Stephen King (foto: official pr/shane leonard)

Die zwei Leben des Stephen King

Als Stephen King am gestrigen Donnerstag seinen 70. Geburtstag feierte, da kamen sie wieder aus der Schublade: die Klischees vom Meister der Horror-Literatur. Dabei hat sich der Mann mit der dicken Brille längst von dem Genre emanzipiert.

Genau genommen feierte Stephen King gestern nur einen seiner Geburtstage. Den seines ersten Lebens, das 1947 in Portland/Maine begann. Jenes Leben, in dem er seine ersten literarischen Schritte mit Kurzgeschichten tätigte; in dem er einen Großteil der fünfziger Jahre in billigen Kinos verbrachte, sich dann zunächst als darbender Englisch-Lehrer versuchte, ehe er 1974 mit dem Roman „Carrie“ den großen Durchbruch schaffte. Jenes Leben, in dem er seine große Liebe Tabitha kennenlernte, die ihm drei Kinder schenkte (die heute zum Teil auch erfolgreiche Schriftsteller sind) und die meisten seiner Werke als strenge Korrekturleserin unter die Lupe nahm. Auch ihr ist es zu verdanken, dass die Welt sich heute vor Hunden („Cujo“, 1981), Clowns („Es“, 1986) und Beziehungen innewohnendem Wahnsinn („The Shining“, 1977) fürchten. Sie hielt ihn in der Spur, als er mit Alkohol- und Drogen-Problemen zu kämpfen hatte. Jenem Leben also, das dafür verantwortlich zeichnet, dass wir Stephen King vor allem einen der, wenn nicht den, größten Horror-Autoren der Moderne bezeichnen.

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Kings zweites Leben beginnt am 19. Juni 1999. Der Autor spaziert gerade an der Main State 5 Route in Lovell/Maine entlang, als ihn ein von einem Hund abgelenkter Fahrer mit seinem Minivan voll erwischt. Kaum ein Knochen bei King, der nicht zerschmettert ist, auch das eine oder andere Organ wird in Mitleidenschaft gezogen. Die Verletzungen sind so schwer, dass King zwischenzeitlich ans Aufhören denkt. Der Fahrer stirbt übrigens Jahre später – ausgerechnet an Kings Geburtstag.

Über die Jahre, als Kings Verletzungen langsam verheilen, findet er die Lust am Schreiben wieder. Ein zweites Leben beginnt, eines, in dem King sich langsam aber sicher aus seiner Schublade befreit. Zwar hatte sich der Gute auch schon in der Vergangenheit außerhalb seiner literarischen Komfortzone bewegt – etwa mit der Abenteuergeschichte „Stand By Me“ (1982), dem Gefängnis-Drama „Die Verurteilten“ (1982) oder mit „The Green Mile“ (1996) -, im Gedächtnis blieben hier jedoch vor allem die erfolgreichen Verfilmungen (bei King-Filmen ist die erfolgreiche Umsetzung übrigens keine Selbstverständlichkeit).

Im neuen Jahrtausend finden aber endlich auch Kings Non-Horror-Bücher Beachtung. Das sozio-politische „Under the Dome“ (2009) beispielsweise. Oder das Opus „11/22/1963“ (2011), das sich mit dem Kennedy-Attentat beschäftigt, und die Krime-Reihe, die mit „Mr. Mercedes“ (2014) beginnt.

King, der früher oft als besserer Groschen-Roman-Autor verspottet wird, findet plötzlich in den Feuilletons statt. Und auch an den Universitäten dieser Welt darf man um die Jahrtausendwende bereits Referate zu King halten, ohne vom Amerikanistik-Professor verspottet und exmatrikuliert zu werden (für Sie getestet!).

Dennoch ist klar: Trotz gelungener Emanzipation vom Horror-Genre wird King vor allem als Vertreter des solchen in Erinnerung bleiben. Der Mensch ist halt ein Gewohnheitstier. Die Neuverfilmung von „Es“, „It“, die kommende Woche in den deutschen Kinos anläuft, wird da ihr Übriges dazu tun. In den USA hat der Klassiker um den Clown Pennywise ordentlich gezündet. Und auch hierzulande ist zu erwarten, dass der eine oder andere in Kürze eine Clown-Phobie entwickeln wird. Wenn doch schon King selbst sich im Kino gefürchet hat …

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