Travis (foto: ryan johnston)

Travis

Keine Frage: Ohne Travis gäbe es heute wohl weder Keane noch Coldplay in dieser Form. „Coldplay bodysnatched our sound“, sagte Travis-Frontmann Fran Healy mal augenzwinkernd in einem BBC-Interview. Und während die Band um Chris Martin auf dem Pop-Olymp angekommen und geblieben sei, hätten Travis zwar seinerzeit den Aufstieg zum Gipfel geschafft und sich dort umgesehen. Dann aber habe die Band auch mit Freuden wieder den Abstieg angetreten, weil es sich dort, ganz oben, eben nur sehr schwer atmen lässt. Eine Hommage an eine Band, die die britische Musik in den vergangenen 20 Jahren maßgeblich mitprägte.

Die frühen Jahre

Die Geschichte von Travis beginnt im Jahr 1990. Auch wenn die Kapelle, die Chris Martyn (Bass) und Geoff Martyn (Keyboards) gründeten, damals noch „Glass Onion“ hieß. Natürlich eine Verneigung vor den Beatles, die einen Song gleichen Namens im Repertoire hatten. Neben den Gebrüdern Martyn zählten damals auch Schulfreund Andy Dunlop (Gitarre), Drummer Simon Jarvis, der recht schnell durch Neil Primrose ersetzt wurde, und Sängerin Catherine Maxwell zur Band. Letztere verließ diese allerdings auch schon im Jahr 1991 – und so war der Platz vorne am Mikro wieder frei. Bei der Suche nach einem Sänger stieß man – auch durch die Hilfe von Primrose – im Herbst des gleichen Jahres auf den Kunststudenten Fran Healy. Der 17-Jährige gefiel durch seine warme Stimme, schrieb außerdem bereits seit Jahren eigene Songs. Ein Job, den er denn auch recht schnell bei der Band übernahm. In dieser Formation entstand die EP „The Glass Onion EP“, die heute hoch gehandelt wird.

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Ein match made in heaven war die ganze Konstellation aber nicht. Es knirschte zwischen den Bandmitgliedern. Als dann nach Jahren des In-der-Luft-Hängens plötzlich ein Plattenvertrag mit Sony Music Publishing winkte, waren die Gebrüder Martyn außen vor. Healy holte dafür seinen Kumpel Dougie Payne mit ins Boot, der zwar zuvor noch nie ein Instrument in der Hand hatte, sich das Bassspiel aber recht schnell drauf schaffen konnte. Travis siedelten daraufhin von Glasgow nach London über, wo sie Andy MacDonald, dem Besitzer von Go! Discs Records und Gründer von Independiente Records, vorgestellt wurden. MacDonald nahm die Band denn auch sogleich persönlich unter Vertrag.

Good Feeling

Nachdem die Gruppe, die sich mittlerweile in Travis (nach einem Charakter aus dem Wim-Wenders-Film „Paris, Texas“ benannt) umbenannt hatte, nach London gezogen war, verbrachte sie erst einmal ein knappes Jahr damit, Songs zu schreiben und aufzunehmen. Andy MacDonald stellte den Schotten den Produzenten Steve Lillywhite zur Seite, der schon mit U2 erfolgreich kollaboriert hatte. Mit ihm spielte die Band ihr Debütalbum „Good Feeling“ ein, das im September 1997 auf den Markt kam. Das gute Stück ist deutlich rockiger und luftiger als das, was Travis später so veröffentlichen sollten. Auf der Tracklist unter anderem: der Song „All I Want To Do Is Rock“, der für die Gruppe seinerzeit so etwas wie ein Türöffner war. Eine tolle Scheibe, die auf Platz neun der britischen Charts peakte, aber – ohne große Radio-Unterstützung – auch recht schnell wieder aus eben diesen verschwand. Nur 40.000 Einheiten wurden abgesetzt. Ein kommerzieller Erfolg war „Good Feeling“ also nicht, aber immerhin hatte die Band sich in die Herzen der Kritiker gespielt. Selbst der notorische Nörgler Noel Gallagher outete sich als Fan. Travis durften Oasis sogar supporten.

The Man Who

Das zweite Album „The Man Who“ erschien im Mai 1999. Es markierte direkt einen Stilwechsel. Dabei entstand ein Großteil der Songs eigentlich noch vor Veröffentlichung des Debütalbums. Die Band ging hier unter der Aufsicht von Star-Produzent Nigel Godrich deutlich weniger rockig zu Werke, der Sound wurde melodischer und melancholischer. Travis hatten ihren Signature-Sound gefunden. Natürlich mitverantwortlich für den Erfolg der Platte, die auf Platz eins der britischen Charts peakte: die Single „Why Does It Always Rain On Me?“, die zum weltweiten Hit avancierte. Fran Healy schrieb sie, während er in Israel Urlaub machte. Auf der Suche nach etwas Sonne, fernab von der verregneten Insel. Allerdings goß es schon bei seiner Ankunft im Hotel wie aus Kübeln, und es sollte auch nicht aufhören, ehe er wieder auf dem Rückweg nach England war. Der Urlaub war damit zwar buchstäblich ins Wasser gefallen, aber immerhin hatten Travis einen amtlichen Hit in der Tasche. Fun fact: Als die Gruppe den Song 1999 auf dem Glastonbury Festival anstimmte, begann es just in dem Moment zu regnen. Obwohl der Tag bis dahin recht sonnig war. Fast schon ein bisschen kitschig. Ein Mitschnitt erschien später übrigens als Live-Album.

The Invisible Band

Nach einer ausgedehnten Tour warfen die Briten 2001 mit „The Invisible Band“ Album Nummer drei auf den Markt. Wieder griff ihnen dabei Nigel Godrich unter die Arme. Der Titel des Albums trägt dabei dem Umstand Rechnung, dass die Musik der Combo seinerzeit bekannter als die Band beziehungsweise ihre Mitglieder war. Eine Tatsache, die Travis aber nicht wirklich störten. Ganz im Gegenteil. Auch diese Platte ging steil, eroberte Platz eins der britischen Charts, verkaufte sich besser als „The Man Who“ und schaffte gleichzeitig das Kunststück, ein Kritiker-Liebling zu sein. Zu den nennenswerten Songs gehören hier sicherlich „Sing“, „Side“ und „Flowers in the Windows“, das schon stark an den Style von Paul McCartney erinnert. Auch danach gingen die Jungs wieder lange auf Tour. Fleißig, fleißig.

12 Memories

2002 nahm die Band dann beinahe ein tragisches Ende. 2002 verunglückte Drummer Neil Primrose auf Tour durch Frankreich schwer, als er in einen Pool sprang, in dem das Wasser viel zu niedrig stand. Er brach sich das Genick, kam fast ums Leben. Zwar hat er sich wieder vollständig von diesem Unfall erholt, dennoch lag die Band während seiner Rekonvaleszenz erst einmal lahm. Zumindest, was das Touren angeht. An neuen Songs bastelten die verbliebenen Jungs natürlich trotzdem. Sie zogen sich auf die Isle of Mull zurück und schrieben und schrieben und schrieben. Unter dem Einfluss der Geschehnisse, wurden die neuen Tracks spürbar düsterer. Fran Healy hatte ohnehin mit Depressionen zu kämpfen. Gleichzeitig waren die Tracks, die schließlich auf dem im Oktober 2003 veröffentlichten „12 Memories“ landeten, auch politischer. Healys Depressionen waren auch der Grund dafür, dass es Travis hernach langsamer angehen und sich mehr Zeit fürs Schreiben und Aufnehmen lassen würden. 2004 ging es aber wieder auf Tour. Gleichzeitig haute die Band mit „Singles“ eine Compilation raus. Bis heute das einzige Best-Of der Band.

The Boy With No Name

Als „The Boy With No Name“ 2007 erschien, schien dann für Travis schon wieder etwas mehr die Sonne. Fran Healy war gerade Vater geworden, der Titel bezieht sich auf den Umstand, dass er und seine Partnerin Nora zunächst Probleme hatten, den neugeborenen Sohn zu benennen. Am Ende konnte man sich augenscheinlich auf Clay einigen. Unter dem Eindruck des glücklichen Familienlebens wurden die Songs nicht mehr so düster. Die Platte erreichte Platz vier der britischen Charts. Travis, vor allem Fran Healy, waren mittlerweile deutlich politischer unterwegs, engagierten sich auch abseits der Musik.

Ode To J. Smith

Nach einer kurzen Clubtour bastelten Travis dann wieder an neuen Songs, testeten ein paar der Stücke auch vor Live-Publikum aus. Bei den Aufnahmen des neuen Albums ging es dann aber ganz schnell. Nur etwa zwei Wochen benötigte die Band, um „Ode To J. Smith“ einzuspielen. Der Titel bezog sich dabei auf die Tatsache, dass alle Charaktere, um die es in den Songs geht, namenlos bleiben. „Ode To J. Smith“ erschien im September 2008 auf dem neu gegründeten, bandeigenen Label „Red Telephone Box“, nachdem die Gruppe ihre langjährige Plattenfirma verlassen hatte. Allerdings in aller Freundschaft. Zwar kam das neue Travis-Machwerk bei Kritikern gut an, kommerziell war es aber nicht so erfolgreich wie die Vorgänger-Alben. Nur Platz 20 in den britischen Charts, leider wenig Radio-Airplay.

Where You Stand

Nachdem Healy und Dunlop gemeinsam ein Live-Album einspielten, machten Travis erst einmal Pause. Erst 2011 streute man hier und da mal wieder eine Live-Performance ein. Gleichzeitig wurde an neuen Songs gebastelt, unter anderem mit Unterstützung durch Keane. Ehe die Fans die neuen Tracks hören konnten, gingen aber Jahre ins Land. Travis genossen die Zeit außerhalb des Rampenlichts. „Where You Stand“ erschien erst im August 2013. Diesmal hatten alle Bandmitglieder zum Songwriting beigetragen. Der Ansatz fruchtete. Am Ende spielte „Where You Stand“ für die Band die zweithöchste Chart-Platzierung ihrer Karriere ein: Platz drei der britischen Album-Charts.

Everything At Once

Bloß keine Routine aufkommen lassen – auch für Album Nummer acht ließen sich Travis wieder etwas Neues einfallen. Für die Aufnahmen zur Nachfolger-Platte von „Where You Stand“ begaben sich die Schotten in die legendären Berliner Hansa Studios. Das Ergebnis, „Everyting At Once“, erschien im April 2016. Eine doch sehr erwachsene, aber auch leichtfüßige Platte, die im UK Platz fünf erreichen konnte. Danach: wieder ein paar Touren, außerdem Re-Releases früherer Alben in Jubiläumseditionen – „The Man Who“ und „Live in Glastonbury ’99“ -, wiederum flankiert von Clubkonzerten.

10 Songs

Nach einer wiederum längeren Pause veröffentlichten Travis dann Ende 2019 („Kissing in the Wind“) und Mitte 2020 („A Ghost“) zwei Singles, die auf ein neues Travis-Album hindeuteten. Das erschien dann unter dem fast schon banalen Namen „10 Songs“ am 9. Oktober 2020, mitten in der Corona-Pandemie. Trotz des simplen Titels vielleicht das stärkste Album der Kapelle. Entstanden ist es zum Jahreswechsel 2019/2020, in Co-Produktion von Frontmann Fran Healy und Robin Baynton in den legendären RAK Studios in London. Glanzlicht: das wunderschöne Duett „The Only Thing“, bei dem Fran Healy von Susanna Hoffs (The Bangles) unterstützt wird. Ein Song, der regelrecht verzaubert. Und mehr oder weniger ein Zufallsprodukt. Denn es war ein spontaner Austausch auf Twitter, der Fran und Susanna zueinander finden ließ.

DISCOGRAPHY

1997: Good Feeling
1999: The Man Who
2001: The Invisible Band
2003: 12 Memories
2007: The Boy With No Name
2008: Ode To J. Smith
2013: Where You Stand
2016: Everything At Once
2020: 10 Songs

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