Wenn der amerikanische Traum langsam zum Albtraum mutiert: Mit ihrem siebten Studioalbum „Chemtrails Over The Country Club“ legt Lana Del Rey zwei Jahre nach „Norman Fucking Rockwell“ eine atmosphärisch ungeheuer dichte Platte vor, die mehr Oklahoma und Nebraska als Los Angeles in sich trägt.
Es ist gibt wohl kaum eine zeitgenössische Musikerin, die es schafft, diese Mystik des alten Hollywoods in ihre Arbeit zu verweben, und dabei trotz aller Nostalgie auch so sehr im Hier und Jetzt verankert zu sein. Dieses Kunststück gelingt Lana Del Rey, weil sie es schafft, die schillernde Oberflächlichkeit dieser Vintage-Ästhetik brüchig erscheinen zu lassen. Man genießt zwar die eskapistische Eleganz ihrer cineastischen Songs. Gleichzeitig spürt man dabei aber immer Unheil heranziehen. Die dunklen Wolken, die über die elitäre Welt der Reichen und Schönen ziehen werden. Jeden Moment droht die Utopie da zur Dystopie zu werden. Diesem kontrastreichen Muster ist die Gute seit ihrem Durchbruch treu geblieben. Und es bildet natürlich auch die Grundlage ihres nunmehr siebten Studioalbums. Der abgründige Titel „Chemtrails Over The Country Club“ ist insofern auch äußerst passend gewählt.
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Der Blick geht nach innen
Auf der neuen Platte, die Del Ray wieder mit Jack Antonoff (Lorde, Taylor Swift) produziert hat, richtet die Gute diesmal den Blick vor allem nach innen. Es ist ja ziemlich viel auf die gebürtige New Yorkerin eingeprasselt in den vergangenen Jahren. Immer wieder stand sie wegen ihrer vermeintlichen politischen Positionen in der Kritik. Unter anderem wurde ihr Anti-Feminismus vorgeworfen. Und so geht es auf dem neuen Machwerk viel um den Ruhm und seine Schattenseiten. Im Opener, der Klavierballade „White Dress“ erinnert Del Rey etwa an ihre (glücklicheren?) Tage als Kellnerin, in denen sie auch ihre ersten Schritte im Musikbiz unternahm: „Down at the men in music business conference … I only mention it ‚cause it was such a scene … And I felt seen.“ Auch stark: die wunderschöne Ballade „Let Me Love You Like A Woman“, ein Musik gewordener Mittelfinger in Richtung ihrer Kritiker, die Del Ray immer vorwerfen, ein unterwürfiges Frauenbild zu propagieren. Die Interpretation überlässt sie dem Zuhörer: Hält Del Rey hier einfach nur ein altes, verstaubtes Rollenbild aufrecht? Oder ist diese Von-euch-lasse-ich-mir-gar-nichts-sagen-Attitüde gegenüber ihren Kritikern nicht am Ende auch ein feministischer Akt?
Dass Del Rey eine großartige Songschreiberin ist, steht außer Frage. Dafür bürgen mittlerweile ja auch Granden wie Bruce Springsteen oder Joan Baez. Auch wenn es diesmal inhaltlich mehr in Richtung Arkansas, Oklahoma oder Florida geht, ist Lanas musikalische Referenz immer wieder der Sound des Laurel Canyons. Diesmal verneigt sie sich vor diesem auch durch eine spannende Coverversionen. Gemeinsam mit den Kolleginnen Zella Day und Weyes Blood versucht sie sich an Joni Mitchells Klassiker „For Free“ aus dem Jahre 1970, den auch David Crosby jahrelang im Repertoire hatte. Ein wunderbarer Abschluss eines hörenswerten, balladenreichen Albums, mit dem sich der Kreis schließt: Auch die Nummer verhandelt die Fassade des Ruhms, hinter der nur gähnende, einsame Leere herrscht.
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