Alphaville in Mannheim (foto: Fiege)

Live: Alphaville in Mannheim – Sounds Like A Symphony

Marian Gold hat sich einen Traum erfüllt und den Synthie-Pop von Alphaville in ein orchestrales Gewand gekleidet. Mit dem Filmorchester Babelsberg sind er und seine Band gerade auf Tour. Am Dienstag machten sie im Mozartsaal des Mannheimer Rosengartens Station.

Die deutsche Musikgeschichte wäre um ein schillerndes Kapitel ärmer, wenn Marian Gold sich zur falschen Zeit ein Ei gebraten hätte. „Das ist jetzt zwar unwissenschaftlich, aber ich bin der festen Überzeugung, dass die Welt von Kraftlinien durchzogen ist, die sich an machen Punkten kreuzen. Und wenn man gerade an einer solchen Kreuzung ist, dann ist es egal, ob man sich gerade ein Ei brät oder einen Song schreibt. Das wird dann einfach gut“, sinnierte der Alphaville-Frontmann am Dienstag im Mannheimer Rosengarten.

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Gut also, dass Gold nicht gerade in der Küche stand, als sich für ihn die Kraftlinien kreuzten, sondern er mit seinen Bandkollegen Bernhard Lloyd und Frank Mertens „Forever Young“ schrieb, einen der größten Evergreens der 1980er Jahre. Eine Hymne, die heute sowohl bei Hochzeiten als auch bei Beerdigungen läuft und dabei immer passt. Ein Hit, der unzählige Male gecovert (unter anderem von Bushido und Karel Gott) oder gesampelt wurde (Jay-Z). In einem Interview mit „ZAS online“ sagte Marian Gold mal über den unfassbaren Erfolg der Nummer: „,Forever Young‘ ist von dieser kinematographischen Endzeit­sehnsucht der 80er Jahre geprägt. Viele Künstler haben sich damals mit dem Thema Vergänglichkeit auseinandergesetzt und das auch romantisiert.“

Weltstars made in Münster

In den 1980er Jahren waren Alphaville der größte deutsche Synthie-Pop-Export. Weltstars made in Münster und West-Berlin, die mit Songs wie „Big in Japan“, „Sounds Like A Melody“ und „Forever Young“ zeitlose Hymnen schufen. Von der ursprünglichen Besetzung der 1981 gegründeten Kapelle ist heute nur noch Marian Gold dabei. Und der dreht gerade das ganz große Rad, wagt den Schritt ins Symphonische, die Verschmelzung von Synthie-Pop und Klassik. Gemeinsam mit dem Filmorchester Babelsberg haben er und Alphaville die größten Hits aus 40 Jahre Bandgeschichte in das Klangspektrum eines großen Orchesters übersetzt. Nachhören kann man das auf dem Album „Eternally Yours“, das Ende 2022 veröffentlicht wurde.

Aktuell ist man gemeinsam auf Tour. Live zu spielen, das ist für Alphaville mittlerweile eine Selbstverständlichkeit. Aber das war nicht immer so. Zum Zeitpunkt ihrer größten Erfolge performte die Band  – damals ein Trio, heute ein Quintett  – nur ungern live und gab keine Konzerte. „Keiner von uns konnte wirklich ein Instrument spielen. Wir hatten nicht das Gefühl, wirkliche ‚Performer‘ zu sein. Wir hielten uns eher für Studioratten. Das Studio fühlte sich wie eine sichere Umgebung an. Sehr zum Ärger unseres Managers spielten wir also nicht sehr viel. Wir begannen 1993, live zu spielen, als wir unsere Instrumente besser beherrschten, und gingen von da an auf Tournee. Seitdem haben wir nie wirklich aufgehört“, verriet Gold zur Veröffentlichung von „Eternally Yours“ über die Anfänge der Band, die sich aus einem sozialistischen Künstlerkollektiv heraus entwickelt hatte.

Gold ist eine Urgewalt

Gut, dass dieses Umdenken stattgefunden hat. Denn Gold, mittlerweile auch schon stolze 69 Jahre alt, ist eine Urgewalt, die man live einfach mal erlebt haben muss. Die Zeit scheint spurlos an seiner Stimme vorbeigegangen zu sein. Wenn man die Augen schließt, könnte man meinen, da steht immer noch der junge Hüpfer aus den 1980ern auf der Bühne. Wer aber nur die frühen Alben kennt, mag überrascht sein, welche Tiefen der Mann mit seinem Tenorgesang erreichen kann. Sein Stimmumfang umfasst mehrere Oktaven. 

Was Gold, Alphaville und das Filmorchester da in mehr als zwei Stunden auf die Bühne brachten, ist auf jeden Fall bombastisch. Klar, dass die großen Hits – „Forever Young”, „Sounds Like A Melody“ und “Big in Japan”  vom leider etwas unterkühlten Mannheimer Publikum am frenetischsten gefeiert wurden. Besonders spannend waren aber jene Songs, die man ob der Neubearbeitung kaum wieder erkannte. Das gefühlige „Dance With Me“ ist so ein Beispiel. Im Original eine Upbeat-Nummer, hier nun als Ballade dargeboten. „Tatsächlich war der Song auch ursprünglich eine Ballade. Wir mussten ihn damals aber seinerzeit kurzfristig umstricken, weil dem Album noch eine Single-Auskopplung fehlte und das keine Ballade sein konnte“, so Gold. Die jetzige, wunderbare Tour-Fassung ist also viel näher an der Grundidee des Songs als die Album-Variante – und eigentlich auch viel stärker. Ebenfalls überraschend: das Shirley-Bassey-Cover „Diamonds Are Forever“.

Natürlich war nicht alles Gold was glänzte. Dass Alphaville nach den erfolgreichen frühen Alben seinerzeit die Luft ausging, merkte man auch der Setlist an. Ein paar Filter waren schon dabei, leider etwas ungünstig vor allem im zweiten Teil der Show gebündelt.

Herrliche Anekdoten

Gold führte unterhaltsam und charismatisch durch den Abend, fütterte das Publikum immer wieder mit herrlichen Anekdoten. So erzählte er etwa, wie Alphaville in den 1980ern nach einer Party in ihrer Rostlaube etwas stoned und angetörnt wieder und wieder um die Siegessäule in Berlin kurvten. Ein Erlebnis, das Gold später zum Song „A Victory Of Love“ inspirierte. Bei solchen Stories verzieh man es auch, wenn sich Gold hier und da mal in seinen Anmoderationen im Kitsch verlor. Geschenkt. Das große Gefühlskino, das ist ja genau das, was die Fans erwarten. 

Am Ende: zwei Zugaben. „Lassie Come Home“ und „Pandora’s Lullaby“. Danach Schluss, Verbeugung – und ein verdienter Applaus für eine Band, die man völlig zu Unrecht in den 1990er Jahren aus den Augen verloren hat.

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