Es war eine der aufsehenerregendsten Trennungen der Pop-Geschichte: 1993 lösten sich Shakespear’s Sister bei einer Award Show auf – kurz nachdem sie die Charts mit ihrem Überhit „Stay“ gestürmt hatten. Danach: böses Blut, Funkstille – für 25 Jahre. Nun meldet sich das britische Duo aber zurück. Benjamin Fiege hat mit ihnen gesprochen.
26 Jahre ist eure Trennung nun schon her; 26 Jahre, in denen ihr nicht miteinander gesprochen habt. Wie kam es jetzt zur Versöhnung? Was war der Auslöser?
anzeige
Siobhan Fahey: Wir haben gemeinsam einen Kaffee getrunken.
Marcella Detroit: Ich hatte tatsächlich über die Jahre immer mal wieder versucht, mit Siobhan Kontakt aufzunehmen, aber sie hat das immer wieder abgeblockt.
Siobhan Fahey: Ich bin einer Konfrontation aus dem Weg gegangen, war da einfach zu feige. Ich hasse Konfrontationen.
Marcella Detroit: Die Zeit war offenbar erst jetzt reif dafür. Wir sind jetzt auch älter geworden, und da will man nicht mehr diesen emotionalen Ballast mit sich herumschleppen. Diesen ganzen Schmerz. Wofür?
Seid Ihr denn vor dem Treffen nervös gewesen?
Siobhan Fahey: Ja, auf jeden Fall. Ich war sehr nervös. Ich wusste ja nicht, was mich erwarten würde. Das hätte ja in einer hässlichen Szene enden oder verletzend werden können. Es war dann aber schon bei der Begrüßung sehr emotional, als wir uns umarmt hatten. Viel emotionaler, als ich es mir vorher ausgemalt hatte. Das Treffen hat uns auf jeden Fall sehr gut getan. Wir haben viele Missverständnisse aus dem Weg räumen können. Die Perspektive des anderen kennengelernt. Früher haben wir darüber nicht geredet, was auch an mir lag und meiner Art, mit Problemen umzugehen. Ich habe sie gern unter den Teppich gekehrt. Jetzt ist da jede Menge Verständnis, Vergebung und Positivität.
Hattet Ihr bei dem Treffen schon im Hinterkopf, dass so eine Versöhnung dann auch zwangsläufig zu einer erneuten Zusammenarbeit führen könnte?
Marcella Detroit: Das spielte beim ersten Treffen tatsächlich noch keine Rolle. Wir hatten dann später im Jahr ein gemeinsames Mittagessen in London. Erst da kam dann so langsam die Idee auf, wieder gemeinsam etwas zu machen.
Ihr habt mal in einem Interview gesagt, dass kein digitaler Dating-Service der Welt euch beide einander vermitteln würde. Ist das nicht eigentlich das Erfolgsgeheimnis großer Songwriter-Duos?
Siobhan Fahey: Ach, das war doch nur ein Scherz. Tatsächlich sind wir uns wahrscheinlich in vielen Dingen doch sehr ähnlich.
Euer erster gemeinsamer Auftritt nach Eurem Comeback fand bei der britischen Graham Norton Show statt – gleich eine ziemlich große Bühne im britischen Fernsehen. Wie war das für euch?
Marcella Detroit: Ich war tatsächlich sehr nervös, hatte sogar etwas gezittert. Gerade zu Beginn. Das war schon ein ziemlich überwältigender Moment für mich. Aber es hat sich auch gut angefühlt.
„Stay“ und das große Zerwürfnis
Ihr habt euch entschlossen, dort euren größten Hit „Stay“ zu spielen – und nicht etwa den neuen Song „All The Queen’s Horses“.
Siobhan Fahey: Das war die Idee des Senders, nicht unsere. Ich kann die Intention dahinter aber schon nachvollziehen. Es war eben unser großer Hit und brachte vielleicht den einen oder anderen dazu, sich an uns zu erinnern.
Stimmt es, dass „Stay“ letztlich dafür verantwortlich war, dass es zwischen Euch zum großen Zerwürfnis kam? Oder gab es schon vorher Spannungen?
Siobhan Fahey: Es gab schon vorher Spannungen. Aber das liegt jetzt in der Vergangenheit, das müssen wir nicht aufwärmen. Wir haben damit abgeschlossen.
Wie steht Ihr heute zu dem Song?
Marcella Detroit: Wir sind stolz. Er bedeutet vielen Menschen auch nach all den Jahren noch so viel. Das ist eine schöne Sache.
Nun erscheint bald mit „Singles Party“ eure Comeback-Platte – ein Best Of, für das Ihr euch neues Material aufgenommen habt. Darunter eben „All The Queen’s Horses“. Die Nummer hat einen gewissen Americana-Vibe. War das eure Vision für den neuen Shakespears-Sister-Sound? Wird es jetzt weiter in diese Richtung gehen?
Siobhan Fahey: Ich lebe ja seit 2012 in Kalifornien, das hat mich natürlich in dieser Hinsicht sehr beeinflusst. Das kommt da ganz organisch. In den vergangenen Jahren habe ich viel Lee Hazlewood gehört, aber auch Ennio Morricone, John Barry oder Serge Gainsbourg. Mir war die ganze Zeit klar, dass ich gerne Material in dieser Richtung aufnehmen will. Und Marcy hat ja ohnehin diese Blues-Rock-Vergangenheit. Americana wird also auf jeden Fall einer der Haupteinflüsse sein.
Wie lief denn das Songwriting ab?
Siobhan Fahey: „All The Queen’s Horses“ war tatsächlich der erste Song, den wir nach all den Jahren zusammen geschrieben haben. Und es hat sich im Grunde so angefühlt wie damals. Wir hatten zwar damals unsere Differenzen, aber auch da ging uns das gemeinsame Songschreiben immer leicht von der Hand. Obwohl wir ja aus unterschiedlichen Ecken kommen.
Marcella Detroit: Wir haben diesmal gleich wieder diese Magie gespürt …
Siobhan Fahey: Es macht wirklich großen Spaß. Die Songs sprudeln derzeit geradezu. In diesem Jahr wollen wir auf jeden Fall noch eine 5-Track-EP veröffentlichen.
Shakespear’s Sister planen neue EP
Gibt es denn da schon einen genauen Termin?
Siobhan Fahey: Es gibt noch keinen festen Termin. Aber ich denke, dass sie spätestens zur Tour erschienen sein wird.
Und wie sieht es mit einem neuen Album aus?
Marcella Detroit: Wir gehen das Ganze erst einmal Schritt für Schritt an, schauen, wie das jetzt läuft. Erst mal gehen wir ja jetzt auf Tournee.
Die führt Euch im November durchs Vereinigte Königreich. Sind denn auch Auftritte in Deutschland geplant?
Siobhan Fahey: Wir starten an Halloween. Das passt doch gut, oder? Auftritte in Deutschland haben wir bisher noch nicht geplant, aber wir würden das unglaublich gerne machen. Wenn uns also jemand buchen will …
anzeige