Der Tiger will es nochmal wissen: Im zarten Alter von 80 Jahren haut der legendäre Tom Jones ein neues Album raus. Es ist das 42., by the way, und mal wieder eine Cover-Platte. Auf „Surrounded By Time“ widmet sich der Waliser seinen alten Helden.
Keine Frage: Tom Jones ist so etwas wie der britische Elvis. Ein geborener Performer, gesegnet mit einer herausragenden, unverwechselbaren Stimme. Ein Showman mit Sex-Appeal. Und ebenso wie Elvis vor allem ein Interpret, einer, der das Material anderer mit seiner magischen Stimme vergolden kann. Das weiß Tom Jones, der sich auf diesem neuen Album denn auch Interpretationen von Songs musikalischer Größen wie Bob Dylan, Bobby Cole, Cat Stevens oder den Waterboys widmet. Er selbst würde gerne das lyrische Talent besitzen, das die von ihm interpretierten Künstler aufweisen, so Jones in einem Statement: „Ich habe schon mit anderen Leuten geschrieben, bin aber kein richtiger Songwriter. Ich brauche Material, wie ich es auch gerne selbst verfassen würde. Wie ‚Windmills Of Your Mind‘, das von Michel Legrand stammt. Ein fantastisches Stück, gerade der Text ist wirklich stark. Insofern: Wenn ich schreiben könnte, dann so. Aber ich kann es nicht, also lasse ich die Finger davon.“ Mit 80 Jahren kennt der Mann seine Stärken und Schwächen.
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Und auf „Surrounded By Time“ zeigt sich der Gute von seiner stärksten Seite. Die Stimme wirkt auch mit fast 81 noch ungeheuer kraftvoll, man kann den Zusatz „für das Alter“ fast streichen. Wieder stand ihm Ethan Johns als Produzent zur Seite, auch Mark Woodward mischte hier mit – und gemeinsam kuratierte man eine für Jones passende Tracklist. Klar, dass Jones den meisten Songs eine Grandezza verleiht, die diese in der ursprünglichen Version nicht hatten. Auch das hat er mit Elvis gemein.
Ein Ritt in die Abendsonne?
Das gefühlig-melancholische „I’m Growing Old“, das Jones schon in jungen Jahren von Elvis ans Herz gelegt wurde, gehört hier sicherlich ebenso wie „This Is The Sea“ zu den heimlichen Glanzlichtern, aber auch die vorab veröffentlichten Singles „No Hole In My Head“ oder der „Talking Reality Television Blues“ bleiben haften. Jones gelingt hier das Kunststück, wie ein gereifter elter statesman zu wirken, ohne aber verstaubt rüberzukommen. Auch, weil er sich hier an aktuellen Themen abarbeitet. Etwa dem Klimaschutz („Ol‘ Mother Earth“). Oder weil er auch mal einen zeitgenössischen Künstler mit einem Cover adelt. Wie Michael Kiwanuka („I Won’t Lie“).
Ob es für Jones der Ritt in die Abendsonne ist? Sozusagen sein Vermächtnis, fast, wie es Johnny Cash seinerzeit inszenierte? Irgendwie kaum vorstellbar. Dafür scheint der Mann eigentlich noch zu vital. Seiner 2016 an Krebs verstorbenen Frau Linda hat er vor ihrem Tod auf jeden Fall versprochen, weiterzusingen. Nicht umzufallen. Für die Liebe seines Lebens singt Jones hier „I Won’t Crumble With You If You Fall“, im Original ein Song der Freedom-Singers-Gründerin Bernice Johnson Reagon. Großes Gefühl.
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