Nicht allein Inhalt, auch Verpackung entscheidet über den Erfolg eines Produktes. Das ist bei Musik nicht anders. Viele Künstler legen daher großen Wert auf die Gestaltung ihrer Alben – und platzieren mitunter Kinder auf dem Cover. Was sich nicht immer positiv auf deren weiteren Lebensweg auswirkt.
Wer erinnert sich nicht an das Prisma auf der Plattenhülle von Pink Floyds „Dark Side Of The Moon“? Oder an die Beatles auf dem Zebrastreifen in der „Abbey Road“? Die in Stein gemeißelten Bandmitglieder auf „Deep Purple in Rock“? Ein Cover dieser Art hat etwas Ikonenhaftes. Ist es gut gemacht, verrät es auch, welche Art von Musik sich auf der so illustrierten Scheibe verbirgt. Wer gesehen hat, wie auf dem Titelbild von „London Calling“ ein Bass zertrümmert wird, weiß, was er von „The Clash“ zu erwarten hat, ohne je eine Note der Punker gehört zu haben.
anzeige
Für Künstler wie für Plattenfirmen sind Albumhüllen also ein wichtiges Marketinginstrument. Darum sollen sie möglichst originell sein, einprägsam, vielleicht ein bisschen kontrovers. Unter Werbern und Medienleuten gilt dabei der alte Spruch, dass „Tiere immer ziehen“ – und Kinder. Was im Nachhinein nicht immer gut für das betreffende Kind war. Beispielsweise im Fall der britischen Indiepop-Band Placebo: Deren Debüt aus dem Jahr 1996 zeigt einen zwölfjährigen, Grimassen schneidenden Jungen im übergroßen roten Pulli. David Fox ist heute 28 und hat angekündigt, Placebo wegen des Covers zu verklagen. Es habe sein Leben versaut, schimpfte er in der „Times“: „Mein Bruder war gerade gestorben, und mein Cousin kam auf Besuch vorbei. Da er Fotograf war, machte er ein paar Aufnahmen von mir und meiner Familie.“ Das Foto mit Fox landete auf dem Placebo-Cover, der Junge war begeistert. Doch bald gab es Probleme. Mitschüler und Lehrer hätten ihn gemobbt, klagt Fox. Er verließ die Schule ohne Abschluss. Heute ist er arbeitslos und glaubt, dass das Foto schuld an allem ist: „Wenn ich das Bild jetzt sehe, hasse ich es.“ Bei der Plattenfirma Universal ist jedoch bisher nichts von einem Rechtsstreit bekannt.
200 Euro für das Nirvana-Baby
Besser als Fox erging es Spencer Elden. Seine Eltern bekamen für ein Foto ihres Sohnes immerhin umgerechnet rund 200 Euro. Im Grunde lächerlich wenig, wenn man bedenkt, dass Elden eines der berühmtesten Cover überhaupt ziert: Er ist das Nirvana-Baby, das für „Nevermind“ (1991) nach einer Geld taucht. „Das ist irgendwie gruselig, dass mich so viele Menschen nackt gesehen haben. Ich fühle mich wie der größte Pornostar der Welt“, sagte Elden dem Musiksender MTV. Dennoch hadere er nicht mit dem Bild, zumal es ihm auch Erfolg bei den Damen eingebracht habe, die erkunden wollten, was sich in der Zwischenzeit bei ihm so alles entwickelt habe. Wobei es da auch durchaus bizarre Situationen gegeben habe, wie Elden sagt. So wollte ihn eine reiche, ältere Frau im „Nevermind“-Stil durch ihren Pool schwimmen lassen.
Einen bleibenden Eindruck hinterließ auch Heather DeLoach, die 1993 für das Musikvideo „No Rain“ der Band Blind Melon ein Bienen-Kostüm überstreifte. Das Video beginnt damit, dass die damals Zehnjährige steppt, pummelig und mit dicker Brille. Das Publikum lacht das Mädchen aus, woraufhin es traurig durch die Straßen von Los Angeles trottet. Der Clip wurde ein Erfolg und verhalf Blind Melon zu ihrem größten Hit. Fast 20 Jahre später wird Heather DeLoach immer noch auf das Bienen-Mädchen, das „Bee-Girl“, angesprochen. „Manchmal wollte ich nicht mein Leben lang darauf reduziert werden, aber es hat mein Leben verändert und es ist okay, wenn ich so genannt werde bis ich alt und grau bin“, sagte sie einmal. Das Video öffnete ihr zumindest die Tür zu einer – bislang überschaubaren – Karriere als Schauspielerin in US-Serien. Was nur wenige wissen: Das Bienenmädchen auf dem dazugehörenden Album ist nicht Heather DeLoach, sondern die jüngere Schwester eines Bandmitglieds.
Rätsel um „Ready To Die“
Rätselraten gab es um das Cover von „Ready To Die“ (1994), dem Debüt des ermordeten Hip-Hoppers Notorious B.I.G. Auf diesem ist ein schwarzes Kleinkind mit Afro-Haarschnitt zu sehen. Lange fragten sich Fans, ob es ein Kinderfoto von „Biggie“ höchstselbst sei. Erst 17 Jahre später wurde enthüllt, dass es sich um einen gewissen Keithroy Yearwood handelt, den eine Agentur eigens ausgewählt hatte – für 150 Dollar. Das Foto wurde auch deshalb so bekannt, weil ein Krieg unter Hip-Hoppern darum entbrannte. Die Rapper Nas und Ghostface Killah warfen „Biggie“ vor, die Gestaltung von Nas’ „Illmatic“, das den Künstler als Baby zeigt, dreist geklaut zu haben.
Einen Skandal, Zensur, moralische Empörung – so etwas in der Art befürchtete auch die Plattenfirma der irischen Rockband U2. Die Arme hinter dem Kopf verschränkt, den Oberkörper frei – der sechsjährige Junge auf dem U2-Debüt „Boy“ sorgte 1980 für Aufsehen. Was die Band um Sänger Bono Vox nicht davon abhielt, den Jungen immer wieder zu engagieren. Peter Rowen, so sein Name, zierte schließlich noch die Titel von „Three“, „War“, „The Best of 1980-1990“ und „Early Demos“ und entwickelte sich so zu einer Art U2-Maskottchen. Mittlerweile ist Rowen knapp 40, lebt in Dublin und ist selbst Vater. Cover-Boy wurde er durch Zufall. „Bono lebte damals in unserer Straße und war mit meinem Bruder befreundet“, verriet Rowen später. Heute ist er in Irland ein bekannter Fotograf, der auf Konzerten unterwegs ist. Dabei lernte er einen anderen Fotografen kennen. „Der Typ sprach mich an, redete mit mir über meine Kamera und erzählte mir dann beiläufig, dass er selbst Fotograf gewesen sei und das Cover zu ,War’ schoss“, sagt Rowen. Das Gesicht des Mannes, als Rowen sich als sein damaliges Motiv offenbarte, hätte wahrscheinlich ebenfalls ein gutes Cover abgegeben.
anzeige