Camouflage in Frankfurt (foto: Fiege)

Live: Camouflage in Frankfurt: Von wegen „Computerdrücker“

Sie galten mal als die deutschen Depeche Mode. Nun sind Camouflage zwar nicht ganz so erfolgreich geworden wie ihre britischen Kollegen. Dennoch können die Jungs aus Bietigheim-Bissingen stolz auf zwei Welthits und eine 40 Jahre andauernde Karriere blicken. Die wurde am Dienstagabend in der Frankfurter Batschkapp gebührend gefeiert.

Wer weiß, ob sich Wolle Kriwanek nicht heimlich in den Allerwertesten gebissen hat. Kriwanek war in den Achtzigerjahren mit dafür verantwortlich, Bands für  das Live-Format „Rock around the Enz“ im Bissinger Liederkranzhaus auszuwählen. Auch die Synthie-Pop-Band Camouflage stammt aus der baden-württembergischen Kleinstadt, biss aber in ihren frühen Jahren bei Kriwanek und seinen Kollegen auf Granit, wie der örtlichen Lokalzeitung zu entnehmen ist. „Computerdrücker“, wie er sie abschätzig nannte, hätten bei der Festivalreihe keine Chance.

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Da konnte er natürlich nicht ahnen, dass der Band in den folgenden Jahren zwei absolute Welthits gelingen sollten, die den Soundtrack der Achtzigerjahre maßgeblich mitprägen würden: „The Great Commandment“, die Debütsingle, die in den USA sogleich auf Platz eins der Charts landete, und zwei Jahre später „Love Is A Shield“. 

Dass Sänger Marcus Meyn, Heiko Maile (Keyboard und Synthesizer) und Oliver Kreyssig (Gesang und E-Schlagzeug) auf diesen Welterfolgen keine Weltkarriere wie  Depeche Mode aufbauten, lag auch daran, dass sie seinerzeit viel zu wenig aus ihrem Ruhm auf der anderen Seite des Teichs gemacht haben (keine US-Tour) und ihnen der Sprung in die Neunzigerjahre nicht glückte. Das dritte Album  floppte. Dennoch haben die „Computerdrücker“ diesen Knick überstanden – und können nun auf eine 40 Jahre andauernde Karriere zurückblicken. Auch wenn das Projekt „Camouflage“ für die Bandmitglieder heute nur noch ein Nebenerwerb ist.

Beinahe-Heimspiel in Frankfurt

Am Dienstagabend war das Projekt in einer vollgepackten Frankfurter Batschkapp aber die Hauptsache. 1991 war die Band das letzte Mal in der Batschkapp, damals noch an alter Location. „Das sah früher deutlich abgerockter aus“, erinnerte sich Sänger Meyn. Für die Band fühlte sich der Abend an wie ein Heimspiel, spielte doch der Hessische Rundfunk eine zentrale Rolle in der Band-Vita. Außerdem stand die Gruppe in ihren frühen Jahren bei dem Frankfurter Label Westside unter Vertrag.

Es war also eine Art freudiges Wiedersehen; eines, bei dem man aber auch nicht wirklich wusste, ob es auch ein Abschied sein würde. „Rewind To The Future And Goodbye“ ist die Tour überschrieben, im Dezember erscheint unter dem Titel auch ein Best-Of-Boxset der Band. Hört sich alles irgendwie nach Abschied an, die Band hält sich dazu aber bislang bedeckt.

Dass Oliver Kreyssig bei der Tour nicht am Start ist, ist zumindest kein Indiz. Der Mann hat sich dazu entschieden, keine Live-Auftritte zu absolvieren, sondern nur noch im Studio mit Camouflage zu arbeiten. Das hatte die Band vorab so kommuniziert. Kreyssig erschien bei dem Konzert immerhin auf der Videoleinwand – so die denn gerade ihren Dienst tat. Mit der Technik hatten Camouflage nämlich gerade zu Konzertbeginn zu kämpfen, irgendwann blieben die Bildschirme einfach schwarz. „Ohne Video können wir den nächsten Song nicht spielen“, bat Sänger Meyn das Publikum um Geduld. Wolle Kriwanek hätte dazu wahrscheinlich einen spöttischen Kommentar auf den Lippen gehabt.

Hommage an The Cure

Aber auch er hätte am Ende zugeben müssen, dass das Konzert der „Computerdrücker“ ansonsten  gelungen war. Es war ein wilder Ritt durch den Backkatalog der Band, vom Debütalbum „Voices & Images“ (1988) bis hin zum 2015er Machwerk „Greyscale“, wobei durch die schwierigen Neunzigerjahre etwas schneller galoppiert wurde. Auch  Cover gab’s –  „Cold“ von The Cure – und mit dem bedächtigen „Everything“ hatten die Schwaben sogar einen komplett neuen Song im Gepäck, der überraschenderweise auf dem angekündigten Boxset nicht enthalten sein wird.

Das große Finale nach knapp zwei Stunden und einem umfangreichen Zugabenteil: „Love Is A Shield“. Gänsehaut. Und: ein Meer von mitfilmenden Smartphones. Die standen als einzige einer waschechten Achtziger-Illusion im Weg.

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