Zehn Jahre nach seinem letzten Solo-Versuch wandelt Daniel Rossen (Grizzly Bear) wieder auf Solo-Pfaden. Gerade ist sein virtuoses Debütalbum „You Belong There“ bei Warp Records erschienen. Es ist das Zeugnis eines Musikers, der zu sich selbst gefunden hat.
Sie gehörten zu den spannendsten Bands der Nullen und Zehner Jahre: Grizzly Bear. Der Sound der Band aus Brooklyn/New York bewegte sich zwischen Psych-Pop, Folk Rock und Experimental, gleichermaßen kamen traditionelle und elektronische Instrumente zum Einsatz, dazu dieser vierstimmig-verschachtelte Harmoniegesang. Großes Kino.
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Daniel Rossen war Gitarrist, neben Ed Droste der Lead-Sänger des Quartetts, aber auch ein Mastermind hinter dem Sound der 2002 gegründeten Kapelle. Aber obwohl er eine so große Rolle im Gefüge der Band spielte, stand er in der öffentlichen Wahrnehmung doch auch immer irgendwie im Schatten. Bei all den Vorzügen, die so eine Zugehörigkeit zu einer international erfolgreichen Band mit sich bringt – das Ausleben der eigenen Individualität gehört in der Regel nicht dazu. Alle Ideen und Impulse werden direkt von der Gesamtdynamik absorbiert und gedämpft, jede Entscheidung ist an Kompromisse geknüpft.
Aus dem Schatten ans Licht
Zeit also, aus dem Schatten herauszutreten, zumal die Gelegenheit gerade günstig scheint. Seit Ed Droste Grizzly Bear im Jahr 2020 verlassen hat, eigentlich aber schon seit „Painted Ruins“ (2017), liegt die Band ohnehin auf Eis. Die Chance für Rossen, an seinem Solo-Projekt zu arbeiten. Es ist nicht das erste für ihn. Schon im Jahr 2012 veröffentlichte Rossen mit „Silent Hour/Golden Mile“ eine Solo-EP. Nun aber das erste echte Solo-Album.
Es ist klar zu hören: Da schwimmt sich jemand frei. Das sind die Songs eines Musikers, der weiß, dass er nur noch wie er selbst klingen will. Rossen setzt auf stilsichere Klavier- und Orchester-Passagen, kombiniert sie mit viel ungewöhnlichen Akustikgitarren-Arrangements. Dabei schreckt er auch vor Flamenco-Anleihen nicht zurück. Da wurde der Gute offenbar von seiner neuen Wahlheimat inspiriert, mittlerweile lebt Rossen ja in Santa Fe im US-Bundesstaat New Mexico, hat geheiratet, ist Vater geworden. Und irgendwie drückt sich all das auch in den Songs aus. Vor allem in diesen viel persönlicheren Texten. Dieser Spirit des Neuanfangs (auch wenn bei Songs wie „It’s a Passage“ oder „Shadow in the Frame“ durchaus an Grizzly Bears „Yellow House“-Zeiten erinnert wird). Diese Entschlossenheit, bei gleichzeitigen Ängsten und innerer Unruhe. Diese Zerbrechlichkeit. Verletzlichkeit. Aber auch: diese Befreiung.
Bitte mehr davon.
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