Markus Kavka (foto: Thomas Neukum)

Markus Kavka über Depeche Mode, die bayerische Provinz und Katzenköpfe

Markus Kavka hat eine Liebeserklärung an Depeche Mode geschrieben. Am Donnerstag stellt der Musikjournalist, der lange Zeit das Gesicht des deutschen MTV war, sie im Mannheimer Forum vor. Benjamin Fiege sprach mit ihm vorab über seine Beziehung zur Band, die bayerische Provinz und Katzenköpfe.

Markus, welchen Depeche-Mode-Song hast Du  zuletzt gehört?

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Das ist noch gar nicht so lange her, das war gerade vor einer halben Stunde. Ein befreundeter DJ hat mir einen Remix von „Shake the Disease“ zugespielt, ganz cool, und dann habe ich mir auch gleich noch das Original angehört. Ich höre schon jeden Tag Depeche Mode, jetzt, während der Lesetour sogar noch ein bisschen häufiger.

Was fasziniert Dich so an Depeche Mode? Wie hat das bei Dir angefangen?

Ich denke, das hat auch viel mit meiner Autobiografie zu tun. Die Musik von Depeche Mode, aber auch von The Cure, das war damals auch immer so ein bisschen die Musik der Außenseiter, für jene, die sich nicht zugehörig gefühlt haben. In Manching, diesem kleinen bayerischen Dorf, ging es mir da ähnlich, da habe ich nicht so richtig reingepasst, obwohl ich Ministrant war und im Fußballverein. Depeche Mode haben mich da abgeholt. Wenn auch nicht gleich vom Start weg, meine erste Single von ihnen war 1981 „Just Can’t Get Enough“, aber damals hatten sie – musikalisch und optisch – ihren Style noch nicht so gefunden. Wie ich damals. Mit Alan Wilder kam dann da mehr Zug rein und spätestens mit dem Album „Construction Time Again“ hatten sie mich dann auch komplett überzeugt.

Markus Kavka über Enttäuschungen

In deinem Buch schreibst Du, Depeche Mode hätten Dich nie enttäuscht. Womit hätte sie das denn schaffen können? Was wäre denn ein Dealbreaker gewesen?

Da gäbe es mehrere Gründe. Ich mag es zum Beispiel nicht, wenn Bands irgendwann zu einer Retro-Oldie-Show verkommen. Depeche Mode sind zwar schon lange dabei, sind aber immer relevant geblieben. Zwar bin ich emotional mit ihren Sachen aus den 1980er und 1990er Jahren stärker verbunden, aber auch alles was da noch so danach kam, hatte Substanz. Das hat zum Beispiel bei den Smashing Pumpkins nicht funktioniert, die waren für mich auch nach den ganzen Line-Up-Changes irgendwann auserzählt. Oder die Pixies. Neben Depeche Mode und The Cure haben aber auch Radiohead dieses Kunststück ganz gut hinbekommen,   relevant und interessant zu bleiben.

Zwei deiner Lieblingsbands, The Cure und eben Depeche Mode, zeichnen sich ja durch eine unheimliche Langlebigkeit aus.

Ja, sie sind halt auch mit ihrem Stammpublikum erwachsen geworden, da gab es jetzt nie so eine große Alterslücke. Depeche Mode konnte man in jeder Lebensphase hören, das musste einem nie peinlich sein.

Liegt das auch daran, dass es in der Phase ihres Aufstiegs noch kein Social-Media gab, mit dem sie sich entzaubern konnten?

Ich glaube, das ist schon ein Vorteil für Bands aus den 1980ern und 1990ern gewesen. Überhaupt waren ja damals die Geschwindigkeit eine ganz andere, man hat den Bands Zeit zur Entwicklung gelassen. Heute ist das Musikgeschäft da ganz anders – und die Aufmerksamkeitsspanne der Hörer ist niedriger. Es ist ja kein Zufall, dass aus der Zeit danach kaum eine Band eine solche Langlebigkeit vorweisen kann. Sieht man mal vielleicht von Coldplay ab. 

Es scheint, als sei das Konzept „Band“ gerade ohnehin nicht so gefragt. Und Sting meinte neulich gar, erwachsene Menschen sollten gar nicht in einer Band spielen …

Heute kann man Musik am Laptop im  Schlafzimmer machen, da wirkt der Sound so, als wäre da eine komplettes Band-Line-Up am Start gewesen. Warum da den Profit mit drei, vier anderen teilen, mag sich da so mancher denken. Und die Vermarktung über Social Media, über Instagram, spielt da auch eine große Rolle. Es ist für einen Solokünstler leicht, auf diesen Plattformen schnell zu zeigen, wofür er steht. Bei Bands mit vier, fünf Mann auf dem Foto fällt das schwerer. Ansonsten kann ich aber schon so ein bisschen verstehen, was Sting  meint, denn natürlich macht es als Teenager besonders viel Spaß,  mit seinen Kumpels in einer Band Musik zu machen. Ich selbst war ja als Schüler in einer Art Depeche-Mode-Coverband, später in einer Grunge-Band. 

Markus Kavka über Dresche vor der Dorfdisco

Steckt in Dir denn ein musikalisches Talent? Wird es irgendwann längst verschollene Kavka-Demos und Raritäten auf dem Streaming-Dienst unseres Vertrauens geben?

(lacht). Das ist dann die Stelle, wo in Print-Interviews gerne (lacht) steht. Nein, eher nicht. Ich bin ja DJ, im Techno-Bereich habe ich schon ein paar Tracks gemacht, mit denen ich ganz zufrieden bin. Aber das Niveau hatte ich erst erreicht, da war ich schon 12, 13 Jahre lang DJ. Ich habe früher mal vier Jahre Klavier gespielt, das war’s dann mit meiner klassischen Musikausbildung. Bei meinen Bands habe ich  damals auch gesungen. Aber es hatte schon einen Grund, weshalb ich die Seiten gewechselt haben und am Ende lieber über Musik geschrieben habe statt sie zu machen.

Du hast die Liebe zu The Cure und Depeche Mode ja seinerzeit auch optisch gelebt. Stelle ich mir im ländlichen Manching nicht einfach vor.

Ja, das waren die 1980er auf dem Land, da war die Gewaltbereitschaft schon ein bisschen höher und der eine oder andere hat  auf Dinge, die er nicht kennt, entsprechend reagiert. Wenn meine Freunde und ich in unserer Goth-Montur und geschminkt da in die Dorfdiscos eingeritten sind, haben wir regelmäßig Dresche bezogen. Das war keine einfache Zeit, man hat aber gelernt, damit umzugehen.

Markus Kavka über tote Katzen im Straßengraben

Man hat dich ja sogar für das Verschwinden der Katzen im Ort verantwortlich gemacht. Du warst sozusagen der Alf von Manching?

Ich hatte eine Vorliebe für morbide Accessoires und trug einen ausgewaschenen Katzenschädel an einer Kette um den Hals. Ich hatte die tote Katze zuvor im Straßengraben gefunden, hab aber natürlich nie einem Tier etwas zuleide getan. Der eine oder andere Dorfbewohner hatte aber wohl zu viele Horrorfilme geschaut und gedacht, ich wäre Satanist, würde Tote aus den Gräbern ausbuddeln und  Katzen fressen oder sie zumindest rituell opfern. Wenn dann eine Katze verschwand, wurde  ich schief angeschaut.

Wann hörte das auf, dass dich die Dorfbewohner mit Fackeln durch den Ort getrieben haben?

Ich bin ja dann zum Studium nach Nürnberg, spätestens ab da war ich kaum noch im Ort und wenn, dann bei meinen Eltern. Als ich dann aber bei VIVA und vor allem später bei MTV im Fernsehen zu sehen war, wollten natürlich selbst die, die mir in der Dorfdisco noch aufs Maul gegeben hatten, schon immer meine Freunde gewesen sein. Da wurde dann für sich und den Nachwuchs um Autogramme gebeten. Die Wünsche habe ich dann zwar erfüllt, aber der Tochter des größten Grobians habe ich dann doch einen Zettel zugesteckt und sie gebeten, den Papa doch mal zu fragen, wie er damals wirklich zu mir stand.

Markus Kavka über Depeche Mode und Ostdeutschland

Noch populärer als in Manching waren Depeche Mode vor allem in Ostdeutschland. Woran lag das?

Das hat auch was mit dieser Außenseiter-Erzählung zu tun, diesem geringeren Selbstwertgefühl, das man im Osten gerade gegenüber dem Westen hatte. Unter dem Schirm der Musik von Depeche Mode konnten sich auch die Ostdeutschen gut versammeln. Und die Jungs waren für die Menschen in der DDR greifbarer als beispielsweise Joy Division oder so, sie waren regelmäßig in der Bravo, die ja von westdeutschen Verwandten gerne rübergeschickt wurde, sie haben auch hinter dem Eisernen Vorhang gespielt und waren so erlebbar.  Und Depeche Mode sind ja auch stark mit Berlin generell verbunden.

Du hast als Musikjournalist Depeche Mode mehrfach getroffen. Das Privileg dieses Berufs, der sich ja im Laufe der Jahrzehnte stark verändert hat. Früher war man  Tastemaker, bestimmte mit, wer oder was cool war und was nicht. Heute  übernehmen das weitgehend Algorithmen in Streaming-Diensten. 

Mein Rollenverständnis hat sich  da eigentlich trotzdem kaum verändert. Ich bin schon zu Schulzeiten mit einem Sack Platten angekommen und habe mit missionarischem Eifer versucht, die Mitschüler von guter Musik zu überzeugen. Im Grunde hat sich für mich dann immer nur das Medium und die Reichweite verändert, von der Schülerzeitung über das Fanzine zur Stadtzeitung bis hin zum Radio und zum Fernsehen. Ich habe immer noch Spaß daran, Musik zu kuratieren und Orientierung in diesem Wust an Neuerscheinungen anzubieten. Dafür gibt es auch noch ein Publikum, so ist zumindest mein Eindruck. Ich habe daher keine Angst, mittelfristig arbeitslos zu werden.

Markus Kavka über Irrtümer

Gibt’s denn auch Empfehlungen, die dir im Nachhinein leid tun?

Ich habe ja im Grunde beruflich mit Musik seit 1988 zu tun, da sammeln sich natürlich mit der Zeit ein paar Irrtümer an. Das gehört dazu. Ende der Neunziger etwa habe ich Crossover-Bands mit ihrem Mix aus Rock und Hip-Hop als Zukunft der Pop-Musik betrachtet, und nach drei, vier Jahren war aus dem Genre komplett die Luft raus. Auch bei Harry Styles hätte ich nicht gedacht, dass dieser Boyband-Typ als Solokünstler so spannende, tiefgehende Musik machen würde. Aber man kann ja auch immer Erfolge dagegenhalten: Bei The Weeknd etwa dachte ich gleich: Der wird ein Superstar. Am Ende hält sich das also die Waage. Wichtig ist, dass man immer Lust hat, etwas Neues zu entdecken.

TERMINE

12. Mai – Mannheim (Forum)
15. Mai – Münster (Atlantic Hotel Ballsaal)
16. Mai – Stuttgart (Im Wizemann Studio)
17. Mai – Frankfurt (Jahrhunderthalle Club)
18. Mai – Dortmund (FZW Club)
21. Mai – Wien (WUK)
23. Mai – Nürnberg (Korns)
24. Mai – München (Wirtshaus im Schlachthof)
25. Mai – Bayreuth (Zentrum)
26. Mai – Ingolstadt (Eventhalle Westpark)

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