Neues Altes vom Man in Black: 21 Jahre nach seinem Tod erscheint ein neues Album von Country-Ikone Johnny Cash. „Songwriter“ vereint elf Tracks aus der Feder der US-Legende. Bis auf drei – „Sing It Pretty Sue“, „Drive On“ und „Like A Soldier“ – sind alle bislang unveröffentlicht gewesen.
Er ist der König des Country: Johnny Cash. Der Aufstieg des Mannes aus Kingsland, Arkansas, mit der markanten, tiefen Stimme begann seinerzeit mehr oder weniger parallel zu dem von Elvis Presley, beide gehörten damals der legendären Mannschaft des nicht minder legendären „Sun“-Labels in Memphis an. Und: Beide hatten so mit ihren Dämonen zu kämpfen. Presley erlag seinen bereits im Jahr 1977, Cash war ein längeres Dasein vergönnt. Er segnete im Jahr 2003 das Zeitliche.
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Zum Zeitpunkt seines Todes galt Cash längst als Legende. Dabei hatte auch Cash zwischenzeitlich einen schweren, lange andauernden Karriereknick zu überstehen. In den späten Siebziger Jahren und auch in den Achtziger Jahren war er mehr oder weniger abgemeldet. Erst in den Neunziger Jahren erholte sich seine Karriere wieder. Nachdem Cash U2 bei deren Album „Zooropa“ aushalf (er steuerte Gesang zu „The Wanderer“ bei), wurde Rick Rubin auf den fast vergessenen Star aufmerksam. Gemeinsam machten sie sich an ein Projekt, das 1994 als „American Recordings“ auf den Markt kommen sollte und Cashs letzte und vielleicht wichtigste Karriere-Phase einläutete. Cash ließ Country Country sein und gab düstere, oft nur mit Akustikgitarre begleitete Interpretationen von Songs von Kollegen wie Nick Lowe, Leonard Cohen, Kris Kristofferson, Tom Waits oder Danzig zum Besten.
In der Schublade verschwundene Perlen
In der Schublade verschwanden dabei aber einige Songs, die Cash 1993 in den LSI Studios in Nashville aufgenommen hatte. Das Studio gehörte damals seiner Tochter Rosey und dem Schwiegersohn Mike Daniels. Cash hatte gerade sein Label verlassen, keine Verpflichtungen und wollte ein paar Songideen auf eigene Faust festhalten.
Rund drei Jahrzehnte später entdeckte John Carter Cash, der Sohn von Johnny und June Carter Cash, die Demoaufnahmen wieder und reduzierte sie auf ihre Essenz: Johnnys unverkennbaren Gesang, eingerahmt von seiner Gitarrenbegleitung. Um diese freigelegten Rohversionen in ihre endgültige Form zu bringen, luden der Sohn und Co-Produzent David „Fergie“ Ferguson eine Reihe von Gästen ins Studio, die schon früher mit dem Man in Black gespielt hatten – unter anderem den Gitarristen Marty Stuart, den inzwischen verstorbenen Bassisten Dave Roe oder auch den Schlagzeuger Pete Abbott. Sie trafen sich in der „Cash Cabin“ in Hendersonville, Tennessee, also genau dort, wo Johnny Cash früher schon gearbeitet hatte, um diesen Stücken neues Leben einzuhauchen. Später wurden noch weitere Gastbeiträge von Leuten wie Dan Auerbach und Vince Gill aufgenommen, um das nun vorliegende „Songwriter“-Album zu komplettieren.
Kernthemen menschlicher Erfahrungen
Die Platte umfasst nun elf Tracks, in denen es um die Kernthemen der menschlichen Erfahrung geht: um die Liebe, Familie, Trauer, Schönheit und spirituelle Erlösung, auch ums Weitermachen und Überleben – wobei gelegentlich auch die Leichtigkeit und jener Humor aufblitzen, die man ebenfalls mit der Stimme und dem Sound des Ausnahmemusikers verbindet.
Natürlich – bei Schubladenmaterial nicht weiter verwunderlich – sind nicht alle Songs der große Wurf und können den Vergleich mit dem beeindruckenden Backkatalog von Johnny Cash nicht standhalten. Aber die Platte hat durchaus ihre Perlen zu bieten: den flehenden Opener „Hello Out There“ etwa, ein cry for help für Mutter Erde, von Cash sozusagen musikalisch ins Weltall abgesetzt. Passt auch heute gut in die Zeit. Auch das bluesige „Spotlight“, das witzige „Well Alright“, das von einer Begegnung mit einer Frau in einem Waschsalon erzählt, und „Poor Valley Girl“, ein an June gerichtetes Liebeslied, bleiben haften. Songs wie die Country-Ballade „I Love You Tonite“ beweisen den typischen Cash-Humor. Nur das patriotische „Soldier Boy“ ist wohl auch völlig zu Recht in der Schublade verstaubt.
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