Sharleen Spiteri von Texas (foto: Julian Broad)

Interview mit Sharleen Spiteri (Texas) über ihre Band, politische Korrektheit und Wim Wenders

Texas sind aus den deutschen Radios nicht wegzudenken. Gerade hat die Band aus Glasgow ein neues Best-of-Album veröffentlicht. Soll das ein letztes Hurra sein, fragte Benjamin Fiege Texas-Frontfrau Sharleen Spiteri (55), die mit ihm auch über schwierige Zeiten und überraschende Kollaborationen sprach.

Glückwunsch zu fast drei Jahrzehnten Texas. Was ist das Geheimnis Eurer Langlebigkeit?

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Es ist die Leidenschaft für Musik. Wir sind auch nach all den Jahren stolz auf jeden Song, den wir erschaffen. Man kann das Gefühl, ein Lied zu schreiben und aufzunehmen, kaum in Worte fassen.  Als ich anfing, Musik zu machen, war es immer mein Traum, mal eins  zu schreiben. Ich dachte, dann hätte ich wirklich etwas erreicht. Selbst wenn es bei diesem einen Song bleiben würde. Es sind nun viele weitere dazu gekommen. Aber das großartige Gefühl ist immer geblieben.

Ihr habt gerade ein neues Greatest-Hits-Album veröffentlicht. Müssen wir uns Sorgen machen? Ist das ein Abschied?

Nein, nein. Es ist einfach eine Werkübersicht. Wenn wir ehrlich sind, hat sie sich gerade angeboten. Wir haben 2021 unser jüngstes Album veröffentlicht, waren danach  ausgiebig auf Tour. Dieses Jahr war klar, dass wir verstärkt auf Festivals spielen würden. Das heißt: Da ist ein jüngeres Publikum, das uns vielleicht nicht so kennt.  Da kommt so eine Retrospektive, um sich mit uns vertraut zu machen, doch gerade recht. Vielleicht ist der eine oder andere überrascht, wie viele Hits wir doch hatten.

„Glasgow ist ein kreatives Zentrum“

Ihr kommt aus Glasgow wie so viele andere in den 1980er- und 1990er-Jahren erfolgreiche Bands. Ist das Zufall?

Es gibt in Großbritannien ja so einige Städte, die eine sehr aktive Musik- und Künstlerszene haben. London, Liverpool, Manchester und ja, auch Glasgow. Glasgow ist eine Arbeiterstadt, sehr industriell geprägt, aber auch sehr musikalisch. Das hat sich bis in die Familien gezogen, bei uns daheim beherrschte  jeder ein Instrument. Mein Cousin Mark Rankin etwa war damals auch mit der Hard-Rock-Band Gun sehr erfolgreich unterwegs. Die Stadt war und ist ein kreatives Zentrum. 

Den Band-Namen habt ihr dem Film „Paris, Texas“ entlehnt. Waren damals auch andere Vorschläge im Gespräch?

Ja, wir haben den Film damals einfach geliebt. Dieses wunderbare Roadmovie von Wim Wenders. Das lag auch daran, dass uns Glasgow-Kids die Idee von Texas, diese Weite, dieses Gefühl von Freiheit, total fasziniert hat. Wir waren zu dem Zeitpunkt aber  noch nie dort. Viel später waren wir dann tatsächlich mal in Dallas, das ja eigentlich so gar nichts mit unserer Idee von Weite und Freiheit zu tun hatte (lacht). Aber es gab  keine Namens-Alternativen. Das lag auch daran, dass wir uns für das Artwork unserer ersten Veröffentlichungen stark am Cover des „Life“-Magazins orientierten und der „Texas“-Schriftzug da wunderbar ins Layout passte.

Gibt es was in diesen 30 Jahren, worauf Du besonders stolz bist?

Ich glaube, tatsächlich der Umstand, dass wir immer noch da sind.

Also nicht die Tatsache, dass ihr in Ricky Gervais’ „The Office“ verewigt wurdet?

(lacht). Das war natürlich toll für uns. Wir haben übrigens gerade beim Glastonbury-Festival gespielt. Ich erinnere mich, dass da auch ein großes Ricky-Gervais-Banner flatterte.

Stichwort Glastonbury. Da gab es von Dir ja auch einen Shoutout an die Mitorganisatorin.

Ja, Emily Eavis. Sie ist eine großartige Unterstützerin weiblicher Künstler. Und das nicht, indem sie Frauen für dieses große Festival bucht, um dann ein Häkchen im Feld „politische Korrektheit“ zu setzen. Sie gibt ihnen die Bühne, weil sie sie für großartig hält. Das ist ein gewaltiger Unterschied.

„Heute ist es schwer, mit Musik Geld zu verdienen“

Wenn man sich derzeit die Charts betrachtet: Es scheint generell nicht mehr in Mode zu sein, Bands zu gründen, ob mit Frontfrau oder Frontmann. Seit es diese ganzen Casting-Shows gibt scheinen junge Leute eher Solokarrieren anzustreben …

Diese Shows spielen zwar eine Rolle, aber ich denke, der Trend hin zum Einzelkünstler hat eher wirtschaftliche Gründe. Heutzutage ist es schwer, mit Musik Geld zu verdienen. Daran sind auch die Streamingdienste schuld, die Musiker nicht fair entlohnen. In einer Band muss das verdiente Geld dann auch noch gesplittet werden. Da versucht es der eine oder andere heute lieber solo.

Du selbst hast ja auch mal zwei Soloalben veröffentlicht. Anfang der Nuller Jahre. Hätte das auch das Aus von Texas bedeuten können?

Nein, ich hatte damals eine schlimme Trennung hinter mir. Mein Mann hatte mich betrogen, das ging in Großbritannien durch die Boulevard-Medien.  Das war keine einfache Zeit für mich, ich bin eine eher private Person. Ein Desaster. In dieser Phase sind Songs entstanden, die sehr persönlich waren, aber mit Texas nichts zu tun hatten. Ich spürte, dass ich sie alleine aufnehmen musste. Auch mein zweites Solo-Album, auf dem ich Film-Songs coverte, war ein klares Nebenprojekt. Der Fortbestand der Band stand aber nie zur Debatte.

So kam es zum Feature mit Rammstein

In der Zeit hast du damals auch einen Song mit Rammstein veröffentlicht.

Ja, 2005 war das, „Stirb nicht vor mir (Don’t Die Before I Do“. Rammstein-Sänger Till Lindemann kam damals auf mich zu, hat mich angerufen und gefragt, ob ich Lust auf das Feature hätte. Hatte ich, weil die Kombination natürlich spannend und für viele überraschend war. Die Zusammenarbeit hat damals Spaß gemacht.

Die Anschuldigungen gegen die Band hast du mitbekommen?

(überrascht) Nein, tatsächlich habe ich hier in Großbritannien nichts gehört. Was war denn? (Sharleen Spiteri wird von der Redaktion ins Bild gesetzt, Anm. d. Red.). Das sind ja furchtbare Vorwürfe. Ich kann dazu leider wirklich nichts sagen, hatte davon nichts mitbekommen. Aber ich hoffe , dass das aufgearbeitet wird.

Ist das Musikgeschäft ein gefährlicher Ort für Frauen?

Ich glaube nicht, dass es in der  Musik anders zugeht als in vielen anderen Bereichen des Lebens. Ich sage meiner Tochter, die als Model arbeitet, immer, dass sie Augen und Ohren immer offen halten muss. Es ist für Frauen nicht einfach. 

Zum Abschluss noch ein Ausblick: Wie geht es jetzt bei Texas weiter? Sind  Auftritte in Deutschland geplant?

Wir sind ja jetzt den Sommer über erst einmal mit den vielen Festivals und Akustik-Shows gut ausgelastet. Mit Deutschland ist das ja so eine Sache. Wir haben hier zwar eine treue Fan-Base, aber irgendwie läuft es in den anderen europäischen Ländern für uns immer besser. Daher sind wir in fast allen Ländern Europas für Festivals gebucht, in Deutschland aber komischerweise nicht. Schade irgendwie. Ich hoffe, dass sich das in Zukunft ändert.

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