Tori Amos neues Studioalbum „Native Invader“ – ihr erstes für Decca Records und ihr insgesamt 15. in ihrer nun schon 25 Jahre umspannenden Karriere – sollte eigentlich ganz anders werden. Aber meistens kommt es eben anders, als man es sich ausmalt …
Amos zog es in den Vorbereitungen zum Album in die Smoky Mountains, hier wollte die Mittfünfzigerin Verbindung aufnehmen zu den Wurzeln ihrer Mutter Maryellen, sich Inspiration holen. Tat sie auch. Dann jedoch wurde Amos in ihren Grundfesten erschüttert. Erst die Wahl Donald Trumps zum US-Präsidenten. Und dann erlitt ihre Mutter zu allem Überfluss auch noch einen Schlaganfall (den sie in der gefühlvollen Piano-Ballade „Mary’s Eyes“ verarbeiten sollte). Und so mischten sich jede Menge Sorgen in die magische Suppe, die Amos hier gerade im Begriff war anzurühren.
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„Native Invader“ ist also ganz anders geworden als gedacht. Nicht nur einfach persönlich, sondern auch politisch. Ein Album, das von seinem Hörer Haltung abverlangt. Trump geht es Songs wie dem düsteren, funkigen und grandiosen „Broken Arrow“ oder auch „Up the Creek“ an den Kragen. Gerade „Broken Arrow“ ist ein musikalischer Mittelfinger Richtung Washington. „Lady Liberty? Have we lost her“, fragt Amos da zunächst klagend, um dann hinterher zu schieben: „No, I’m not letting go / I‘ won’t be silenced or frozen out / by those who must account / in our Senate or in the House / We the people / dear judges / will be watching over you“.
Bittersüßer Protest
Natürlich ist Amos dabei nicht immer plakativ, sondern zumeist eher metaphorisch-subtil unterwegs. Auf geradezu poetische Art und Weise vermittelt sie ihre Botschaften, spricht Themen wie Krieg („Breakaway“), Hassliebe („Chocolate Song“) und Klimawandel („Up the Creek“) an. Und immer so, dass man sich ihrem musikalischen Protest anschließen möchte.
Der Sound dazu? Vornehmlich bittersüß. Einen der stärksten Songs offeriert die Gute gleich zu Anfang. Der Opener „Reindeer King“ flirtet mit dem Fantasy-Genre, trägt aber eine universelle Botschaft von Trauer und Erlösung in sich. Ein siebenminütiges Meisterwerk, das mehrfach die Stimmung wechselt und nicht nur mit Amos‘ wunderbarem Gesang, sondern auch den klischeelos eingesetzten Streichern, Ambient-Klängen und Klavierläufen überzeugt. Berührend. Die Nummer gehört – wie das ebenfalls als Single veröffentlichte – „Cloud Riders“ zu den typischsten Amos-Nummern auf dem abwechslungsreich geratenen Longplayer.
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