Ernster und nachdenklicher als sonst: So kommen Smile and Burn auf ihrem neuen Machwerk „Seid ihr stolz auf mich?“ daher, das an diesem Freitag auf den Markt gekommen ist. Aber wer kann in diesen Zeiten schon unbeschwert sein?
Seit 2008 beglücken Smile and Burn aus Berlin mit ihrem Punkrock nun schon die Bundesrepublik. Aus dem Quintett ist über die Jahre ein Trio geworden, ansonsten hat sich aber nicht viel geändert. Die Band um Sänger Philipp Müller steht für energiegeladene Live-Konzerte, für eine humorvolle Online-Präsenz, für eine klare politische Haltung und für einen Sound, der nach vorne geht.
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Zwei Jahre nach „Besser sein als jetzt“ legt die Band nun ihr siebtes Studioalbum vor. Und klingt plötzlich viel nachdenklicher als sonst. Da ist eine neue Ernsthaftigkeit, ja, eine neue Schwere, die der Musik der Hauptstadt-Kapelle plötzlich innewohnt. Selbstreflexion statt Galgenhumor, die biergeschwängerte Scheißegaligkeit ist plötzlich passé. Es wird ehrlich emotional.
Das große Thema der Platte steckt dabei schon im Titel der Platte „Seid ihr stolz auf mich?“. Es geht um Kindheitstraumata und ihre Bewältigung, um Stolz, um Generationenkonflikte, um Zweifel, Verdrängung – eigener Probleme aber auch allgemeiner Zustände. Mit der inhaltlichen gehen auch musikalische Veränderungen einher, die Band bewegt sich auf diesem neuen Machwerk eher im Bereich des Indie-Rock. Für Pogo ist gerade keine Zeit.
Innerhalb tödlicher Grenzen
Zu den Glanzlichtern gehört dabei etwa der Song „Asche von gestern“. Die Band dazu: „Wir Millennials sind die erste Generation, denen versprochen wurde, etwas ganz Besonderes zu sein. Der Wohlstand, die globalen Zerwürfnisse und eine neue Unübersichtlichkeit wurde uns übergeholfen und wir wollten alles schultern, denn wir hatten alle Möglichkeiten. Wir wollten es besser machen als unsere Eltern. Irgendwann, irgendwie, irgendwo. Nun mit Ende 30 müssen wir Bilanz ziehen: Das schlechte Gewissen lässt sich nicht abschütteln.“
Das schlechte Gewissen spielt auch in „Alle verlieren“ eine Rolle. Hier geht es um die tödliche Grenze, die Europa umgibt – und darum, was innerhalb dieser Grenze mit uns als Individuen passiert, die wir seit Jahrzehnten dem Sterben von der Seitenlinie zusehen. Selbst in Kriegen gibt es Regeln: Menschen werden geborgen, identifiziert, Familienmitglieder benachrichtigt. Für die Toten im Mittelmeer gilt das nicht, so die Message des Songs.
Auch „Oberflächenspannung“ bleibt haften, in der die Band das Thema Depression verhandelt. Sänger Philipp erzählt: „Mir sind 2021 alle Haare ausgefallen. Ich hab in den Spiegel geguckt und eine Person gesehen, die ich nicht kenne, die ich – vor allem – überhaupt nicht mochte, die sich jenseits von meinem Ästhetikempfinden bewegt hat. Neben all den anderen Problemen endete das Jahr mit dem Eingeständnis: Ich habe eine Depression.“
Trotz aller Melancholie und Tristesse: Eine große Live-Tauglichkeit kann man den cleveren Songs dennoch unterstellen. Die Band geht nämlich auch in ihrer Nachdenklichkeit sehr nach vorn, sprüht vor Energie.
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