Relevanter denn je: Dendemann legt mit seinem klugen, dritten Solo-Album „da nich für!“ vielleicht sein Meisterstück vor.
Straight outta Erlangen: Dendemann, seit gestern immerhin auch schon 44 Jahre alt, ist mittlerweile so etwas wie deutscher Hip-Hop-Adel. Einer, der in den neunziger Jahren mit seinem Projekt Arme Ritter und später dem Duo Eins Zwo schon für Aufmerksamkeit in der Szene sorgte, ehe er dann solo so richtig durchstartete.
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Nun sind aber auch schon acht Jahre seit der letzten Dendemann-Platte „vom Vintage verweht“ vergangenen. Und immerhin knapp drei seit seinem Ausstieg als Sidekick in Jan Böhmermanns „Neo Magazin Royale“. Im Musik-Biz ist das fast eine Ewigkeit.
Immer noch viel Biss
Wer sich aber nun Sorgen macht, dass der gute Dende in der Zwischenzeit seinen Biss verloren haben könnte, der irrt. Auf seiner neuen, nun endlich vorliegenden Platte „da nich für!“ gibt sich der Gute vielmehr so wach, so politisch und so sprachlich versiert wie nie. Da hat sich offenbar so einiges aufgestaut, für das ein Ventil her musste.
In dem Dub-infizierten „Keine Parolen“ – mit dieser Hook auf Basis eines bekannten Slime-Refrains – verhandelt Dende die Haltungslosigkeit und Selbstbezogenheit übersättigter Wohlstandsbürger. In dem schwer an Kraftwerk erinnernden Industrial-Rap “Menschine“ hingegen geht es dann um jene perfektionierte Form von Selbstausbeutung in neoliberalen Zeiten, die unter dem Label Individualität bereitwillig bis ins selbstoptimierte Privatleben ausgedehnt wird.
Das ebenfalls starke “Alle Jubilare Wieder“ thematisiert den Hedonismus der Berliner Party-Republik, der ja gleichzeitig auch ein Tanz am Rand des Vulkans ist. Unterstützung erhält Dende hier von Feature-Gast Casper. Resignativ kommt dagegen „Zauberland“ daher, basierend auf einem Sample des gleichnamigen Rio-Reiser-Songs. Reiser besang damals eine zerbrochene Liebe, bei Dendemann geht es hier um das Schicksal von Flüchtlingen.
Frei von Sexismen und Herabwürdigungen
Dendemann rappt diese zwölf neuen Songs mit Stil. Mit Klasse. In einer Sprache, die nicht von den gängigen Rap-Klischees durchtränkt ist, die frei ist von Sexismen und Herabsetzungen. Erfrischend. Wortgewandt. Über Beats von Könnern wie The Krauts, Dexter, Kitschkrieg, Reaf oder Torky Tork. Klingt einerseits modern, andererseits bleibt Dende seinen Wurzeln aber auch ziemlich treu. An der einen oder anderen Stelle fühlt man sich gar an den Sound von Eins Zwo und die frühen Dende-Jahre erinnert. Stellvertretend seien hier das melodramatische „Wo ich wech bin“ oder das an frühe Hamburger Tage erinnernde „BGSTRNG“ (Feature-Gäste hier: die Beginner) genannt.
Nein, zu „Müde“, wie Dendemann im gleichnamigen Track behauptet, ist er offenbar noch lange nicht. Eher angriffslustig. Wenn es um Populisten geht und alles, was sonst so weg muss. Und so muss es sein.
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