Folk, Country, Americana, Pop, Punk: Der kalifornische Singer-Songwriter Christian Lee Hutson lässt sich nur ungern in eine Schublade stecken. Viel lieber bewegt er sich im Spannungsfeld zwischen den verschiedenen Stilen. Mit „Paradise Pop. 10“ hat er jetzt sein drittes Solo-Studioalbum vorgelegt. Darauf erhält der Gute auch prominente Unterstützung – es ginge aber auch gut ohne sie.
Nein, dass der Name Phoebe Bridgers im Waschzettel zum neuen Christian-Lee-Hutson-Album auftaucht, überrascht nun wirklich nicht. Dass die beiden eine funktionierende künstlerische Beziehung haben, stellen sie ja schon seit einigen Jahren immer wieder unter Beweis. Der Musiker aus Los Angeles lernte Bridgers 2018 über deren Touring-Gitarristen Harrison Whitford kennen. Ein Treffen, aus dem eine fruchtbare Zusammenarbeit erwuchs. Hutson steuerte als Songwriter Tracks zu drei Bridgers-Projekten bei („Boygenius“ (2020), „Better Oblivion Community“ (2019) und „Punisher“), außerdem begleitete er Phoebe schon als Support Act auf Tour. Bei seinem ersten Album „Beginners“ war Phoebe Bridgers alleinige Produzentin, bei Hutsons zweitem Machwerk „Quitters“ (2022) teilte sie sich diesen Job mit Conor Oberst. Und auch jetzt, für Hutsons dritten Wurf „Paradise Pop. 10“, stand Bridgers wieder Gewehr bei Fuß, steuerte Vocals bei und produzierte die LP, diesmal gemeinsam mit Marshall Vore und Joseph Lorge.
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Bridgers ist aber nicht der einzige prominente Name, der Hutson auf dessen neuer LP unterstützt. Auf dem Album finden sich nämlich auch Gastvocals von Katy Kirby und Maya Hawke – letztere ist eine weitere häufige Kollaborateurin Hutsons. Man kennt sich, man schätzt sich. Bei Hawkes letztem Album war Hutson Produzent und Co-Autor.
Eine Metapher für das Ankommen
Nun also: „Paradise Pop. 10“. Die Platte ist nach einer realen „Stadt“ tief in den Wäldern von Parke County, Indiana, benannt, in deren Nähe Hutson einen Teil seiner Kindheit verbracht hat. Dort, gleich hinter dem Ortsschild, findet man eine Reihe von fünf Häusern auf der einen Seite der Straße und einen Friedhof auf der anderen. Hutson erzählt: „Als ich ein Kind war, nahm mich mein Vater immer dorthin mit. Auch, weil es dort so ruhig und friedlich war. Jahrelang sagte er, wenn das Leben jemals zu verrückt würde, könnten wir dorthin gehen und anfangen, unser wirkliches Leben zu leben. Die Menschen sein, die wir immer sein sollten. Als ich diese Platte machte, kam mir der Gedanke, dass wir die meiste Zeit unseres Lebens damit verbringen, darauf zu warten, „die Menschen zu sein, die wir immer sein sollten“. Ich wollte diese Platte auch nach dieser Stadt benennen, weil sie für mich immer ein Ankommen symbolisierte.“
Den Vibe dieser Kindheitsbegebenheiten packt Hutson in elf nostalgisch-melancholische Songs. Musik gewordene Kurzgeschichten. Hutson präsentiert sich als gewiefter Storyteller, einer, der es versteht, interessante Charaktere zu erschaffen. Kein Wunder, dass das überaus atmosphärische Album von einem Kurzfilm begleitet wird.
Zarte, aber abwechslungsreiche Klänge
Es ist ein zartes Album geworden, das Hutson da im Figure 8 Studio in Brooklyn aufgenommen hat. Hutsons warmer, erdiger Gesang kommt mal mit zerbrechlichem Fingerpicking-Folk daher, ein anderes Mal über mitreißendem Power-Pop.
Zu den Glanzlichtern der Platte gehört das vorab als Single veröffentlichte „After Hours“, bei dem Hutsons Stimme am Besten zum Tragen kommt. Beim zurückhaltenden, aber durchaus gefühligen „Flamingos“ mischt Bridgers gewinnbringend mit – und auch das große Finale „Beauty School“ bleibt am Ende haften. Bei dem energetischen Album-Closer ist nicht nur Kirby, sondern auch eine Prise Punk dabei: spannend!
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