Guns N' Roses (foto: neon ghosts)

Live: Guns N‘ Roses in München

„Not in this lifetime“ haben Guns N’ Roses ihre aktuelle Tour augenzwinkernd getauft. „Nicht in diesem Leben“. Fast komplett in Debütalbum-Besetzung steht die Band nach 24 Jahren voller Streitereien wieder gemeinsam auf der Bühne. Dienstagnacht erinnerten die Hard-Rock-Legenden vor mehr als 60.000 Zuschauern im Münchner Olympiastadion daran, warum sie noch immer zu den Größten gehören.

Diese Anspannung! Diese Nervosität! Hieß es nicht vorher, Guns N’ Roses würden relativ genau zwei Stunden auftreten? Jetzt sind schon mehr als anderthalb Stunden rum – und „Sweet Child O’Mine“ wurde immer noch nicht gespielt! Schnell bei „setlist.fm“ im Netz nachgeschaut. In Slane, Imola und Zürich war die Nummer auf jeden Fall Teil des Programms. Sie werden doch nicht ausgerechnet in München auf diesen Song verzichten?

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Als Gitarrist Slash plötzlich die ersten Akkorde von „Speak Softly Love“ spielt, macht sich Erleichterung breit. Eingeweihte wissen: Das Instrumentalstück aus dem Marlon-Brando-Film „Der Pate“ leitet den Guns-N’-Roses-Klassiker gewöhnlich ein. Und das tut es auch diesmal. Als Slash endlich das legendäre „Sweet Child O’Mine“-Riff greift, brandet riesiger Jubel auf. Plötzlich zählt nur noch dieser eine Moment. Vergessen sind die gesalzenen Eintrittspreise. Der schlechte Sitzplatz mit der dürftigen Akustik für knapp 90 Tacken. Die langen – aber heutzutage leider notwendigen – Einlasskontrollen. Die happigen Merchandising-Preise (50 Euro für ein Poster? Mindestens 35 für ein T-Shirt?). Die direkt nach dem Konzert anstehende Rückfahrt von knapp vier Stunden. In diesem Moment zählt nur noch dieses Lied. Dieses wohlige Nostalgie-Gefühl. „She’s got a smile that it seems to me … Reminds me of childhood memories“, stimmt Frontmann Axl Rose ein. Danach wird sein Gesang von der grölenden Masse geschluckt. Neben mir beginnt ein Kuttenträger an zu weinen. Im Innenraum hieven Ordner erwachsene Männer, die ohnmächtig wurden, über die Absperrung. Dehydrierung? Überwältigung? Am Ende steckt in jeder Rocker-Kutte offenbar auch irgendwo ein kreischendes Teenie-Mädchen.

Klare Sache: Kaum einer im Publikum hatte ernsthaft damit gerechnet, diesen Song und diese Band noch mal (oder überhaupt mal) live erleben zu dürfen. Jahrelang waren sich Sänger Axl Rose und Gitarrist Slash spinnefeind und sprachen kein Wort mehr miteinander. Drogen, Alkohol, Machtgehabe, musikalische Differenzen – es gab viele Gründe, weshalb die Gruppe Mitte der 1990er-Jahre zerbrach. Axl Rose trug den Namen mit wechselnden, oft peinlichen Besetzungen weiter spazieren, die anderen Mitglieder drehten ihr eigenes Ding (unter anderem als Velvet Revolver). 2016 dann das überraschende Comeback, ohne neues Album zwar, aber dafür war die Heilige Dreifaltigkeit des Hard Rock – Axl Rose, Slash (Gitarre), Duff McKagan (Bass) – wieder vereint.

Sicher, es gibt Spötter, die meinen, diese Reunion käme um Jahre zu spät. Kommt sie auch. Aber das Interesse an der Band scheint ungebrochen. Welcher Rock-Act bekommt denn heute noch die großen Stadien gefüllt? Neben Coldplay sind das sonst nur die ganz alten Hasen. Springsteen. U2. Bon Jovi. Die Stones. Und jetzt eben wieder Gunners, die vielleicht letzte wirklich klassische, schmutzige Rock-Band, die ihre Musik auch entsprechend lebte.

Im Gepäck haben sie in München an diesem Abend all ihre großen Hits. „Don’t Cry“, „Welcome To The Jungle“, „Paradise City“, „Knockin’ On Heaven’s Door“, „You Could Be Mine“ und klar: „November Rain“, jenes Neun-Minuten-Epos mit Axl Rose am Klavier und Slashs eindringlichem Gitarren-Solo. Erinnerungen an das ikonische Musikvideo dazu werden wach, das aus einer Rocker-Hochzeitsgesellschaft einer Trauergemeinde werden lässt. Gänsehaut.

27 Songs spielen die Gunners in rund drei Stunden, die Band scheint in blendender Verfassung. Rose klingt viel besser, als es YouTube-Videos aus den vergangenen Jahren befürchten ließen. Gelegentlich zwar etwas hell (und beim Opener „It’s So Easy“ auch etwas unsicher), aber meistens doch sehr ansprechend. Vor allem überraschend kraftvoll. Auch dem Song „Black Hole Sun“, ein Cover zu Ehren des jüngst verstorbenen Soundgarden-Masterminds Chris Cornell, fügt Axl kein Leid zu. Slash ist eh über jeden Zweifel erhaben. Axl überlässt ihm hin und wieder das Scheinwerferlicht, die der Mann mit dem Hut unter anderem für eine Hendrix-Reminiszenz und eine Instrumental-Version von Pink Floyds „Wish You Were Here“ nutzt.

Am Ende: Pyrotechnik. Konfetti. „Thank You, Munich“. Verbeugung. Zufriedene Gesichter. Mehr als 60.000 Menschen schieben sich in den Olympia-Park. Nochmal vorbei am Merch-Stand. Das T-Shirt? So teuer finde ich das irgendwie gar nicht.

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