OMD (foto: Ed Miles)

Interview: Paul Humphreys (OMD) über Bauhaus, Freundschaft und Google Translate

Mit ihrem 14. Studioalbum „Bauhaus Staircase“ im Gepäck machen sich Orchestral Manoeuvres in the Dark (OMD) dieser Tage auf nach Deutschland. Vor dem Tourauftakt sprach Benjamin Fiege mit OMD-Mitglied Paul Humphreys über Politik, die Beziehung des Duos zu Deutschland und die Tücken des Google Übersetzers.

OMD – Bauhaus Staircase Tour 2024

29.01.24                       Jena – Sparkassen Arena
30.01.24                       Offenbach – Stadthalle
01.02.24                       Düsseldorf – Mitsubishi Electric Halle
02.02.24                       Hamburg – Sporthalle
03.02.24                       Chemnitz – Stadhalle
11.02.24                       Leipzig – Haus Auensee
12.02.24                       Berlin – Tempodrom

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Paul, Ihr seid ab Dienstag mit Euerm Album „Bauhaus Staircase“ auf Deutschland-Tour. Ist es wirklich euer letztes Album, wie ja zuletzt immer wieder geteast wurde?

Es ist gut möglich. In der Regel veröffentlichen wir alle fünf Jahre ein neues Album und wir sind ja nun schon in unseren Sechzigern. Es ist kaum vorstellbar, dass wir auch noch in unseren Siebzigern in einem Studio sitzen. Allerdings hatten wir auch schon gedacht, dass „The Punishment Of Luxury“ (2017) unser letztes Album sein würde. Dann kamen die Lockdowns und wir hatten Langeweile, Andy vielleicht ein wenig mehr als ich (Paul Humphreys wurde in dieser Zeit erneut Vater, Anm. d. Red.). Das hat viel kreative Energie freigesetzt. Ohne Corona hätte es „Bauhaus Staircase“ nicht gegeben. Aber auch wenn es das letzte Album sein sollte: OMD wird es weiterhin geben.

Ihr seid ja immer auch eine politische Band gewesen. In der gegenwärtigen politischen Landschaft dürfte euch das Material zumindest nicht ausgehen.

Nein, daran würde es tatsächlich nicht scheitern. In den vergangenen Jahren ist doch viel los, angefangen beim Brexit über den Klimawandel, Trump, bei dem ich große Sorge habe, dass er es wieder ins Amt schafft, bis hin zu den Kriegen in der Ukraine oder in Israel. Da gäbe es viel, was man sich von der Seele schreiben möchte.

Schockiert es Sie da, wie aktuell ein Song wie “Enola Gay” (1980) plötzlich wieder ist?

Ja, schon. „Enola Gay“ ist ein Anti-Kriegslied, das sich mit dem Atombombenwurf auf Hiroshima beschäftigt. Als das Lied 1980 erschien, waren wir im Kalten Krieg. Es ist natürlich schade, dass wir jetzt 40 Jahre später wieder Angst vor einem nuklearen Krieg haben müssen. Dass ein Vladimir Putin vielleicht mit der Atombombe den Krieg in der Ukraine beendet. Schrecklich.

In der BBC landete er damals auf dem Index.

Ja, es gab dort damals die Samstagmorgensendung „Swap Shop“, die sich an Kinder richtete. Bei der BBC misinterpretierte man „Enola Gay“ wegen des Wortes „Gay“ als eine Homosexuellen-Hymne. Dabei handelte es sich bei „Enola Gay“ um einen amerikanischen Bomber.

Die Kraft der Kunst

Ihr neues Album zeichnet ja ein sehr dystopisches Bild der Menschheit im Allgemeinen und der politischen Elite im Speziellen. Entspricht das Ihrem Blick aufs Leben?

Es gibt wirklich ein paar düstere Songs auf dem Album, vor allem „Anthropocene“ oder „Kleptocracy“. Tatsächlich sind wir aber eher positive Typen und nicht ganz so pessimistisch, wie es die Songs vielleicht vermuten lassen würden.

Woher kommt die Faszination für Bauhaus?

Kunst ist wichtig für Körper, Geist und Seele. Bauhaus steht metaphorisch für die Kraft der Kunst. Totalitäre Regime haben Angst vor dieser Kraft, weil sie sie nicht kontrollieren können. Die Nazis haben das Bauhaus daher verboten, eine große Schande. Der Albumtitel bezieht sich auf Oskar Schlemmers Gemälde „Bauhaustreppe“, das 1932 aus Protest gegen die Schließung entstand.

Ihr verweist ja immer wieder in Eurer Musik und dem Artwork auf Deutschland. Habt Ihr eine spezielle Verbindung hierher?

Vor allem deutsche Musik hat uns maßgeblich beeinflusst. Ohne Kraftwerk gäbe es heute OMD sicherlich nicht. Das war Musik, die anders klang als alles, was wir bis dahin kannten. Das war die Zukunft. Danach war für uns alles anders. Wir haben aber auch Neu! oder La Dusseldorf gehört.

Ihr habt bei den Aufnahmen auch KI verwendet …

Beim Schreiben der Musik, im kreativen Prozess kam keine KI zum Einsatz. Allerdings gibt es ein paar erzählerische Passagen, bei denen wir Stimmen brauchten, die nicht nach uns klangen. Da haben wir ein Text-to-Speech-Programm eingesetzt.

Für „Evolution of Species“ kam “Google Translate” zum Einsatz. Wie nervös seid ihr, was die Ergebnisse angeht?

Oh, sehr. Man hört in dem Song mehrere Sprachen. Wir haben die Ergebnisse aber an Freunde und Bekannte geschickt, die die betreffenden Sprachen beherrschen und nochmal drüber geschaut haben. Ich kann aber nicht dafür garantieren, dass uns da kein Fehler unterlaufen ist … (lacht)

KI: Möglichkeiten und Sorgen

In Deutschland überwiegt derzeit die Skepsis, wenn es um KI und Kunst geht.

Das kann ich nachvollziehen, ein heikles Thema. Man muss auf der Hut sein, aber man darf sich auch nicht in der Angst vor neuer Technologie verlieren. Man wird mit ihr umgehen müssen, sie ist nun einmal da. Und eröffnet ja auch Möglichkeiten.

Wird KI die Art und Weise verändern, wie wie Kunst in Zukunft wahrnehmen?

Es wird für Künstler sicher nicht einfacher, weil künftig hinterfragt werden wird, ob man tatsächlich alles selbst gemacht hat. Aber das viel größere Problem von KI liegt in der Möglichkeit der Täuschung, der Manipulation, das wird gerade im politisch-gesellschaftlichen Bereich sehr schwierig werden.

Nachdem der Vorgänger „The Punishment of Luxury“ so erfolgreich war. Habt ihr bei den Aufnahmen zu “Bauhaus Staircase” mehr Druck verspürt?

Auf jeden Fall. Das Album erhielt unglaublich gute Kritiken, auch bei unseren eingefleischten Fans, die es in eine Reihe mit unseren früheren Werken stellten. Das hat uns selbst überrascht, denn die Leute haben normalerweise keine Hemmungen, einem zu sagen, wenn sie etwas nicht gut finden. (lacht). Daher wäre es eigentlich ein perfektes letztes Album gewesen. Nach einer so langen Karriere will man schließlich nicht mit einem Scheiß-Album den Schlusspunkt setzen. Als wir dann doch anfingen, an „Bauhaus Staircase“ zu arbeiten, haben wir daher lange niemandem etwas davon erzählt, um uns keinen zusätzlichen Druck aufzuladen. Es war sowieso eine spannende Sache, da wir erstmals nicht gemeinsam im Studio an einem Album arbeiteten, sondern – wegen des Lockdowns – über die Distanz, indem wir uns ständig Dateien hin und her schickten.

OMD und die Postmoderne

Sie sprechen es gerade an: OMD existieren seit rund 45 Jahren, Sie haben am Anfang Euer Büro in eurer Telefonzelle gehabt und geltet heute als Legenden des Synthie-Pop.

Das ist schon verrückt. Ursprünglich war die Idee ja nur, ein Konzert zusammen zu geben, es gab da so einen Club in Liverpool, in dem Newcomer auftreten konnten. Das war das einzige Ziel. Hätte man das uns damals gesagt, hätte uns das wahrscheinlich erschrocken. Dass man in unserem Alter noch Musik macht, hätten wir damals wohl für eine Horrorvorstellung gehalten. Heute geht das, wir leben im postmodernen Zeitalter, da spielt das Alter keine Rolle mehr.

Am Anfang haben ja nichtmal Freunde und Familie Eure Musik gemocht. Wo lag Eure Motivation damals, weiterzumachen?

Damals war eben Rockmusik angesagt und mit unserer experimentellen elektronischen Musik stießen wir zuerst auf wenig Gegenliebe. Wer keine Gitarre dabei hatte, wurde nicht ernst genommen. Für die Leute war das damals keine richtige Musik. Wir haben damals einfach gemacht, was wir wollten, hatten aber keine Motivation, keinen übergeordneten Plan. Ein Scheitern haben wir auch immer eingepreist.

Es gab ja in Eurer Historie auch Auf und Abs, inklusive einer zwischenzeitlichen Trennung. Wie Ist Euer Verhältnis heute?

Wir haben eine tolle Chemie, kennen uns ja schon seit Kindheitstagen und machen seit Teenager-Zeiten zusammen Musik. Unsere zwischenzeitliche Trennung passierte ja auch nicht aufgrund zwischenmenschlichen Problemen. Es war einfach eine schwierige Zeit damals, der Erfolg blieb irgendwann aus. Wir hatten – anders als zum Beispiel Depeche Mode, die 50 Prozent ihrer Einnahmen mit nach Hause nehmen konnten – auch keinen guten Plattendeal in den 1980ern, hatten, als wir 17 waren, einen idiotischen Vertrag über sieben Alben bei Dindisc unterschrieben. Wir mussten alles selbst bezahlen, die Aufnahmen, das Studio, das Touren, die Crew. Am Ende war das alles nicht mehr wirtschaftlich, wir hatten sogar Schulden. Ironischerweise begannen wir, erst nach unserer Trennung wirklich Geld zu verdienen. Auch weil wir dann in den 1990ern unsere alte Plattenfirma verklagt hatten.

Was können die Fans von Euren Deutschland-Konzerten erwarten?

Es wird eine Mischung aus unseren größten Hits und neuem Material werden, wir haben aus „Bauhaus Staircase“ Songs ausgewählt, von denen wir überzeugt sind, dass sie live sehr gut funktionieren. Aber wir wissen, dass die Leute auch unsere großen Hits hören möchten und uns machen sie auch immer noch Spaß. Ich kann versprechen: Es wird eine tolle, energiegeladene Show.

Gibt es denn Songs, die ihr heute nicht mehr so gern spielt, weil Ihr ihnen entwachsen seid?

Es gibt tatsächlich keinen Song, der uns heute wirklich peinlich wäre oder der sich in unserem Alter nicht mehr performen ließe. Gut, „Red Frame/White Light“, jener Song über die vorhin erwähnte Telefonzelle, ist vielleicht ein bisschen cheesy, zugegeben. Ansonsten spielen wir die alten Sache gern, unsere Debütsingle „Electricity“ ist zum Beispiel immer dabei.

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