Zeitreise zurück ins Jahr 2008: Zum ersten Mal seit eben diesem Jahr veröffentlichen Razorlight Musik in der Besetzung, die Songs wie „America“, „Wire to Wire oder „Golden Touch“ hervorgebracht hat. „Planet Nowhere“ ist am 25. Oktober über V2 Records / Bertus erschienen.
In den Nullerjahren galten Razorlight als eine der größten zeitgenössischen britischen Rock-Bands. Die Band um Johnny Borrell, den früheren Bassisten der Libertines, war ein großes Versprechen. Eines, das zu Beginn auch eingelöst wurde. Gleich das Debütalbum der Band, „Up All Night“, landete 2004 auf Platz drei der britischen Charts. Das selbstbetitelte Nachfolgewerk erreichte zwei Jahre später die Pole Position im UK, der Nachfolger „Slipway Fires“ immerhin noch Platz vier. Und dann? Dann war irgendwie die Luft raus. Nach und nach machten sich Gründungsmitglieder der Band vom Acker. Borrell verblieb als einziges Original. Erst 2018 sollte mit „Olympus Sleeping“ wieder eine neue Razorlight-Platte erscheinen, die aber nur wenig Beachtung fand.
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Jetzt ist die alte Gang aber wieder zusammen. Johnny Borell, Björn Ågren, Carl Dalemo und Andy Burrows, das Line-Up der Zeit um Album zwei und drei, der goldenen Ära also, machen wieder gemeinsame Sache. Seit der Reunion haben Razorlight eine ausverkaufte Headline-Tournee absolviert und spielten Konzerte als Gäste von Muse, Kaiser Chiefs und James. Aber der stets ehrgeizige Johnny Borrell forderte sich selbst heraus: „Wer will schon eine Greatest Hits Band sein?“
Youth als Produzent am Start
Also heckte Borrell einen Plan aus und buchte Ende 2023 eine fünftägige Session mit dem legendären Produzenten Youth (The Verve, James) in dessen Space Mountain Studio in Spanien. Youth wusste, vor welcher Herausforderung die Gruppe stand, und sagte ihr: „Razorlight ist doch ganz einfach, oder? Eine treibende Bassline, treibende Drums und eine Geschichte“. Jedoch war es, wie so häufig, nicht so einfach. Nach vier Tagen hatte die Kapelle einen Haufen Ideen, aber nichts, was wirklich vielversprechend war. Und dann, so erinnert sich Johnny, erwuchs doch noch etwas Gutes, auch wenn es erst nicht so aussah:
„Ich war unten in der Barranca gewesen und kam zurück, um das Studio leer vorzufinden. Also nahm ich diesen seltsamen Sechssaiter-Bass-Gitarren-Hybriden, den ich noch nie gesehen hatte, und schrieb dieses Ding. An unserem letzten Abend fing ich an, es mit den Jungs zu spielen. Das Schlagzeug war hart, der Bass dröhnte. Es klang wie Scheiße. Absolute Scheiße. Aber Youth war da und versuchte alles, um den Song zum Laufen zu bringen. Aber der Track wollte einfach nicht. Wir gaben nicht auf und von einem Augenblick auf den nächsten erhob sich der Song wie eine Statue, die sich aus dem Marmor schält.“ Dieser Song war die erste Single „Scared of Nothing“, der als Kickstart für „Planet Nowhere“ diente.
Der große Hit fehlt
Am Ende konnte die Gruppe zehn neue Tracks zusammenstellen, die so klingen, als wäre die Zeit in den Nullen Jahren stehen geblieben. Die Band kredenzt auf „Planet Nowhere“ geradlinigen Indie-Rock aus der Millennium-Ära. Nicht unbedingt originell, aber das, was die Die-Hard-Fans nach so vielen Jahren hören wollen. Was die Jungs nun anbringen, ist auf jeden Fall solide. Kein großer Wurf, klar, aber: solide. „Cool People“ gefällt mit seinem Sixties-Vibe; das tanzbare „Cyclops“ und „Zombie Love“ durch Eingängigkeit. „Scared Of Nothing“ ist Gitarren-Pop der besseren Sorte, „Dirty Luck“ wärmt im Soft-Rock-Gewand. Mit „Empire Service“ wagen sie sich sogar in Post-Punk-Gefilde vor. Ein Song, ebenso energetisch wie der Closer „April Ends“.
Das Album gefällt auch durch eine eher zurückhaltende Produktion, Youth hatte hier das richtige Näschen. Ob es hilft, die Karriere der Band wieder zu beleben? Abwarten. Dazu fehlt dann wohl der eine Hit. Denn bringen Razorlight auf diesem Machwerk leider nicht mit. Aber: Sie klingen, als hätten sie wieder zu sich selbst gefunden. Und das ist ja eine gute Basis für das, was da vielleicht noch kommt.
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