Die große Hildegard Knef wäre am 28. Dezember 2025 100 Jahre alt geworden. Anlass genug, die 2002 verstorbene Ausnahmekünstlerin in diesem Jahr noch einmal besonders zu würdigen. So erscheint nicht nur ein Film über Knef, sondern auch eine musikalische Karriere-Retrospektive: „Musik aus einem Leben“.
Sie war eine Ikone der Nachkriegszeit: Hildegard Knef. Mehr als eine Sängerin, mehr als eine Schauspielerin, mehr als eine Autorin. Knef verkörperte die Kunst in all ihren Facetten – sie war unbestritten die Grande Dame des deutschen Chansons und Films, und das über Jahrzehnte. Der Durchbruch gelang ihr mit dem damals skandalumwitterten Film „Die Sünderin“ (1950), den sieben Millionen Bundesbürger sahen. Allerdings war der Tabubruch (einerseits thematisch, andererseits aber auch wegen einer Nacktszene) so groß, dass Knef, um dem Shitstorm hierzulande zu entkommen, zwischenzeitlich in die USA ausweichen musste. Eine Rückkehr nach Hollywood, weil es nicht anders ging. Auch der Broadway rief.
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Als Knef Ende der 1950er Jahre nach Deutschland zurückkehrte, wandte sie sich mehr und mehr der Musik zu. Ab den 1960er Jahren erschienen eine ganze Reihe wunderbarer Schallplatten, „Knef“ (1970) war die vielleicht beste. Sah auch die Künstlerin so, wie später zu Protokoll gab. Immerhin fünf der elf Songs der Platte, die sich zwischen Chanson, zeitgenössischem Pop, Folk, Jazz und Beat bewegen, haben es nun auf diese Werkschau geschafft, die versucht, das umfangreiche musikalische Vermächtnis der Knef in all seinen Nuancen einzufangen.
Cole Porter bestärkt Knef
Ihre vielen Facetten als Chansonnière, Lyrikerin und Kämpferin werden deutlich: die selbstbewusste Erzählerin („Eins und eins macht zwei“), die melancholische Beobachterin („Ich bin zu müde, um schlafen zu gehen“), die Großstadtpoetin („In dieser Stadt“) oder die unerschütterliche Kämpferin („Nein, ich gebe niemals auf“). Neben legendären Liedern wie „Für mich soll’s rote Rosen regnen“ finden sich tiefgründige und selten gewürdigte Werke wie „Ich gebe alles auf“ oder „Wenn’s dem Esel zu gut geht“. Knefs Affinität zu Jazz und internationalen Klängen wird mit Titeln wie „Love for Sale“ und „Fever“ zelebriert. Den würdigen Abschluss bildet „Zum Schluss…“, ein musikalischer Epilog, der ihrem Lebenswerk eine letzte, berührende Note verleiht.
Was wäre der Welt verborgen geblieben, hätte der amerikanische Komponist Cole Porter Knef nicht seinerzeit dazu überredet, in dem Film „Schnee am Kilimandscharo“ zwei Lieder von ihm zu singen. Die wurden zwar rausgeschnitten, Porter hatte in der an sich in Sachen Gesangstalent zweifelnden Knef aber das Interesse am Singen geweckt. Ella Fitzgerald sagte später einmal über sie, Hildegard Knef sei die beste Sängerin ohne Stimme.
Die Werkschau erscheint übrigens nur wenige Tage vor dem Kinostart von „Ich will alles. Hildegard Knef“ am 3. April 2025. Der Dokumentarfilm (Regie: Luzia Schmid) zeichnet das Bild einer Ausnahmekünstlerin und Grenzgängerin, die sich immer wieder neu erfand. Genau dieses Spannungsfeld bildet auch die Compilation ab. Beide Werke zusammen erzählen die Geschichte einer Frau, die in ihren Liedern, ihren Texten und ihrer unnachahmlichen Art weiterlebt.
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