Das Auge kauft mit. Dessen waren sich die Entscheider in der Musikindustrie in den 1980er Jahren sicher. Ein Jahrzehnt, in dem das Prinzip „Sex sells“ erstmals auf die Spitze getrieben wurde. Auch Kim Wilde wurde als Sexsymbol vermarktet, wenn auch nicht so provokant wie Rivalin Madonna. Das lenkte davon ab, dass Wilde durchaus auch Songs mit Tiefgang sang. Zehn Songs von ihr, die Sie – vor ihrem Konzert in Mannheim – unbedingt kennen sollten.
10. Never Trust A Stranger
Eine der in der Rückschau vergessenen Perlen im Kim-Wilde-Katalog. Sehr gitarrenlastig, eingängig, 1988 völlig zu Recht ein Hit. Aber auch ein Beispiel dafür, wie unbarmherzig die Boulevard-Presse mit Frauen im Showgeschäft zu jener Zeit umging. Als ihr beim legendären San-Remo-Festival 1989 just bei diesem Song das Oberteil ungünstig verrutscht und eine Brust freilegt, schießt sich die Presse auf Wilde ein, ätzt über vermeintliche Gewichtsprobleme und dichtet ihr eine Schwangerschaft an.
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09. Rockin’ Around The Christmas Tree
Keine Frage: Dieser Song, erstmals von Brenda Lee 1958 gesungen, ist eines der meistgecoverten Weihnachtslieder. Auch Kim Wilde veröffentlicht 1987 eine Version davon, in Zusammenarbeit mit dem Comedian Mel Smith. Als Parodie auf das damals angesagte Pop-Schwestern Duo Mel and Kim (Appleby) nennen sich die beiden Mel & Kim. Die Charity-Single gerät zum Hit. Im Nachgang wird sie aber noch einmal verändert und editiert, weil es in der Ursprungsversion Referenzen an den australischen Musiker Rolf Harris gibt, der Jahrzehnte später wegen sexuellen Missbrauchs Minderjähriger zu einer mehrjährigen Haftstrafe verurteilt wird.
08. Anyplace, Anywhere, Anytime
Während Kim Wilde das erste Mal schwanger ist, kommt ihr die Idee, für ihren Nachwuchs einen Garten anzulegen. So stürzt sie sich voll ins Thema „Gärtnern“. Aus dem Hobby wird schnell mehr: Zu Beginn des neuen Jahrtausends strahlt der britische Channel 4 die Gartenserie „Garden Invaders“ mit Kim Wilde aus. Doch als plötzlich die 1980er Jahre in der Popkultur ein Revival erfahren, zieht es auch Wilde wieder auf die Bühne. Und ins Studio. Auf Nenas siebtem Studioalbum „20 Jahre – Nena feat. Nena“, auf der diese ihre alten Hits in neue Gewänder kleidet, ist Wilde mit der deutschen Popmusikerin im Duett zu hören. Aus „Irgendwie, irgendwo, irgendwann“ wird so „Anyplace, Anywhere, Anytime“ (2002). Platz drei in Deutschland, Platz eins in den Niederlanden und Österreich. Eine Kollaboration, die beiden Musikerinnen ein unerwartetes Comeback beschert.
07. View From A Bridge
Unheimlich düster und damit auch ein eher unwahrscheinlicher Hit. Der 1982 auf dem Album „Select“ veröffentlichte Song erzählt die Geschichte eines Mädchens, das sich von einer Brücke in den Tod stürzt, nachdem sie herausgefunden hat, dass ihr Freund sie betrügt. Kims Vater Marty, mit Kims Bruder Ricky ihr Songwriter, entwickelte die Idee zu dem Song, als er auf der Forth Bridge, einer zweigleisigen Eisenbahnbrücke in South Queensferry (Schottland) stand.
06. Chequered Love
Wo nehmen Künstler die Ideen für ihre Songs her? Manchmal muss man gar nicht so weit gucken, es genügt die Beobachtung des eigenen Umfelds. Kims Bruder Ricky und ihr Vater Marty erörtern in diesem Song, wie sich Gegensätze anziehen. Dabei lassen sie sich vom Familienleben der Wildes inspirieren, Kims Eltern sollen sehr gegensätzliche Persönlichkeiten sein. Die 1981 veröffentlichte Nummer wird zu Kims zweiter Single, erscheint auf ihrem selbstbetitelten Debütalbum und wird ein Welt-Hit.
05. Water On Glass
Tinnitus ist eine fiese Angelegenheit. Betroffene werden ständig von Geräuschen heimgesucht, das kann ein Pfeifen im Ohr sein, ein Rauschen, ein Klingeln, ein Zischen, vielleicht ein Brummen. Tinnitus ist auch das Thema in dem Song „Water On Glass“ (1981), den wieder Ricky und Marty Wilde für Kim schrieben. Die gab übrigens zu Protokoll, später selbst Tinnitus entwickelt zu haben. Das Leiden wurde schon häufiger besungen, Kim Wilde ist mit diesem Sujet in guter Gesellschaft: Auch U2, Bob Seger, Suzanne Vega, Status Quo, die Pet Shop Boys oder Wilco haben sich dem Thema schon angenommen.
04. You Came
Der Song bildet eine aufregende Zeit von Kims Bruder Ricky ab, der gerade Vater geworden war und diesen Song seinem Nachwuchs widmete. Der Ohrwurm erscheint 1988 auf Kims Album „Close“ und erreicht die Top 10 in vielen europäischen Ländern. Das Video dazu entsteht während der „Bad“-Tour von Michael Jackson, bei der Kim als Support Act mit von der Partie ist. Darin performt Wilde auch vor der Berliner Mauer.
03. You Keep Me Hangin’ On
1986 nimmt sich Kim Wilde diesem Klassiker der Motown-Ära an – und verändert ihn stark. Wurden in der ursprünglichen Supremes-Version aus dem Jahre 1966 Pop, Funk, R&B und Soul kombiniert, macht Kim Wilde daraus einen Hi-NRG-Song oder, vereinfacht, elektronischen Dance-Pop. Dafür gibt’s unter anderem Platz eins in den USA. Das Video dazu: unheimlich. Der düstere Clip zeigt Wilde unter anderem auf einem schwarz bezogenen Bett, im Hintergrund ein mysteriöser Mann, eine bedrohliche Silhouette, die die Wände um sie herum zerstört.
02. Cambodia
Sex ist im Pop heutzutage ein Stilmittel, mit dem ziemlich offensiv gearbeitet wird. In den 80er Jahren ist man in dieser Hinsicht noch zurückhaltender als heute, allerdings auch insgesamt provokativer als noch in den Jahrzehnten davor. Auch Kim Wilde wird seinerzeit stark über ihre Optik vermarktet. „Ich habe es geliebt, ein Sexsymbol zu sein“, verrät die Künstlerin mal Jahre später der „Bunten“ in einem Interview.
Natürlich geht so eine Vermarktung dann aber immer mit einer unterstellten Oberflächlichkeit einher. Umso überraschender ist es dann für viele, welchen Tiefgang die Musik von Kim Wilde tatsächlich auch haben konnte – und welche Themen sie in ihren Songs anschnitt. Einer dieser unwahrscheinlichen Songs: „Cambodia“, Wildes vierte Single.
Das 1981 veröffentlichte Lied erzählt von einer Frau, deren Partner zu Zeiten des Vietnamkriegs als Air-Force-Pilot in Thailand stationiert ist. Eines Tages erhält der immer depressiver wirkende Mann den Befehl, nach Kambodscha zu fliegen. Ein Einsatz, von dem er nie wieder zurückkehren sollte.
Die Autoren des rund siebenminütigen Songs, Wildes Bruder Ricky und ihr Vater Marty, spielten hier inhaltlich auf die geheime Bombardierung Kambodschas durch die Amerikaner an, auch Operation Menu genannt. Musikalisch setzt Wilde hier stark auf kühle Synthesizerklänge, eine Abkehr vom Sound des Debütalbums. Der Mut dieser Themenwahl wird belohnt: Platz eins in Schweden, der Schweiz und Frankreich, Platz zwei in West-Deutschland und in Belgien, immerhin Platz zwölf in der britischen Heimat.
01. Kids in America
Marty Wilde war in den 1950er Jahren in Großbritannien ein erfolgreicher Rock’n’Roll-Musiker. Sohnemann Ricky , ein Kinderstar, wollte in seine Fußstapfen treten. Als er im Alter von 18 Jahren im Studio des Musikproduzenten Mickie Most aufschlägt, interessiert dieser sich aber eher für die Backgroundsängerin, die Ricky mitgebracht hat: Kim.
Ricky schaltet schnell, entscheidet sich, fortan lieber seine Schwester zu produzieren statt eigene Karrierepläne zu verfolgen. Der erste Song, den er ihr mit dem Herrn Papa auf den Leib schreibt, wird gleich zum Signature-Song seiner Schwester. „Kids in America“. Bei der Komposition holt sich Ricky Inspiration von den New-Wave-Acts der Zeit (gerade bei Orchestral Manoeuvres in the Dark und ihrem Hit „Message“ hat er offenbar sehr genau hingehört), beim Text lässt sich Marty von Erinnerungen an seine Rock’n’Roll-Jugend in Großbritannien leiten und wie man damals immer etwas neidisch auf die amerikanischen Altersgenossen blickte. Die Nachkriegsjugend im Vereinigten Königreich wuchs in deutlich ärmeren Verhältnissen auf, der aus den USA importiere Rock ’n’ Roll gab ihnen eine Identität.
Der Song wird zum weltweiten Hit – und verkauft sich so rasend schnell, dass die Ersteller der wöchentlichen Charts sogar kurz von einem Betrug ausgehen, wie Kim Wilde in einem Interview mit dem Magazin „Louder“ verriet. Mehr als drei Millionen Einheiten konnte Wilde von der Single absetzen. Der Song, der sie für eine Weile zum Superstar machte.
Termin
Kim Wilde tritt am Samstag, 30. November, 20 Uhr, im Mannheimer Capitol auf. Der Auftritt ist Teil ihrer „Wilde Winter Acoustic Tour“. Auf dem Programm stehen Songs aus dem „Wilde Winter Songbook“-Album, berühmte Weihnachtslieder und die größten Hits von Kim Wilde, die allesamt im Akustikstil gespielt werden.
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