Sie gilt als die Königin der Power-Ballade: Bonnie Tyler. Am Sonntagabend schloss die walisische Sängerin beim Festival Jazz & Joy in Worms das Tor zu. Ihr Konzert war das würdige Finale der dreitägigen Veranstaltung.
In den 70er- und 80er-Jahren war sie das große Ding, ab den 90ern praktisch ausgestorben: die Power-Ballade. Sie zeichnete sich durch einen soften, bedächtigen Start aus, türmte sich aber gewaltig auf, bis hin zur emotionalen Eruption. Eine hochintensive Angelegenheit. Viel Pathos, viel Leidenschaft, und ja, auch ganz viel Kitsch.
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Bonnie Tyler hat sozusagen die Mutter aller Power-Balladen gesungen. Das melodramatische „Total Eclipse Of the Heart“. Der Produzent und Songwriter Jim Steinman hatte die Nummer seinerzeit geschrieben und sie seinem musikalischen Partner Meat Loaf angeboten, am Ende landete sie aber bei Bonnie Tyler, die mit dem Lied 1983 die Charts stürmte. Platz eins für Tyler in Großbritannien, den USA (als erste walisische Künstlerin überhaupt), Australien, Kanada und Norwegen. „Nur“ Platz 16 in Deutschland, aber dennoch natürlich der Song, den man hierzulande am ehesten mit der guten Bonnie verbindet. Das sah man auch in Worms ganz gut, wenn man den Smartphone-Test als Grundlage für eine solche Behauptung heranzog. Denn: Bei „Total Eclipse Of The Heart“ filmten die meisten mit, gar keine Frage.
Durch Höhen und Tiefen gegangen
Tyler, das war zum Abschluss nochmal ein großer Name für das diesjährige „Jazz & Joy“. Die Frau ist mittlerweile 71 Jahre alt, hat ja schon alle Höhen und Tiefen in dem Beruf mitgemacht. Zwischen 1978 und 1987 feierte die Britin viele Erfolge, wurde sogar für mehrere Grammys nominiert. „Total Eclipse Of The Heart“ und „It’s a Heartache“ haben sich unfassbar gut verkauft, jeweils mehr als sechs Millionen Einheiten konnten seinerzeit abgesetzt werden. Danach gab es auch mal Flauten, auch längere, die es zu überstehen galt, ebenso wie Zusammenarbeiten mit Dieter Bohlen, über die man heute gerne mal verklärt hinwegsieht. Seit den 2010er Jahren geht es aber wieder aufwärts, eine Teilnahme am Eurovision Song Contest für Großbritannien inklusive, und es erscheinen auch wieder Alben, die von der Kritik mehr geschätzt werden.
Ein paar dieser neueren Songs hat Tyler am Sonntagabend auch in Worms dabei. „Between the Earth and Stars“ ist so einer, aus der vorletzten, gleichnamigen Platte. Oder: „The Best Is Yet To Come“ und „Stronger Than A Man“ aus dem jüngsten Machwerk (2021). Ganz gefällig, es gab dafür auch höflichen Applaus in der Nibelungenstadt, aber es war auch klar: Die Festival-Besucher waren wegen anderer Nummern aus Tylers umfangreichen Katalog gekommen. Wegen „Total Eclipse Of The Heart“, klar, „It’s a Heartache“, „Holding Out For A Hero“ oder „Have You Ever Seen The Rain?“ beispielsweise. Die bekamen sie denn auch, was mit ungleich größerem Jubel quittiert wurde. Dazu: den „Turtle Blues“ von Janis Joplin und „Simply The Best“ von Tina Turner. Wobei: Während Tyler beim „Turtle Blues“ Janis Joplin coverte, war es bei „Simply The Best“ einst Tina Turner, die sich bei Bonnie Tyler bedient hat. „Hamma wieder was gelernt“, würde der frühere MTV-Moderator Markus Kavka an dieser Stelle sagen.
Immer noch gut in Form
Tyler ist derweil für ihre 71 Jahre noch ausgesprochen gut in Form. Ihre markante Stimme – übrigens die Folgeerscheinung einer Operation in jungen Jahren – röhrt immer noch rau, wenn auch nicht mehr ganz so rau wie früher. Und auch nicht ganz so durchgängig. Tyler, das fiel auf, gönnte sich hier und da mal ihre Pausen, ließ das gut aufgelegte Publikum häufiger den Gesangspart übernehmen, als es für die Konzert-Dramaturgie notwendig gewesen wäre. Aber: Sei’s drum. In dem Alter darf man das. Auf Strecke des Konzerts bestand auch kein Zweifel: Da steckt noch jede Menge Energie in der Königin der Power-Ballade.
Insgesamt kamen laut Veranstalter rund 14.500 Fans an den drei Festival-Tagen zu den 32 Konzerten auf vier Open-Air-Bühnen.
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