Der Soundtrack der 1980er Jahre wurde durch Synthie-Pop maßgeblich mitbestimmt. Spandau Ballet gehörten zu den erfolgreichsten Vertretern des Genres. Mit Hits wie „Gold“ und „True“ schufen sie Songs für die Ewigkeit. Gesungen hat sie Tony Hadley. Der ist nun Solo-Künstler und macht jetzt auch beim Jazz & Joy in Worms Station. Mit Benjamin Fiege sprach er über seine überraschende Liebe zum Swing, die Blitz-Kids-Szene und seine Bewunderung für Margaret Thatcher.
Tony, Sie haben gerade ein neues Album veröffentlicht mit Klängen, die man eigentlich so gar nicht von Ihnen erwarten würde: Swing! Wie ist das denn passiert?
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Ja, ich liebe Swing-Musik. Und das schon von Kindesbeinen an. Meine Mutter hatte zu Hause immer Sonntagmorgens Swing aufgelegt, wenn sie das Mittagessen vorbereitete. Also hörte ich schon früh Frank Sinatra, Tony Bennett, Jack Jones, Ella Fitzgerald, Sammy Davis jr., Mel Tormé – all diese großartigen Sänger. Gleichzeitig mochte ich aber auch Queen, Roxy Music, David Bowie, The Clash oder die Pistols. Meine musikalischen Einflüsse waren also sehr divers. Ich liebe es derzeit, Swing-Songs zu singen. Wir hatten Anfang des Jahres schon eine Tour mit Liedern aus dem Bereich, vor vielen ausverkauften Häusern und mit viel Standing Ovations.
Was fasziniert Sie am Swing?
Der Sound, der Rhythmus, die Texte – die Lyrics sind oft schöne, kleine Geschichten, die sich meist um die Liebe drehen. Und die Arrangements sind oft fantastisch.
Wie haben Sie die Songs für das Album ausgewählt?
Es ist viel Tony Bennett und Jack Jones dabei, da bin ich einfach ein großer Fan. Wir haben mit „The Walk Of Shame“ aber auch einen Original-Song dabei, mit einem schönen Bigband-Arrangement. Oder, ganz verrückt: eine Swing-Version des The-Doors-Tracks „Touch Me“. Sehr energetisch. Man merkt also: Wir hatten bei der Auswahl der Songs und den Aufnahmen unseren Spaß.
Treffen mit Sinatra
Ist es wahr, dass Sie als Teenager Sinatra auch mal begegnet sind?
Ja, ich war damals 16, ging noch zur Schule. Irgendwie ist es mir damals gelungen, in den Backstage-Bereich der Royal Albert Hall zu gelangen. Dort traf ich ihn. Er war sehr nett, ich konnte ihm die Hand schütteln und ihm auch von meinen musikalischen Ambitionen erzählen. Davon, dass ich es auch gerne mal in die Royal Albert Hall schaffen würde. Er wünschte mir viel Glück. Ein paar Jahre später, mit 23, ist es uns mit Spandau Ballet tatsächlich gelungen, dort aufzutreten.Träume können also wahr werden.
Wagen wir den Sprung aus der Swing-Ära in die 1980er Jahre. Sie sind bald mit einem Weggefährten aus der Zeit auf Tour, Boy George. Das klingt nach einer unterhaltsamen Reisegruppe.
Ja, Boy George und ich sind schon sehr lange befreundet, wir kennen uns schon über 40 Jahre. Das wird eine tolle Tour, ich freue mich schon wahnsinnig darauf. Aber: Zusammen in einem Bus werden wir nicht reisen. Das liegt einfach an der Größe der Gruppe. Alleine in meiner Band gibt es sieben Musiker, dazu die Crew-Mitglieder. Da ist also jeder mit seinem eigenen Tross unterwegs. Wir sind in dieser Konstellation erst einmal nur im Vereinigten Königreich auf Tour. Es wäre aber toll, wenn wir dieses Projekt auch auf deutsche Bühnen bringen könnten.
Die Zeit im „Blitz“
Sie und Boy George waren ja in den 1980er Jahren Teil der Blitz-Club-Szene. Sind Sie sich da direkt grün gewesen? Das war ja doch ein sehr kompetitives Umfeld, da trafen jede Menge großer Egos aufeinander, jeder wollte mit seinem Look herausstechen ..
.Ja, jeder in der Szene kannte damals George, und jeder kannte uns. Natürlich gab es da auch ein bisschen Rivalität. Aber im Grunde ging es darum, eine gute Zeit zu haben. Wir waren jung, 18, 19 Jahre alt, in einem Club in London und haben Dinge getan, die anders waren, haben uns von Kraftwerk, aber auch vom Underground mit David Bowie, Iggy Pop oder Lou Reed beeinflussen lassen. In dem Klub haben sich auch viele Stars getummelt. Bowie war dort oft Gast, George Michael, selbst Mick Jagger.
Ist es wahr, dass Mick Jagger dort mal der Eintritt verwehrt wurde?
Das stimmt. Daran war bloody Steve Strange, Betreiber des „Blitz“ und Sänger von Visage („Fade to Grey“) schuld. Er hat ihn weggeschickt, weil er nicht passend gekleidet war. Da gab es eine sehr strenge Tür. Mick hat es aber irgendwann reingeschafft. Steve war ein toller Typ, leider schaut er uns ja mittlerweile von oben aus zu.
Die Blitz Kids haben sich da ja dann in die New Romantics weiterentwickelt. Spandau Ballett zählten da ja auch dazu. Die Bewegung gilt ja heute als typisch für die 1980er. Damals schien die Presse aber nicht so freundlich mit Ihnen umzugehen. Da hieß es immer: „style over substance“.
Ja, die Presse war damals in der Tat nicht freundlich zu uns und schätzte die Szene sehr gering. Wir haben uns dann gesagt: Wir sind eine gute Band, die gute Songs schreibt, ihre Instrumente beherrscht und einen guten Sänger hat. Und wir waren ja nicht allein. Aus dieser Bewegung, aus dieser Ära, sind Bands wie Depeche Mode, Human League, Duran Duran, Culture Club, Ultravox entsprungen. Viele davon gibt es heute noch und machen heute noch gute Musik. Die Szene war also besser als ihr Ruf.
Mehr als nur eine Nachtclub-Band
Wie erklären Sie sich diese feindselige Haltung der Presse? Ging es darum, dass den Kritikern die Synthie-Mucke nicht handgemacht genug erschien?
Ja, auf jeden Fall. Die Bewegung traf die Leute damals unvorbereitet. Gerade ältere Journalisten hatten Probleme mit uns, weil wir nicht ihren Vorstellungen einer Rockband entsprachen. Spätestens als wir im Wembley-Stadion aufgetreten waren, dämmerte es ihnen aber, dass wir mehr waren als nur eine Nachtclub-Band.
Heute scheint ja stilistisch und in Sachen Mode alles möglich. In den 1980er Jahren musste man sich entscheiden, welcher Subkultur man nun angehören wollte. Und da gab es dann ja auch durchaus handfeste Konflikte. Seid ihr da auch zwischen die Fronten geraten?
Nicht wirklich. Ich mochte Punk und Rock, war oft in den entsprechenden Clubs an der King’s Road unterwegs und habe auch mitbekommen, wie sie sich dort auf die Mütze gegeben haben. Aber so richtig gefährlich oder ernst wurde das nicht. Es stimmt aber schon, dass sich die Menschen damals viel mehr mit Musik verbunden fühlten als heute und sich darüber definiert haben. Mode spielte dabei eine tragende Rolle. Heute gibt es mit der Vielzahl an TV- und Radio-Sendern sowie dem Internet natürlich ganz andere Inspirationsquellen. Es scheint keine Regeln mehr zu geben. Aber die Liebe zur Musik und Mode ist auf dem Weg verloren gegangen.
Wie hing der Style und die Mode mit dem damals gerade aufkommenden Format des Musikvideos zusammen?
Da gab es einen Zusammenhang, klar. Wir wollten einfach gut aussehen, das war unsere Perspektive damals. Und eigentlich ist sie das auch heute noch. Auch mit 64 Jahren gehe ich immer noch mit Hemd und Anzug auf die Bühne. Auch wenn ich sie nicht mehr in New-Romantic-Clubs anziehe.
Finden Sie es traurig, dass Musikvideos heute keine Rolle mehr spielen?
Es ist schon seltsam, wie sehr sich die Musiklandschaft in dieser Hinsicht verändert hat. In den 1980ern ging es nicht ohne, da wurde viel investiert, wer da international eine Rolle spielen wollte, musste Musikvideos drehen. Das hat viel Kreativität freigesetzt. Heute muss man das alles nicht mehr. Gleichwohl ist es heute viel schwieriger, auf sich aufmerksam zu machen. Es gibt einfach zu viele talentierte Musiker und Künstler, dass man gar nicht den Überblick hat, wer da raussticht.
„Plan A war mein Plan B“
Sie hatten Ihren Durchbruch mit Spandau Ballet mit 20 Jahren. Gab es dennoch einen Karriere-Plan B?
Nein, und ich finde: Wenn man es wirklich ernst meint mit der Kunst, sei es als Musiker, Schauspieler oder Bildender Künstler, dann denkt man sich keinen Plan B aus, sondern verfolgt konsequent Plan A. Man muss sein ganzes Herz, seine ganze Leidenschaft investieren. Es ist kein Teilzeitjob.
Man liest ja oft: Die New Romantics waren die Gegenantwort auf das biedere Thatcher-England. Der „Guardian“ hat Spandau Ballet aber als Thatcherismus auf Vinyl beschrieben. Wie passt das zusammen?
(lacht schallend). Das ist eine sehr lustige, sehr unterhaltsame Beschreibung von uns. Die kannte ich noch gar nicht. Man muss sich das Großbritannien der 1970er Jahre vor Augen führen: Da wurde der Müll auf den Straßen gesammelt und nicht entsorgt, es gab Probleme mit der Elektrizität, überall war Verfall und Abstieg sichtbar. Dann kam Margaret Thatcher und – egal ob man sie nun geliebt oder gehasst hat – musste man zugeben: Sie war eine Frau mit Überzeugungen. Sie hat das Gesicht Großbritanniens wieder zum Positiven verändert. Und wenn wir als gut angezogene junge Sänger ein bisschen symbolisch für die Version standen, die Thatcher für England hatte, nehme ich das gerne an.
Spandau Ballet waren jetzt nicht gerade als politische Band bekannt. Sie als Solo-Künstler halten aber mit Ihrer politischen Haltung nicht hinterm Berg, supporten die Konservativen, wollten ja sogar selbst mal in die Politik.
Ich bin tatsächlich einer der wenigen Menschen im Pop, die die Konservativen unterstützen. Auch wenn nicht alles gut finde, was sie so treiben. Ich wurde tatsächlich mal gefragt, ob ich mich nicht für das Parlament zur Wahl stellen wollte, aber dafür liebte ich die Musik dann doch zu sehr. Ich kritisiere lieber von außen. Gerade läuft es in der Politik in diesem Land nicht gut. Egal welche Partei man sich da gerade anschaut. Überall gibt es Probleme. Aber die gibt es ja auch gerade in den USA oder Europa. Keine einfache Zeit.
„Der Brexit war ein Fehler“
Sie hatten damals den Brexit unterstützt. Ein Fehler?
Ich war damals tatsächlich für den Brexit, weil mir die Arroganz der EU gegenüber den Briten sehr gegen den Strich ging. Im Nachhinein stellt man sich natürlich die Frage: War das eine gute Idee? Ich weiß nicht, wahrscheinlich eher nicht. Es war wohl ein Fehler, ja. Ich finde: Wir sollten viel enger zusammenarbeiten. So wie wir es etwa bei der Unterstützung der Ukraine tun. Ein bisschen habe ich aber den Eindruck, dass Großbritannien für den Brexit bestraft wird. Das Gefühl bekommt man auch, wenn man als Brite nun nach Europa einreist.
Seit wann interessieren Sie sich denn für Politik?
Ich interessierte mich schon immer dafür. Als ich jünger war, das mag den einen oder anderen überraschen, hatte ich Verbindungen zur Kommunistischen Partei in London. Ich hatte in der Schule russische Geschichte und war fasziniert von Sozialismus und Marxismus. Heute glaube ich an Middle-of-the-Road-Konservatismus. Es gibt viele Menschen, die Hilfe brauchen, denen wir auch helfen sollten. Arbeitslose, Menschen mit Behinderungen. In anderen Bereichen des Lebens müssen wir die Leute aber wieder zu Unternehmertum und harter Arbeit ermutigen, dazu, dass sie sich auf positive Art und Weise wieder um ihre Familien kümmern – und irgendwie auch um das Land. Politiker, gerade an den extremen Rändern, machen die Sache unnötig kompliziert. Am Ende sind wir Menschen doch alle gleich, haben alle die gleichen Bedürfnisse.
Sie haben Spandau Ballet 2017 verlassen. Die Frage nach dem Grund wurde Ihnen schon oft erfolglos gestellt, ich verkneife sie mir. Können Sie aber bei all den Querelen noch positiv auf die Zeit mit der Band zurückschauen? Oder ist da nur noch Bitterkeit?
Ich kann die Zeit durchaus noch wertschätzen, auch wenn wir heute wirklich nicht mehr miteinander klarkommen. Wir hatten aber tolle Zeiten, haben Dinge erreicht, von denen andere träumten, sind gemeinsam um die ganze Welt gereist, hatten große Hits. Das war unglaublich. Deswegen singe ich auch heute noch Spandau-Ballet-Songs auf meinen Konzerten und genieße das auch. Wenn wir jetzt nach Deutschland kommen, wird es natürlich auch jede Menge Spandau-Ballet-Hits zu hören geben. Und natürlich auch ein paar neue Songs.
Zur Person
Tony Hadley (64) ist ein britischer Pop-Sänger, der als Frontmann der New-Wave-Band Spandau Ballet bekannt wurde. Die 1979 gegründete Gruppe feierte ihre größten Erfolge in den 1980er Jahren, unter anderem mit Hits wie „Gold“ oder „True“. Hadley verließ die Band 2017 im Streit und ist seither als Solo-Künstler aktiv.
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