Er versucht’s alleine: Nach dem Tod seiner Duo-Partnerin Marie Fredriksson führt Per Gessle das Erbe von Rosette weiter. Unter dem leicht abgewandelten Namen “PG Roxette” hat der Gute mit “Pop-Up Dynamo!” nun ein neues Album vorgelegt.
Sie waren neben ABBA die größte schwedische Hit-Maschine aller Zeiten: Roxette. Per Gessle und Marie Fredriksson. Stolze vier Nummer-eins-Singles in den USA kann das Duo vorweisen, über 80 Millionen verkauften Platten und zahlreichen Welttourneen obendrein. Das Duo feierte zwischen 1986 und 2002 jede Menge Erfolge, ehe bei Marie Fredriksson im Jahr 2002 ein schwerer Hirntumor diagnostiziert wurde. Sie überlebte die Erkrankung zwar, die Karriere lag aber erst einmal für mehrere Jahre auf Eis. 2009, als es ihr so gut ging, dass sie nicht nur live auftreten, sondern sich auch den Strapazen einer Tournee stellen konnte, feierten Roxette dann ein großes Comeback.
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Doch die Zeit der Band war nur geliehen und kurz vor Veröffentlichung des Albums “Good Karma” ging das Roxette-Märchen 2016 zu Ende. Die Ärzte rieten Marie, kürzer zu treten und nicht mehr zu touren. Drei Jahre später verstarb sie.
Der Wunsch, wieder aufzutreten
Nach der anfänglichen Leere, die auf Maries Tod folgte, verspürte Per irgendwann aber den Drang, wieder Musik zu machen und live aufzutreten. Doch die Pandemie warf erst einmal alle Gedanken daran über den Haufen. “Ich hatte zu diesem Zeitpunkt allerdings schon einen Song aufgenommen, der in mir eine entscheidende Frage aufkommen ließ: Wie würde es klingen, wenn ich ein neues Roxette-Album aufnehmen würde, das ein zeitgenössisches Feeling mit dem typischen Stil von ‚Look Sharp!‘ und ‚Joyride” mischt?“, erzählt Per Gessle.
Der besagte Song war ‘Walking on Air’. Wie dieser zustande kam? „Im Herbst 2019 bekam ich eine Anfrage, etwas für den ‚Top Gun: Maverick‘-Film zu schreiben. Das Resultat war ‚Walking On Air‘. Doch die Szene, für die der Song eigentlich bestimmt war, wurde aus dem Film geschnitten und ich habe nie wieder etwas von den Filmemachern gehört. Also behielt ich den Song für mich und fing an, weitere Songs in diesem Stil zu schreiben. So wurde ‚Walking On Air‘ plötzlich zum Ausgangspunkt des neuen PG-Roxette-Albums“, erläutert Gessle im Waschzettel zum Album.
Die alten Synthesizer rausgeragt
Der Schwede beschloss schließlich, seine alten Synthesizer aus den 80er-Jahren aus dem Keller zu holen. „Wenn es retro klingen soll, brauchst du das richtige Zeug dafür“, so Gessle schmunzelnd. „Also habe ich sowohl den Jupiter 6 und 8 als auch meinen Prophet 5 entstaubt. Ein oder zwei Tasten klemmten, aber mit ein bisschen liebevoller Zuwendung waren sie wieder einsatzbereit.“
Die Aufnahmen für das neue Album begannen im Mai 2020 und dauerten bis in den Herbst. In dieser Zeit steuerte Gessle auch eine Version des Metallica-Hits “Nothing Else Matters” zum Metallica-Tribute-Album “The Metallica Blacklist” bei. Dabei, so heißt es im Waschzettel zum Album, sei Per klar geworden, was der Schlüssel zu “Pop-Up Dynamo!” sein würde: die Kombination seiner Stimme mit denen der langjährigen Roxette-Background-Sängerinnen Helena Josefsson und Dea Norberg.
„Für mich war immer klar, dass Marie nicht zu ersetzen ist. Bis wir unsere Version von “Nothing Else Matters” aufnahmen, war die Idee, verschiedene Sängerinnen auf dem Album einzusetzen. Aber bei diesem Song waren Helena und Dea eine so umwerfende Kombination, dass ich mich dafür entschieden habe, ganz auf sie zu setzen“, erläutert Per. Die einzige Ausnahme dieser Regel: das Lied “My Chosen One”, bei dem die schwedische Sängerin Léon einen Gastauftritt hat.
Fast wie ein Klassentreffen
Von diesem Song abgesehen entstanden die Aufnahmen für “Pop-Up Dynamo!” größtenteils mit dem inneren Kreis von Roxette. Demos und grundlegende Spuren der Songs wurden mit dem langjährigen Kreativpartner Mats ‚MP‘ Persson im T&A Studio in Halmstad aufgenommen. Weiter ging es im Malmöer Farozon Studio, wo Aufnahmen mit den Produzenten und Begleitmusikern Clarence Öfwerman und Magnus Börjeson über die Bühne gingen. Die letzten Aufnahmen fanden schließlich im Aerosol Grey Machine Studio des Gitarristen Christoffer Lundquist statt.
Selbst der Gitarrist Jonas Isacson, dessen elektrisierendes Riff das Intro von “The Look” ziert, ist mit von der Partie. Gessle bemerkt dazu, dass „Gitarrensoli vielleicht gerade nicht unbedingt die heißeste Sache der Welt sind.“ Wenn man aber auf die Glanzzeiten von Roxette zurückblicke, müsse schon mindestens ein umwerfendes Gitarrensolo auf dem Album landen. „Also haben wir Jonas beim Song ‚Headphones On‘ freie Hand gelassen. Ich habe keine Ahnung, wie er das macht, aber wenn er anfängt zu spielen, passiert etwas Magisches.“
Die Highlights
Zu den Glanzlichtern des Albums gehört aber zweifellos der Beinahe-“Top Gun”-Song “Walking On Air”. Die eingängige Uptempo-Nummer ist als Opener gut platziert und damit sozusagen das Tor zur ersten, stärkeren Hälfte des Albums. “Me and You and Everything in Between” überzeugt dann mit seinem grandiosen Bass-Spiel, “Headphones On” mit seinem erwähnten Gitarrensolo. Bei “You Hurt The One You Love The Most” werden zu Beginn Erinnerungen an Phil Collins wach. Da kicken die 80s Vibes wirklich. In der zweiten Hälfte des Albums sticht derweil nur “Jezebel” einigermaßen hervor, die einzige waschechte Ballade der Platte.
Fazit? Ein gelungener, wenn auch nicht grandioser Auftakt in eine neue Roxette-Ära. Die Gewissheit, dass Marie nicht zu ersetzen ist, Per aber immer noch gute, eingängige Mucke machen kann – hier und da aber bei den Lyrics etwas nachlässig geworden ist.
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