The Glorious Sons (foto: Jonathan Weiner)

Interview: Brett Emmons (The Glorious Sons) über das Touren, den Klimawandel und Rock im Jahr 2019

Keine Frage: Auftritte der Glorious Sons sind immer ein Spektakel. Die Shows der Band aus dem kanadischen Kingston sind unheimlich energiegeladen. Vor dem Auftritt der Jungs in der Frankfurter Batschkapp, bei dem sie ihr neues Album “A War On Everything” vorgestellt haben, trafen wir Sänger Brett Emmons zum Gespräch über das Touren, den Klimawandel und Rock-Musik im Jahr 2019.

Brett, wir sitzen hier jetzt zwei Stunden vor eurer Show in der Frankfurter Batschkapp zusammen. Du scheinst sehr relaxed. Oder bist du in Wahrheit doch aufgeregt?

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Ach, eigentlich nicht. Vor Shows bin ich nicht wirklich nervös. Da haben wir doch mittlerweile ausreichend Routine.

Frankfurt ist der letzte Tour-Stopp für euch. Wie ist euer Deutschland-Trip denn gelaufen?

Es lief ganz gut, auch wenn wir jetzt langsam etwas müde werden. Immerhin haben wir im vergangenen Jahr 180 Shows gespielt, das war eine echte Mammut-Tour. Und die fordert dann irgendwann auch ihren Tribut.

Laut deines Instagram-Profils warst du mit dem Gig in München nicht so zufrieden …

Ach, das war nur Frotzelei. So schlimm war es nicht. Eigentlich war es auch dort ganz nett. Die Crowd ist halt immer unterschiedlich. An manchen Orten kommt sie mehr aus sich heraus als an anderen.

Dem deutschen Publikum sagt man ja gerne mal nach, dass es nicht so lebhaft ist.

Es gibt natürlich einen großen Unterschied zwischen dem Publikum in Kanada und den USA einerseits und dem europäischen oder deutschen. In Nordamerika gehen die Leute bei Konzerten mehr aus sich heraus, das ist zumindest meine Erfahrung. Hier in Europa, gerade in Deutschland, hören sie der Musik mehr zu. Man braucht immer ein bisschen, um sich daran zu gewöhnen, wenn man hier tourt. Aber nach einer Weile hat man es dann raus, dann arbeitet man damit.

Wie läuft denn so ein typischer Tour-Tag bei euch ab?

Ganz unterschiedlich. Ich wache entweder um 10 Uhr morgens oder 16 Uhr am Nachmittag auf. Und dann sehen wir, was der Tag so bringt. Auf dieser Tour haben wir uns erstmals auch mehr Touristen-Zeug gegönnt. So haben wir uns zum Beispiel viele Mahnmale des Kalten Kriegs angesehen. Oder das Grab von Jim Morrison in Paris. Das war alles sehr interessant. Auf früheren Touren haben wir wenig von den Städten mitbekommen, die wir bereist haben. Das war immer ein bisschen schade. Es ist nun aber auch heute nicht so, dass wir zehn Stunden am Tag in den Städten rumlaufen und von einer Sehenswürdigkeit zur nächsten hetzen. Wir sind da sehr entspannt.

Was war denn das schrägste Tour-Erlebnis, an das du dich erinnern kannst?

Wir sind vor ein paar Jahren mal mit einem umgebauten Schul-Bus getourt. Dummerweise ist der uns dann mitten in der kanadischen Prärie verreckt. Das war echt ein Problem, denn der nächste Ort, ein kleines Dorf, war viele Meilen weit entfernt, und es war saukalt. Das einzige Fahrzeug, das wir dann auftreiben konnten, war ein U-Haul-Truck, also ein Umzugswagen. Mit dem haben wir dann die letzten zwei Tourwochen über die Bühne gebracht. Und das bei diesen unfassbaren Minusgraden, im kanadischen Winter. Das war natürlich sehr unangenehm, auch wenn man heute darüber lachen kann. Unser alter Tourbus steht wahrscheinlich immer noch an Ort und Stelle.

Ihr seid ja auch zweimal Opener für die Stones gewesen. Wie war das für euch?

Das war natürlich großartig. Du hast vorhin das Thema Nervosität angesprochen. Vor 70.000 Leuten in Marseille zu spielen – da war ich wirklich nervös. Ein unfassbares Erlebnis. Mit den Stones selbst hatten wir bei den Gigs nur kurz Kontakt, vielleicht 50 Sekunden. Aber auch das war toll. Die Stones hätten es sicher nicht mehr nötig, sich noch mit irgendwelchen Vorgruppen auseinanderzusetzen. Von daher war das natürlich schon ein Erlebnis.

“70.000 Zuschauer – da war ich nervös”

Wo wir gerade vom Touren sprechen. Ich habe in letzter Zeit mit vielen Künstlern geredet, die sich offenbar immer mehr Gedanken um ihren ökologischen Fußabdruck machen. Coldplay etwa haben gerade angekündigt, zu ihrem neuen Album keine Tour auf die Beine zu stellen. Ist das für euch auch ein Thema?

Eigentlich nicht. Wir müssen leider zugeben, dass wir viel umweltbewusster sein müssten als wir es sind. Zum Beispiel sollte man sein Wasser nicht aus solchen Plastikflaschen trinken (hebt seine Wasserflasche in die Luft), sondern lieber Glasflaschen, die man wieder auffüllen kann. Da haben wir sicher Nachholbedarf. Zum Touren gibt es für Bands wie uns allerdings keine echte Alternative. So ehrlich muss man sein. Ich weiß auch nicht, ob Coldplay aufs Touren verzichten würden, wenn sie auf unserem Level wären. Aber vielleicht tue ich ihnen da Unrecht, vielleicht täten sie es, wer weiß?

Man muss dazu sagen: Ich habe den Eindruck, dass das Thema Klimawandel in Europa größer ist und präsenter ist als in den USA oder Kanada. Was vielleicht daran hängt, dass Kanada sehr von der Ölindustrie abhängig ist und man das Thema daher lieber beiseite schiebt.

Backstage Talk: Brett Emmons (rechts) mit Benjamin Fiege. (Foto: Julian Fiege)

In Deutschland sind Künstler immer noch sehr zurückhaltend, wenn es darum geht, eine politische Meinung zu vertreten. Man tritt vielleicht bei einem Konzert gegen Rechts auf, würde aber als Mainstream-Star nie eine Partei öffentlich unterstützen. Wie ist eure Haltung dazu?

Ich habe kein Problem damit, wenn Leute ihre politische Einstellung auch transparent machen. Wichtig ist nur, dass sie Ahnung haben, wovon sie sprechen. Sonst ist da kein Mehrwert. Ich selbst spreche nicht wahnsinnig oft über Politik, aber wenn ich etwas zu sagen habe, dann spreche ich es auch aus. Ich habe zum Beispiel aber schon Bernie Sanders öffentlich supportet, weil mir viele seiner Ideen gut gefallen haben.

Ihr seid ja auch seit Jahren ziemlich viel in den USA unterwegs. Habt ihr da mitbekommen, wie sich das politische Klima verändert hat?

Gute Frage. Eigentlich nicht. Man merkt jetzt, dass die Stimmung anders ist, klar. Dass da mehr Anspannung ist. Die viele Gewalt. Ein politischer Clusterfuck. Aber über die Jahre hat man das nicht wirklich mitbekommen. Die Menschen, die wir auf unseren Touren getroffen haben, hatten immer behauptet, keinesfalls Trump wählen zu wollen. Als er dann am Ende gewann und Präsident wurde, war ich dann schon einigermaßen überrascht.

“Es gibt immer noch großartige Rock-Musik”

Zurück zur Musik. Die Art von Rock-Musik, die ihr spielt, ist heute zwar selten, scheint aber wieder mehr im Kommen. Seht ihr da ein echtes Revival auf uns zukommen?

Viele nennen es ein Revival, aber mit dem Begriff kann ich nichts anfangen. In meinen Augen war Rock niemals tot, er war immer irgendwie da, seit den 1950er Jahren. Er hat immer geatmet, auch wenn er vielleicht nicht mehr so angesagt war. Es gibt immer noch großartige Rock-Musik da draußen, man muss sie nur finden wollen. Bereit sein, tiefer zu graben.

Euer Stil hat sich seit dem ersten Album ziemlich verändert. Da ging es noch um Classic Rock. Album zwei klang dann deutlich moderner – und euer aktuelles Album ist mehr ekklektisch. Ist euer Stilwandel natürlich passiert? Oder seid ihr es einfach leid gewesen, ständig mit diesen Siebziger-Rock-Bands verglichen zu werden?

Das ist ein bewusster Prozess gewesen. Die erste Platte war tatsächlich mehr oder weniger eine Classic Rock-Platte. Und wir waren da auch echt stolz drauf. Aber uns wurde dann auch recht schnell klar, dass wir uns verändern sollten. Dass wir unsere Musik ins 21. Jahrhundert überführen mussten, um auch Relevanz zu haben. Niemandem hätte es etwas gebracht, wenn wir diesem Stil auf Dauer treu geblieben wären. So ist dann Album Nummer zwei entstanden. Unser aktuelles Album “A War On Everything” war dann der Versuch, das Beste aus zwei Welten miteinander zu verbinden.

Hat sich auch euer Songwriting-Prozess verändert?

Ja, da hat sich viel entwickelt. Unsere erste Platte ist im Grunde während vieler Jam-Sessions entstanden, das war ein sehr demokratischer Prozess. Wir haben 30 Minuten lang rumgedudelt, haben Spaghetti an die Wand geworfen und geschaut, was kleben bleibt. Dann kam das Album, und dann sind wir erst mal drei Jahre getourt und standen plötzlich da und wussten nicht, was wir nun machen sollten. Außer mehreren Handy-Voice-Notes hatten wir nichts. Wir haben dann dieses Produzenten-Team (Fast Friends Music) in Los Angeles getroffen, was unsere Arbeitsweise ziemlich umgestellt hat. Beim dritten Album war es dann nicht mehr so hart, weil wir wussten, worauf wir uns einlassen, was unsere Aufgaben sind. Das lief dann schon deutlich professioneller und routinierter ab.

Du bist der Haupt-Songwriter der Band. Und auf der neuen Platte sind die Songs wieder sehr persönlich. “Pink Motel” zum Beispiel. Darin geht es auch um eine Trennung.

Ja, der Song hat mehrere Ebenen. Inspiriert wurde er tatsächlich durch die Trennung von meiner damaligen Freundin, die einfach mit unserem Lifestyle nicht mehr zurecht kam. Ständig stritten wir uns um materielle Dinge. Wir lebten damals gemeinsam in einem kleinen Apartment in Los Angeles, das nichts Besonderes war. Sie warf mir dann irgendwann vor, dass “wir nichts hätten”. Ich konnte das nicht verstehen. In meinen Augen hatten wir uns, also alles was wir brauchen. Dazu das Meer mehr oder weniger vor der Haustür, eine kurze Autofahrt entfernt. Wir lebten an einem der aufregendsten Orte der Welt. Der Song war dann sozusagen der letzte Versuch, sie daran zu erinnern, was wir alles hatten.

Ich finde es einfach schade, wenn Menschen nur im Konsum ihre Erfüllung finden. Das ist vielleicht eines der Hauptprobleme unserer Zeit. Ich denke, dass wir heute alle überreizt, übermäßig abhängig oder süchtig sind und uns nach einem Weg sehnen, um uns von der Welt zu isolieren und trotzdem geliebt zu werden. Der Blick auf die wirklich wichtigen Dinge, auf Liebe und Freundschaft, wird durch die Gier verstellt.

Fühlt es sich auf der Bühne für dich besonders an, wenn du solche persönlichen Songs mit dem Publikum teilst?

Nein, eigentlich nicht. Auf der Bühne schlüpfe ich in meine Stage-Persona. Da macht das dann keinen Unterschied.

Was steht denn jetzt nach der Tour für euch an?

Ach, erstmal freuen wir uns auf zu Hause. Wir waren jetzt lange unterwegs. Dann wird erst einmal Wäsche gewaschen. Irgendwann im Dezember gehen wir dann wieder ins Studio. Im Januar haben wir dann erst einmal zwei Wochen frei. Und dann bereiten wir uns auf unsere nächste USA/Kanada-Tour vor, die wohl 80 Tage dauern wird.

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