Tears for Fears (foto: universal music)

Tears for Fears

Keine Frage: Tears for Fears gehörten zu den dominantesten Bands der 1980er Jahre. Und wer weiß, was noch alles möglich gewesen wäre, hätte sich die Gruppe nicht in den frühen neunziger Jahren zerstritten. „Shout“ out an eine Band, die den Sound eines ganzen Jahrzehnts maßgeblich mitprägte.

Über die Musik der 1980er Jahre lässt sich ja trefflich streiten. Für die einen ist es ein Jahrzehnt des schlechten Geschmacks, zu schrill, zu künstlich, zu überproduziert. Für die anderen ist es eine Dekade mit einer geradezu unheimlichen Hitdichte, in der die Möglichkeiten grenzenlos schienen, auch dank der Geburt des Musikfernsehens. Tears for Fears werden heute gerne mal vergessen, wenn man an die großen Bands der 1980er Jahre denkt, weil sie auc später nicht durchgängig da waren, wie etwa die Kollegen von Depeche Mode. Dabei gehörte das Duo Roland Orzabal/Curt Smith nicht nur zu den talentiertesten und deepsten Musikern der Dekade, sondern auch zu den dominantesten.

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Die frühen Jahre

Die Vorgeschichte von Tears for Fears beginnt in den siebziger Jahren. Schauplatz: das englische Bath in der Grafschaft Somerset, besonders bekannt für seine römischen Bäder. Hier begegnen sich die beiden Teenager Roland Orzabal und Curt Smith zum ersten Mal. Zwei Jungs aus schwierigen Verhältnissen. Beide musizieren gemeinsam in einer Ska-Schülerband namens Graduate, mit der sie 1980 sogar ein Album veröffentlichen: „Acting My Age“ heißt das gute Stück, die Lead-Single: „Elvis Should Play Ska“. Für eine Schülerband sind die Jungs geradezu unheimlich erfolgreich, die Single verpasst nur knapp die UK Top 100, selbst in Spanien und der Schweiz hört man sich die Platte an. Kann man mal so machen. 1981 löst sich die Kapelle jedoch auf.

Smith und Orzabal bleiben der Musik treu, verdingen sich fortan als Session-Musiker bei der New-Wave-Band Neon, bei der sie den späteren Tears-for-Fears-Drummer Manny Elias kennenlernen. Zu Neon gehörten übrigens auch Pete Byrne und Rob Fisher, später bekannt als Naked Eyes. Wenig später beginnen Orzabal und Smith unter dem Arbeitstitel History of Headaches an gemeinsamer Mucke zu arbeiten. Ihre Vorbilder: OMD, Depeche Mode, Gary Numan. Der Bandname wird aber schon wenig später zu Tears for Fears geändert, eine Referenz an die Primärtherapie von Arthur Janov, die ja bekanntlich schon John Lennon seinerzeit fasziniert hat. Nachdem mit Ian Stanley auch ein Keyboarder gefunden wurde, dauerte es nicht lange, ehe Phonogram Records die Gruppe 1981 unter Vertrag nimmt. Als erste Single erscheint ebenda im November des gleichen Jahres „Suffer the Children“, die aber noch keine große Beachtung findet. Ebenso wie die Nachfolge-Single „Pale Shelter“ im März 1982.

The Hurting

Erstmals wirklich Aufmerksamkeit generieren Tears for Fears erst 1982 mit Single Nummer drei. Noch heute gilt sie als Klassiker. Die Rede ist von „Mad World“, das Platz drei der UK Charts erreicht und 2001 in der Coverversion von Michael Andrews und Gary Jules (als Arbeit für den Soundtrack zum Kinofilm „Donnie Darko“) nochmal zu Ehren kommen sollte. Auch in den Lyrics dieses Titels spielen die Theorien von Arthur Janov eine zentrale Rolle, Orzabal verarbeitet hier auch seine schwierige Kindheit. Als im März 1983 das recht düster geratene Debütalbum „The Hurting“ erscheint, findet sich der Track natürlich darauf wieder. Er sollte aber nicht die einzige Hit-Single des Albums bleiben: Auch „Change“ und „Pale Shelter“ (im zweiten Anlauf“) knacken die Top 5 der UK Charts. Bei den zeitgenössischen Kritikern stößt die Platte, die sich irgendwo zwischen New Wave, Synthie-Pop, Dark Wave und Gothic Rock bewegt, eher auf gemischte Gefühle. Dem Publikum aber ist’s egal: Platz eins in den UK-Album-Charts. Ein Start nach Maß.

Songs from the Big Chair

Platz eins mit dem Debütalbum? Was kann da noch kommen? Und? Wie macht man nun weiter? Einfach weiter wie bisher? In der Hoffnung, den Erfolg des Erstlings zu wiederholen? Tears for Fears entscheiden sich für eine mutigere Variante. Die Band will einen Stilwechsel einläuten, nicht mehr so introvertiert klingen, sondern mehr extrovertiert. Wie Smith später verrät, schauten sich die Jungs da ein bisschen was von den großen Gesten von Kollegen wie Bryan Adams, Steely Dan oder Bruce Springsteen ab, auch wenn sie musikalisch natürlich dem New Wave und dem Prog-Pop treu blieben. Das Ergebnis: „Songs from the Big Chair“, veröffentlicht am 25. Februar 1985.

Wahrscheinlich spiegelt kein Song den neuen Ansatz des Duos besser als der Überhit der Platte: „Shout“ mit seinen Power-Akkorden, schweren Riffs, dem Synthie-Bass und dem ausladenden Gitarrensolo. Das Mantra „Shout“ ist durchaus politisch gemeint, wie die Band später kundtut. Ein Aufruf zum Protest, in der bleiernen Schwere des Kalten Krieges. Neben „Shout“ erfolgreich: die Single „Everybody Wants to Rule the World“. Der Lohn: Platz zwei für das Album in den UK Charts, Platz eins in vielen anderen Ländern, unter anderem in Deutschland. Die Band legt nach der obligatorischen, aber ziemlich langen Tour erstmal eine wohlverdiente Pause ein.

The Seeds of Love

Da der Vorgänger „Songs From The Big Chair“ ein echter Mega-Seller war, gehen Tears for Fears mit viel Rückenwind an die Arbeit zum Nachfolger „The Seeds Of Love“. Erste Ideen dazu werden schon während der 1985er Tour entwickelt, oftmals bei Soundchecks vor den Shows. Allerdings biegen die Jungs auf dem Weg zu fertigen Platte ein paar Mal falsch ab, was die lange Vorbereitungsphase (vier Jahre) und die lange Liste an Produzenten, Toningenieuren und Gastmusikern bewies, die die beiden verschlissen haben. Eine Million Pfund soll die Arbeit an dem Album verschlungen haben, für damalige Verhältnisse eine geradezu irrwitzige Summe.

Irgendwann reift aber bei Curt und Roland die Erkenntnis, das Ding doch lieber selbst zu produzieren. Einzig Dave Bascombe darf als Toningenieur mitmischen – und klar, dann ist da noch die Soul-Sängerin Oleta Adams. Die US-Pianistin und Sängerin wird von der Band im Jahr 1985 in einer Hotelbar entdeckt. Anfang 1988 stößt sie im Studio dazu und spielt mit Manu Katché (Schlagzeug) und Pino Palladino (Bass) Hits wie „Woman In Chains“ (mit Phil Collins am Schlagzeug) oder auch „Badman’s Song“ ein. Die Tracks gehören zu den Glanzlichtern der Platte, ebenso wie der beatle-esque Titeltrack. Die ganzen Mühen lohnen sich am Ende. „The Seeds of Love“ erobert Platz eins der UK Charts und wird auch international ein großer Erfolg. Es sollte der letzte gemeinsame des Duos für stolze zehn Jahre werden.

Elemental

Denn 1991 kommt es zum großen Knall: Curt Smith verlässt die Band nach anhaltenden Spannung mit seinem Kollegen. Orzabals Arbeitsweise, sein Herangehen an die Produktion stieß Smith offenbar zunehmend sauer auf. Auch Band-Manager Paul King, der wenig später wegen Betrugs im Knast landete, hatte in dem Zwist zwischen den beiden Streithähnen offenbar Aktien. Letzterer führt den Namen Tears for Fears fortan alleine weiter, während sich Smith erst einmal solo versucht, allerdings mit überschaubarem Erfolg. Orzabal nutzt die personelle Veränderung, um auch stilistisch neue Wege zu gehen, die sich im Album „Elemental“ (erschienen am 7. Juni 1993) manifestieren. Den zeitgenössischen Kritikern kommt die Platte aber zu prätentiös vor. Zu bemüht. Kommerziell ist das Ding, bei dem auch Alan Griffiths Songwriting beisteuert, zwar nicht so erfolgreich wie die Vorgänger, aber mit Platz 5 in den UK Charts muss sich Orzabal nun auch nicht völlig schämen. Zumal die Platte mit „Break It Down Again“ auch einen Hit abwirft.

Raoul and the Kings of Spain

Alan Griffiths ist auch Orzabals Songwriting-Partner beim Nachfolge-Album „Raoul and the Kings of Spain“, das am 10. Oktober 1995 auf den Markt kommen sollte. Orzabal erkundet auf der Platte – die nicht mehr bei Mercury, sondern bei Sony Music erscheinen sollte – nicht nur seine spanischen Wurzeln, sondern beschäftigt sich hier auch mit dem Themenkomplex Familie und Konflikt. Und so lässt der Gute hier auch ein paar spanische Folk-Elemente in die Mixtur aus Pop-Rock und Prog-Pop einfließen. Beim Song „Me and My Big Ideas“ kommt es zu einer Reunion mit Oleta Adams. Publikum und Kritiker danken das Experiment nicht, die Platte wird ein Flop. Nur Platz 41 in den UK Charts. Orzabal legt den Namen Tears for Fears daraufhin für eine Weile ab, veröffentlicht ein Solo-Album unter seinem Namen.

Everybody Loves A Happy Ending

Die Geschichte von Tears for Fears hat aber ein Happy End. Nach fast zehn Jahren Funkstille nehmen Orzabal und Smith im Jahr 2000 wieder Kontakt auf. Man versöhnt sich, lässt Anwälte Anwälte sein, völlig im Klaren darüber, im Doppelpack stärker als allein zu sein. Und: Auch ein neues Album soll her. Das wäre wohl auch schon im Jahr 2003 erschienen, wenn es nicht noch einen zwischenzeitlichen Label-Wechsel gegeben hätte. Orzabal und Smith finden aber schließlich eine neue Heimat beim New Door Label, das zur Universal-Music-Familie gehörte. Dort erscheint am 14. September 2004 „Everybody Loves A Happy Ending“, das sich im Spannungsfeld zwischen Alternative Rock und Prog-Pop bewegt. Kein großer Chart-Erfolg zwar, aber eine würdiges Comeback – und der Auftakt in eine neue Ära der Band, die fortan vor allem aus Live-Auftritten und Touring besteht. Ein neues Album lässt aber – trotz mehrfacher Ankündigung auf sich warten. 2021 könnte es soweit sein, wie Orzabal in mehreren Interviews zuletzt andeutete …

DISCOGRAPHY

1983: The Hurting
1985: Songs from the Big Chair
1989: The Seeds of Love
1993: Elemental
1995: Raoul and the Kings of Spain
2004: Everybody Loves A Happy Ending

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