Ray Wilson (foto: Fiege)

Live: Ray Wilson in Mannheim – Gegen das Vergessen

Ray Wilson stand mal bei einer der erfolgreichsten Bands aller Zeiten am Mikro. Genesis. Dass das heutzutage kaum einer weiß, ist auch die Schuld der Band. Das hält den 54-Jährigen aber nicht davon ab, die Musik der Gruppe zu feiern. So wie am Freitagabend im gut besuchten Mannheimer Capitol.

Undankbar. Anders kann man den Job nicht beschreiben, den der  Schotte Ray Wilson da im Jahr 1996 anzutreten hatte. Er sollte bei Genesis, einer der kommerziell erfolgreichsten Bands aller Zeiten, neuer Frontmann werden. Als Nachfolger von Superstar Phil Collins. Druck ohne Ende.  Zumal die wenigsten Kapellen den Wechsel des Frontmanns überleben.  AC/DC hatten es geschafft, Joy Division (die dann aber als New Order weitermachten) und vielleicht könnte man noch Van Halen nennen. Und klar, Genesis selbst, Phil Collins höchstpersönlich folgte als Stimme der Band ja auf den 1975 ausgestiegenen Peter Gabriel, die Band war danach sogar erfolgreicher als vorher. Wie hoch war die Wahrscheinlichkeit, dass das Kunststück ein weiteres Mal klappen würde? Zumal der  bis dato eher unbekannte Ray Wilson im Gegensatz zu Collins, der ja zuvor schon als Drummer der Band gewirkt hatte, auch keinen Stallgeruch hatte.

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Gut, ein Album wurde es dann. „Calling All Stations“ (1997). In Europa verkaufte es sich noch leidlich erfolgreich, in den USA floppte es, zumal die Band auf der neuen Platte eher an ihre sperrigere Prog-Rock-Zeit anknüpfte und keinen wirklich radiotauglichen Hit präsentierte. Eine geplante US-Tournee wurde mangels Ticketnachfrage abgesagt – und das war es dann für den guten Ray. Und im Grunde für Genesis, die danach kein Album mit neuem Material mehr veröffentlichen sollten.

„Es ist, wie es ist“

Heute wirkt es so, als würde die britische Band ihr kurzes Intermezzo mit Ray Wilson am liebsten vergessen machten. Bei der großen Abschiedstournee neulich sang Collins keinen einzigen Song aus dem finalen Genesis-Album. Auch in der 2014er Doku der Band tauchte Wilson nicht auf.  In der Rückschau wirkt es, als hätte es das Jahr 1997 für die Band nicht gegeben. “Sie haben mich sozusagen aus ihrer Bandgeschichte ausradiert,“ gab Wilson unlängst im „Rolling Stone“-Magazin zu Protokoll. „Es ist, wie es ist.“ 

Man darf sich Wilson deswegen aber nicht als verbitterten Mann vorstellen. Der Schotte scheint mit sich im Reinen, leistet sich während des Konzerts in Mannheim nicht die geringste Spitze gegen die Ex-Kollegen. Stattdessen lädt er zur ausgelassenen Feier des Genesis-Katalogs ein, den er querbeet durchkämmt, von der Gabriel-Zeit (etwa „The Carpet Crawlers“) bis hin in die Collins-Kommerz-Phase. Aus „Calling All Stations“ stammt der Titelsong und, fast schon ein bisschen trotzig, der Opener „Congo“.

Wilson würdigt aber auch das Solowerk der einzelnen Mitglieder, indem er etwa „Another Day in Paradise“, „In the Air Tonight“ (Phil Collins), „Another Cup Of Coffee“ (Mike + The Mechanics) oder „Sledgehammer“ (Peter Gabriel) covert. Bei letzterem Song wird dann nochmal deutlich, was man schon das ganze Konzert über fühlte: Wilson klingt manchmal doch schwer wie eine Grunge-Version von Peter Gabriel.

Besonders stark: Das eigene Werk

Besonders stark geraten an diesem Abend aber die Wilson-Songs im Programm. „Lemon Yellow Sun“ und vor allem „Take It Slow“ gehen besonders unter die Haut, Wilson, unterstützt von einer hervorragenden, gut aufgelegten Band, singt sie mit ganz viel Hingabe, mit ganz viel Leidenschaft.

Am Ende noch: Ein wildes Cover-Medley als große Zugabe, in das Wilson unter anderem „I’m On Fire“ (Bruce Springsteen), „Crazy Little Thing Called Love“ (Queen), „Blowin’ in the Wind“ und „Knockin’ On Heaven’s Door“ (beide Bob Dylan) einbaut. Überraschend kein „Land of Confusion“, das ansonsten auf dieser Tournee eigentlich ein fester Bestandteil der Tracklist und des großen Show-Finales war.

Und, und das ist eigentlich das wirklich Bedauerliche:  Kein „Inside“. Das war nämlich Wilsons einziger Nummer-eins-Hit. Der gelang ihm 1994 mit der Grunge-Rock-Band Stiltskin, es war direkt die erste Single der Band, ein Levi’s-Jeans-Werbespot machte die Nummer seinerzeit zum Hit. So einen Song weglassen zu können, ohne dass das Publikum enttäuscht nach Hause geht: muss man erst einmal schaffen. Und spricht für die Qualität der Show, die Ray Wilson da an diesem Freitagabend abgeliefert hat.

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