Es ist schon sage und schreibe 30 Jahre her, dass U2 ihr mutigstes Album herausgebracht haben: „Zooropa“, der achte Longplayer der irischen Rock-Legenden, erschien am 6. Juli 1993. Die Aufnahmen sollen nur sechs Wochen gedauert haben. Zur Feier des runden Geburtstags ist nun eine neue Vinyl-Edition erschienen.
U2 waren wieder auf dem aufsteigenden Ast. Wurde „Rattle and Hum“ (1988) noch eher kritisch beäugt, war „Achtung Baby“ (1991) eine Neuerfindung von Bono und seiner Truppe. Ihr Mix aus Alternative Rock, Industrial und EDM ließ U2 plötzlich wieder frisch und modern wirken. Die Platte gehört zu den erfolgreichsten U2-Alben überhaupt, landete sogar auf Platz eins der US Billboard-Charts (in Deutschland war es „nur“ Rang vier). Auch die anschließende „Zoo TV“-Tour, ein wahres Multimedia-Spektakel, war ein großer Erfolg.
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In einer Pause der „Zoo TV“-Tour im Februar 1993 begannen U2, schon wieder neue Songs zu schreiben. Bono sagte später, dass man so aufgekratzt von dem ganzen Tour-Zinnober war, dass man dieses Gefühl unbedingt auf einen Tonträger bannen wollte. Die Idee war daher, eine EP zu veröffentlichen. Mit der könnte man auch den nächsten Tourabschnitt, der schon im Mai beginnen sollte, anständig bewerben. Da es der Band aber gelang, jede Menge Material zusammenzutragen, das zum Teil auch noch aus den „Achtung Baby“-Sessions stammte, entschied sie sich, statt einer EP doch lieber ein reguläres Album aufzunehmen. Viel Zeit blieb dafür aber nicht. Und so kam es wie es kommen musste: U2 wurden nicht so schnell fertig wie gewünscht. Die Gruppe musste also im Mai des Jahres immer wieder nach Dublin pendeln. Ein anstrengendes Unterfangen, keine Frage.
Zur Hand gingen die beiden Produzenten Brian Eno und Mark „Flood“ Ellis, die U2 auch schon beim Vorgänger-Album zur Seite standen. Daniel Lanois war diesmal nicht verfügbar, weil er ein eigenes Album am Start hatte. Gemeinsam bewältigte man die immense Herausforderung, binnen Rekordzeit einen neuen Longplayer aufzunehmen.
U2 und ihre mutigste Platte
Die Mühe des Experiments hatte sich am Ende inhaltlich gelohnt. Mit „Zooropa“ gelang der Band ihre mutigste Platte, da sich ihr Sound doch sehr von den Wurzeln der Gruppe unterschied. U2 klangen ziemlich europäisch, nutzten überraschend viele Synthesizer, Loops und abenteuerliche Sound-Effekte. Die Welt stand nach dem Kalten Krieg an der Schwelle eines neuen politischen und technologischen Zeitalters. Mit „Zooropa“ griffen U2 diese Stimmung auf. Die Platte ist so schrill wie die Phase, in der sie entstanden ist.
Ein Highlight: das überaus tanzbare „Lemon“ mit seinen Disco-Elementen, das Frontmann Bono für seine verstorbene Mutter geschrieben hatte. Sie trug oft ein lemonengelbes Kleid, eine Erinnerung, die ihm im Gedächtnis blieb und ihn zum Text von „Lemon“ inspirierte.
Nicht der einzige starke Song der eher radiounfreundlichen Platte. Das verspielte Titelstück, in dem auch ein paar Fetzen Deutsch zu hören sind, verneigt sich gekonnt vor David Bowie. „Babyface“, dem Supermodel Christy Turlington gewidmet, ist ein wunderbares Liebeslied. Das dystopische „Numb“, das The Edge und Bono gemeinsam vortragen, und „Daddy’s Gonna Pay For Your Crashed Car“ (ein Lied über Heroin) überzeugen durch ihren Industrial-Anstrich. Und am Ende singt Johnny Cash „The Wanderer“ – was für eine Überraschung. Zumal die allgemeine Wiederentdeckung der Country-Legende da noch bevorstand.
Stiefmütterlich behandelt
Es gibt auf der überaus radikalen Platte nur zwei Songs, die typisch U2 sind: die Ballade „The First Time“ und das Berlin atmende „Stay (Faraway, So Close!)“. Letzterer ist wenig überraschend der einzige Song, den die Gruppe bei Konzerten dann und wann mit auf die Setlist nahm. Ansonsten werden die Songs dieses eigentlich doch erinnerungswürdigen Albums stiefmütterlich behandelt.
Immerhin: eine 30th Anniversary Version von “Zooropa”, wenn auch ohne das ganz große Tamtam, gibt es dann doch. Diese ist mit den original Albumtracks in der Remaster-Version bestückt und enthält exklusives Bonusmaterial wie zusätzliche Mixe und tolle Fotos von U2. Das Ganze ist auf zwei gelb-transparenten LPs erschienen.
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