Auch nach mehreren personellen Wechseln treten Blitzen Trapper offenbar nicht kürzer. Die experimentelle Country/Folk/Rock-Kapelle hat mit „100’s of 1000’s, Millions of Billions“ gerade via Yep Roc ihr elftes Studioalbum vorgelegt.
Es war ganz schön was los in den vergangenen fünf Jahren bei Blitzen Trapper. Die Band aus Portland (Oregon) musste einen größeren personellen Umbau verkraften. Ende 2019 stiegen die langjährigen Mitglieder Erik Menteer (Gitarre/Keyboard), Michael Van Pelt (Bass) und Marty Marquis (Gitarre/Keyboard/Gesang/Melodica) aus der bereits im Jahr 2000 gegründeten Band aus. Übrig blieben Eric Earley (Gitarre/Harmonica/Vocals/Keyboard) und Brian Adrian Koch (Drums/Vocals/Harmonica). Die suchten sich mit Michael Elson (Bass/Keyboard) und Nathan Vanderpool (Gitarre/Vocals) zwei neue Mitstreiter und machten fortan als Quartett weiter. In dieser Konstellation erschien denn auch das Album „Holy Smokes Future Jokes“ (2020).
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Meditation als Arbeitsgrundlage
Jetzt, vier Jahre später, legen Blitzen Trapper Album Nummer elf nach. Album Nummer zehn wirkt dabei aber noch nach. Denn durch „Holy Smokes Future Jokes“ wurde Earley vom Buddhismus angezogen. Er war besonders fasziniert von den Lehren dieser Religion über das Selbst und die Freiheit, die entsteht, wenn man lernt, die künstlichen Konstruktionen, die es umgeben, loszulassen. Es war die Haupttriebfeder für die neue Platte. „Der Buddhismus lehrt uns, dass Leiden aus dem Festhalten an Illusionen, an starren Ideologien und an der Idee eines individuellen Selbst entsteht“, erklärt er. „Das Tor, um sich von all dem zu befreien, ist die Meditation.“ Viele der neuen Songs seien aus dem Bewusstseinszustand entstanden, in den sich Earley während dieser Meditationen versetzte.
Zur gleichen Zeit, in der Earley durch Meditation lernte, präsent zu sein, stellte er durch alte Vierspur-Kassettenbänder auch eine Verbindung zu seiner Vergangenheit her. Er fand heraus, dass die alten Songs, die er darauf fand (die er mit 19, 20 geschrieben hatte), zu den neueren passten, und er überarbeitete, aktualisierte und vollendete sie mit einer ganz neuen Klarheit. Die Darbietungen waren locker und freilaufend, vollständig arrangiert und ausgearbeitet, aber nie überarbeitet, und das unbeschwerte Gefühl der Spontaneität sprach ihn an. „Was mir am meisten auffiel, war, wie zwanglos und spontan das alles war“, sagt Earley. „Ich arbeitete ohne Gedanken an die Musikindustrie. Ohne die Erwartung, etwas zu veröffentlichen oder auf Tournee zu gehen. Also nahm ich einfach alles auf, was mir in den Sinn kam, und ging weiter. Es hatte etwas Rohes, wie aus einer Zeitkapsel. Und es erinnerte mich daran, warum ich mich überhaupt ins Musikmachen verliebt hatte.“
Das große Rad der Existenz
Auf „100’s of 1000’s, Millions of Billions“ – der Titel ist eine bekannte Phrase aus den Mahayana-Sutras – dreht die Combo nun inhaltlich also das ganz große Rad. Sie verhandelt in teils surreal anmutenden Stücken Themen wie Wiedergeburt und Transzendenz. Die Kreisförmigkeit der Existenz, die sich ihren Weg durch den Raum jenseits von Traum und Realität, jenseits von Göttern und Sterblichen, jenseits von Leben und Tod bahnt. Inhaltlich keine leichte Kost also. Es werden viele Fragen gestellt, aber keine Antworten gegeben.
Und musikalisch? Die Produktion vermischt Lo-Fi-Intimität und trippige Psychedelik zu einem hypnotisierenden Strudel aus analogen und elektronischen Klängen. Alles zusammen ergibt eine hörenswerte, ausufernde Song-Sammlung, die in üppige Synthesizer-Schichten und verwaschene E-Gitarren gehüllt ist.
Zu den Glanzlichtern der Platte gehört das melancholische, aber eindringliche „Cosmic Backseat Education“. Es ist gleichzeitig die Lead-Single des Albums. „Ich erinnere mich daran, wie ich als Kind auf dem Rücksitz des Autos meiner Eltern lag und einfach nur Radio hörte. Ich glaube, dort habe ich den größten Teil der Bildung erhalten, die ich in meinem Leben und meiner Karriere gebraucht habe. Wir sind so sehr darauf getrimmt, diese Ziele und Meilensteine zu haben, die wir alle verfolgen. Aber Musik ist von Natur aus zwecklos, wenn sie keine Freude macht. Wenn man lernt, die gleiche Ziellosigkeit im Leben zu sehen, kann man jeden Moment genießen“, erklärt Earley den Song.
Auch das elektronisch angehauchte „Hesher in the Rain“ oder das mit Bluegrass flirtende „Planetarium“ bleiben haften. Bei letzterem bekam die Band Unterstützung von Eric D. Johnson und Anna Tivel.
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