfache Biografie sein. Fuß geht auch in die Analyse, nimmt die Prinzipien und Entscheidungen der Band unter die Lupe und beleuchtet die dramatischen Wendepunkte (etwa den Mega-Plattendeal oder den Abgang Bill Berrys) und Michael Stipes erstaunliche Lyrik. Letzteres erfreulich ausführlich. Dabei endet das Buch dankenswerterweise nicht mit dem Ende der Gruppe, sondern folgt den Mitgliedern auch über den Split hinaus.
Die Autorin punktet mit viel Detailwissen und fun facts, die auch eingefleischten Fans neu sein dürften. Obwohl sie sich als Fan outet, gelingt ihr dabei doch eine professionelle Distanz. Dazu gibt es auch immer wieder geradezu enzyklopädische Nerd-Kapitel mit Info-Listen zu den verschiedensten Themenbereichen, etwa zu Tieren oder Pflanzen in den Liedern der Kapelle. Unterhaltsam.
Wirklich Anlass zur Kritik gaben R.E.M. im Laufe ihrer Karriere nicht, weder musikalisch noch inhaltlich noch privat. Die Skandale blieben aus. Zur großen Kritikerin schwingt sich Fuß in dem Werk daher auch nicht auf. Für sie ist die Karriere von R.E.M. vielmehr ein Beleg dafür, was alles geht, wenn sich feine Menschen zusammentun, wie sie schreibt. „R.E.M. haben natürlich nicht alles richtig gemacht, aber sehr, sehr viel.“ Daher sei das Buch auch nicht nur die Nacherzählung der Geschichte einer Rockband, sondern auch eine „Anleitung, wie das Leben gut gelingen kann.“
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