Back to the roots: Auf ihrem neuen Studioalbum „Love You All Over Again“ orientieren sich die Folktronica-Veteranen von Tunng wieder am Sound früherer Tage. Bis auf wenige Ausnahmen geht das auch gut.
Musik für Werbung und Softpornos. Damit ging es eigentlich los, damit verdienten Mike Lindsay und Sam Genders ihre Brötchen, ehe die beiden dann 2003 offziell die Band Tunng formten. Diese besteht mittlerweile aus sechs Leuten, und auch mit der Musik aus der Vor-Tunng-Phase hat die Kapelle nichts mehr gemein. Den experimentellen Folktronica-Ansatz kann man sich nun als Score für schlüpfrige Filme nicht unbedingt vorstellen …
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2025 ist nun ein besonderes Jahr für die aus London stammende Gruppe. Ein Jubiläum steht an. Vor genau 20 Jahren erschien mit „Mother’s Daughter and Other Songs“ das Debütalbum, mit viel Akustikgitarren und poetischen Abhandlungen über Natur, Mythologie und den Zustand des Menschen. An diesen zwei Jahrzehnte alten Sound will die Band nun wieder mit ihrem nunmehr achten Studioalbum anknüpfen. Den Kreis schließen, wie Mike Lindsay verrät. Ohne dabei aber irgendwie berechenbar zu werden. Haken schlagen, überraschen, all das gehört schließlich zur Tunng-DNA. Daran haben auch fünf Jahre Pause nichts verändert.
Der Brückenschlag zurück wird auch in der Wiederauferstehung einer bekannten Tunng-Figur verdeutlicht. Jenny is back! Die Gute tauchte 2006 erstmals im Song „Jenny Again“ auf, eine unter die Haut gehende Ballade über einen Mord aus Eifersucht. Insgesamt spielte sie auf zwei Alben eine Rolle. Jetzt ist sie Protagonistin der Album-Leadsingle „Didn’t Know Why“. Metallische Synthesizer treffen hier auf klare Gitarren-Arpeggios. Genders bietet dazu in den Lyrics seine Sicht auf Jenny an. „Einst repräsentierte sie eine Art romantisches Ideal – ‚die Eine‘ – aber jetzt ist sie eine Art Jedermann – eine Art Archetyp von uns allen!“
Mehr High- als Lowlights
Nicht das einzige Glanzlicht auf der neuen Platte. Das poppige „Everything Else“ etwa bleibt haften. Das Lied ist eine nostalgische Reflexion des Lebens. Mit polyrhythmischen Folk-Gitarren im 5/4- und 4/4-Takt, Klavierakkorden im 6/4-Takt, subtil verschobenen Beats und ergreifenden, hornartigen Synthesizern, die Texte von kindlichem Staunen umranken, „sollte ‚Everything Else‘ eigentlich ein komplettes Chaos sein – aber irgendwie ist es eine magische Verschmelzung“, sagt Mike Lindsay von der Band.
Und auch „Snails“ gehört zu den Highlights. Die eindringliche Nummer basiert auf einer Botschaft, die aus Lindsays Ehegelübde stammt. „Es hat jetzt eine Bedeutung, die über Romantik und Beziehungen hinausgeht. Der Titel des Albums wurde diesem Stück entnommen, und in diesem Zusammenhang geht es darum, dass Tunng wieder da ist und allen, die in den letzten 20 Jahren Teil unserer Reise waren, die Liebe zurückbringt“. „Snails“ ist eine der wenigen Nummern, auf denen echte Instrumente eingesetzt werden. „Sixes“ gehört ebenfalls zu diesen Raritäten des Albums. Ansonsten wird hier gesampelt, was das Zeug hält.
Im letzten Drittel lässt die Platte dann leider etwas nach. Funktioniert das rein instrumentale „Drifting Memory Station“ zumindest noch als entspannende Hintergrundberieselung, gehen spätestens bei „Yeekeys“ dann die Pferde mit der Band durch. Das Stück sollte vielleicht eine Hommage an afrikanische Klanglandschaften sein, geht aber schief. Der Song wirkt, als sei das Experiment da zum Selbstzweck verkommen.
Übrigens: Um die Veröffentlichung des Albums zu unterstützen, werden Tunng 2025 auf eine UK- und EU-Headline-Tour gehen, mit Terminen in London, Paris, Berlin, Dublin und mehr.
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