Ehre für einen der großen deutschen Liedermacher: Pünktlich zu seinem 88. Geburtstag ist Wolf Biermann eine Tribut-Compilation gewidmet worden. Auf „Wolf Biermann RE:IMAGINED“ huldigen unter anderem Betterov, Ina Müller oder Wolfgang Niedecken dem Mann, dessen Lieder einst dem DDR-Regime schlaflose Nächte bereiteten. Die meisten dieser Würdigungen funktionieren.
Keine Frage: Wolf Biermann ist einer der ganz Großen der deutschen Musiklandschaft. Der 1936 geborene Hamburger Liedermacher siedelte als kommunistischer Teenager in die DDR über, entwickelte sich dort aber über die Zeit zum lautstarken Kritiker des Unrechtsregimes. Seine politisch motivierten Lieder führten sogar dazu, dass er aus der DDR ausgebürgert wurde. So wurde Biermann zum Symbol für Widerstand und Meinungsfreiheit, seine Songs und Texte inspirieren bis heute. Mit der Neuinterpretation von Biermanns Liedern will das nun vorliegende Cover-Projekt Biermanns Lebenswerk würdigen und gleichzeitig einem neuen, jüngeren Publikum erschließen.
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Angestoßen hat das Projekt Biermanns Frau Pamela. Label-Chef Johann Scheerer (Clouds Hill) hat dann die Federführung übernommen, sich allumfassend die Rechte an Biermanns Werk gesichert und die Songs dann gegenwärtigen Musikschaffenden in die Hände gedrückt. Hauptsächlich jüngeren, aber auch nicht mehr ganz so jungen Semestern. Die Idee: Man wollte dem Hörer die Chance geben, Biermanns Liedgut unabhängig von der Biografie des Schöpfers zu betrachten. Biermanns Ausbürgerung aus der DDR 1976 schien in der Rezeption seines Werks immer selbiges zu überstrahlen.
Durch die Distanz zum Künstler soll seine Kunst nun für sich sprechen. Ob die Songs, die den Protest in Ost und West in der Vergangenheit in Worte fassten, auch bei den Jüngeren verfangen? Proteststimmung herrscht ja zumindest wieder.
Namhafte Künstler machen mit
Die Liste der Mitwirkenden kann sich auf jeden Fall sehen lassen. Moritz Krämer, Wolfgang Niedecken (BAP), Maxim, Torch, Romano, Albrecht Schrader & Charlotte Brandi, Alligatoah, Haiyti, Annett Louisan, Mola, Jan Plewka, Bonaparte, Ina Müller, Das Bierbeben, Betterov, Peter Licht, Balbina, Van Holzen, Ferris MC, Das Bo, Lina Maly, OK KID, Katharina Franck & Paul Eisen und Meret Becker sind bei diesem Projekt mit von der Partie. Eine große stilistische Bandbreite lässt sich an diesem Namenregister auch ablesen.
Das meiste davon funktioniert auch. Krämers vitaler Einstieg mit „Fallen die Blätter der Rose“ gefällt, ebenso wie Molas soulig-jazzige Variante von „Enfant perdu“. „Das kann doch nicht alles gewesen“ funkelt in der Bearbeitung von Jan Plewka und Die schwarz-rote Heilsarmee ebenso wie Lina Malys „Das Barlach-Lied“. Und wie gut sind bitte Betterovs „Ballade vom donnernden Leben“ oder Wolfgang Niedeckens vom Piano begleitete Version von „Und als wir ans Ufer kamen“? Eher schal kommt hingegen der Beitrag von Katharina Franck und Paul Eisens („Ballade vom preußischen Ikarus“) daher. Und auch Meret Beckers schräges „Stillepenn Schlufflied“ lässt sich nur schwer durchhören.
Insgesamt überwiegt, trotz mancher Schatten, aber das Licht. Die Lust, mal tiefer in den Biermann-Katalog einzutauchen und ihn auf Zeitlosigkeit abzuklopfen, ist auf jeden Fall geweckt.
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