Nach acht Jahren meldet sich Amanda Bergman mit ihrem lang erwarteten zweiten Album zurück. „Your Hand Forever Checking On My Fever“ heißt das gute Stück und ist soeben via CowCow / Redeye erschienen.
Es war still geworden um Amanda Bergman. Und das hat viele überrascht. Denn die Karriere der Schwedin startete durchaus vielversprechend. Ende der Nullerjahre lud die Gute ihre Tracks auf MySpace hoch, durfte dann mit Künstlern wie Bon Iver oder The National auf Tour gehen – und ihr Debütalbum „Docks“ (2016) wurde von der Kritik gefeiert. Dann aber verschwand Bergman wieder vom Radar. In der Juni-Ausgabe des deutschen „Rolling Stone“ erzählt sie, dass sie nach dem Release ihres Erstlings an gesundheitlichen Problemen litt, mit ihrem Partner Petter Winnberg aufs Land hinauszog, einen Bauernhof kaufte, dort nachhaltige und ethische Landwirtschaft betreibt, ihren Vater an Lungenkrebs verlor – und drei Jahre lang schwanger gewesen sei. Mittlerweile sei sie Mutter eines Sohns (5) und einer Tochter (6). Es war also viel los. Sie bereue nichts, erzählt sie dem Magazin aber. Der Karriere-Zug sei ihr nicht vor der Nase weggefahren, sie sei einfach ausgestiegen.
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Bergman entschied sich für ein selbstbestimmtes Leben, ein Leben, in dem Musik nur noch eine Randnotiz und nicht mehr Kerninhalt ist. Sie hat sich auf dem Bauernhof ein eigenes Studio eingerichtet, hat ihr eigenes Label gegründet und macht, was sie für richtig hält. Und das kann wie jetzt im Fall von „Your Hand Forever Checking On My Fever“ eben auch mal ein neues Album sein.
Die von ihrem Partner Petter abgemischte Platte enthält eine bemerkenswerte Bandbreite all dessen, was das Leben einem Menschen zumuten kann. Heruntergebrochen auf einladende, zugängliche Miniaturen. Gemalt in üppigen, orchestralen Pinselstrichen, die sich wie die Weiten von Amandas Zuhause auf dem Bauernhof ausbreiten, oder die Details der Lektionen, die man im Laufe seiner Karriere als Musiker, Umweltaktivist, Landwirt und Mutter gelernt hat, in den Fokus rücken. Der Geist der späten Siebziger und Achtziger Jahre umweht dabei die Folk-poppige Platte, dann und wann werden Erinnerungen an Stevie Nicks wach.
Das sind die Highlights
Zu den Glanzlichtern gehört dabei etwa das vorab als Single veröffentlichte „My Hands In The Water“, das dem verstorbenen Vater ein Denkmal setzt. Es geht um Trauer, um Ruhe, aber auch um Akzeptanz. Trotz des harten Themas lässt Amandas luftig-leichte Stimme Licht durch die dunklen Wolken brechen. Bergman: „Trauer ist etwas sehr Ursprüngliches. Es ist, als würde man von einer Macht befallen, die einen entweder auffrisst oder führt, je nachdem, wie man mit ihr umgeht. Es geht darum, die Tatsache zu akzeptieren, dass Menschen, die man liebt, sterben werden. Wir werden dazu verleitet, uns sehr weit vom Tod zu entfernen, wenn er nicht akut in unserem Blickfeld und auf unserem Zeitplan steht. Das kann sehr einschränkend sein. Es ist schön, jemanden für selbstverständlich zu halten, aber Beziehungen, die eine Gelassenheit gegenüber der Tatsache haben, dass sie nicht ewig dauern werden, lassen einen wahrscheinlich zu einem besseren Menschen werden.“
Auch der Opener „Wild Geese, Wild Love“ ist eine gelungene Hommage an den verstorbenen Vater, genauer: an die bedingungslose Liebe zwischen Vater und Tochter. „Nach und nach entwickelte sich der Text zu einem Lied über den Versuch, die Tage oder Momente zu beschreiben, bevor ein wirklich kranker Mensch stirbt. Sie sind da, aber sie bewegen sich irgendwie zwischen der Realität und etwas anderem hin und her. Fast immer berichten die Menschen unter diesen Umständen von fast magischen Situationen, die sich einstellen. Wie plötzliche Momente der Klarheit, der tiefen Liebe, der Dankbarkeit, des Humors, der Vergebung. Wenn man jemandem nahe ist, der sich dem Ende seines Lebens nähert, schält man mit Sicherheit ein paar Schichten ab“, so Bergman über den unter die Haut gehenden Song.
Entfremdung vom Partner
Die Herzschmerzssong-Piano-Ballade „Poor Symmetry“ bleibt ebenfalls haften. Das Lied sei in einer Zeit geschrieben worden, in der viele ihrer engeren Freunde große Trennungen durchmachten, so Bergman. Es sei faszinierend, wie wir in unserer westlich geprägten Kultur so viel Energie darauf verwenden, uns an einen einzigen Partner zu binden, wobei wir meist versuchten, die unmögliche Kunst zu meistern, die gesamte Palette der Bedürfnisse und Wünsche einer anderen Person zu erfüllen und gleichzeitig zu versuchen, ganz bei sich selbst zu bleiben und sich treu zu bleiben. Die Künstlerin: „Fast immer wird eine Person ihrem früheren Partner völlig fremd. Manche haben mehr als andere die Fähigkeit/Schwäche, sehr schnell weiterzuziehen, und manchmal sieht das nach außen hin ganz schrecklich aus – es ist wie Betrug in einem Spiel. Und man kann sich nicht entscheiden, ob das etwas sehr Lebensbejahendes ist oder einfach nur moralischer Verfall.“
Auch das meditative „Offset Island“ oder „I Love Him Til I Love Him Right“ sind ganz großes Kino.
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