Tobias Rüther - Herrndorf: Eine Biographie (foto: rowohlt)

Tobias Rüther – Herrndorf: Eine Biographie

Erscheinungsdatum
August 15, 2023
Verlag
Rowohlt
Unsere Wertung
8

Ob Wolfgang Herrndorf („Tschick“) wirklich der größte deutsche Schriftsteller seiner Generation war? Das ist zumindest die Schlussfolgerung, die der Journalist in seinem neuen Buch „Herrndorf: Eine Biografie“ zieht. Es ist die erste ihrer Art, erschienen ist sie zum 10. Todestag des Autoren im Rowohlt-Verlag.

Man kann nur erahnen, wie es Wolfgang Herrndorf gefunden hätte, dass da einer über ihn ein Buch schreibt. Sein Leben deutet. Noch ehe er sich am 26. August 2013 wegen eines unheilbaren Hirntumors das Leben nahm, verfügte er, dass von ihm bitteschön nichts Unvollendetes erscheinen sollte: „Keine Fragmente aufbewahren, niemals Fragmente veröffentlichen. Niemals Germanisten ranlassen, Freunde bitten, Briefe etc. zu vernichten. Journalisten mit der Waffe in der Hand vertreiben.“Sätze, die auch aufzeigen, wie Herrndorf zu Kritikern und Journalisten stand, mit diesem ganzen Literaturbetrieb hatte er nichts am Hut, zumindest kokettierte er damit. Tobias Rüther hat sich dennoch an eine Biografie des großen Erzählers gewagt, es ist die erste, sie ist pünktlich zum 10. Todestag des Künstlers erschienen. Dafür hatte er Zugang zum Nachlass des Verstorbenen erhalten.

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Es ist die Geschichte eines Mannes, der mit „Tschick“ einen Roman für die Ewigkeit schrieb und doch zu früh starb, um seinen Erfolg wirklich noch genießen zu können. Als „Tschick“ 2010 erschien, war Herrndorf schon schwer krank, seine Diagnose hatte er im Februar des gleichen Jahres bekommen. Während viele nach einem solchen Schock geradezu gelähmt gewesen wären, blieb Herrndorf unheimlich produktiv. Während andere gefragt hätten, wieviel Zeit ihnen noch bleibt (er ging von 17,1 Monaten aus), ging Herrndorfs Rechnung anders. Er fragte sich, wieviele Bücher er in dieser kurzen Zeit wohl noch schreiben konnte. Es war ein Wettlauf gegen die Zeit, zumal Herrndorf auch einer dieser Schreiber war, die nur schwer von ihrem Werk lassen konnten, sich immer wieder korrigierten, immer wieder etwas änderten, überarbeiteten, umschrieben.

17,1 Monate

Er begann einen Blog, in dem er über das Leben mit der heimtückischen Krankheit sinnierte, das letztlich noch zu einem Buch wurde („Arbeit und Struktur“). Und mit „Sand“ und „Bilder deiner großen Liebe“ (das posthum auf den Markt kam) stellte er sogar noch zwei Romane fertig. Aus den 17,1 Monaten wurden etwas mehr als drei Jahre, ehe Herrndorf selbstbestimmt seinem Leben ein Ende setzte. Herrndorf wollte nicht miterleben, wie der Tumor das Ich frisst. Er erschoss sich am Berliner Hohenzollernkanal.

Tobias Rüther, das wird schnell klar, ist ein Bewunderer Herrndorfs. Er zeichnet das Leben des 1965 in Norderstedt geborenen Künstlers nach, folgt ihm durch Kindheit, Kunststudium in Nürnberg bis nach Berlin – und eben in die dramatischen letzten Jahre mit der Krankheit. Basierend auf zahlreichen unveröffentlichten Dokumenten und Gesprächen mit Familie, Freunden und Weggefährten beleuchtet der FAS-Autor alle Facetten Herrndorfs, auch die bisher weniger bekannten: Er zeigt den Künstler, der Astrophysik und niederländische Malerei liebte, Fußball, Nabokov und Stendhal, den Akribiker, Romantiker und Internetbewohner, den hochbegabten Maler und „Titanic“-Illustrator.

Akribische Arbeit

Rüther legt dabei viel Akribie an den Tag (fünf Jahre hat er an dem Buch gebastelt),verliert sich  zwar hier und da mal in Details, schafft es aber dennoch dem Leser den Menschen hinter dem Künstler zu zeigen. Und das, obwohl er den zurückgezogenen Herrndorf selbst nie getroffen hat. Ein Porträt, das bewegt, das nicht verklärt, das Ecken und Kanten zeigt – und mit dem daher sicherlich auch Herrndorf selbst heimlich einverstanden gewesen wäre. Zugegeben hätte er das aber mit Sicherheit nicht …

8
Bewegend.
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