Gute Nachrichten: Matt Johnson hat mit The The zum ersten Mal nach einem Vierteljahrhundert wieder ein neues, reguläres Studioalbum vorgelegt. „Ensoulment“ ist soeben erschienen – und präsentiert die am schwersten zu googelnde Band der Welt von ihrer besten Seite.
Rückblende. In den Achtziger Jahren gehörte Matt Johnson zu den geschätztesten Songwritern der Zeit. Mit den 1979 gegründeten The The kanalisierte der britische Musiker große Hoffnungen, tiefe Wut, fiebrige Leidenschaften und süßlich verstörende Ergriffenheit in einen Sound, der sich nur schwer in eine Schublade stecken ließ. Die Musik von The The, das im Grunde aus ihm und einem Pool aus wechselnden Muskikern bestand, mäanderte gekonnt zwischen Pop, Post-Punk und Rock, Blues und Folk, Soul und Polemik, ja, selbst Swing und Electronica.
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Nummern wie „This is the Day“, „Infected“ oder „The Beat(en) Generation “ – Songs für die Ewigkeit. Aber: Bei The The galt stets das Motto: Qualität vor Quantität. Der Output war in den vergangenen 40 Jahren recht überschaubar. Nur fünf Studioalben mit eigenen Songs haben The The veröffentlicht – „Soul Mining“ (1983), „Infected“ (1986), „Mind Bomb“ (1989), „Dusk“ (1993) und „NakedSelf“ (2000). Was wohl auch daran lag, dass sich Johnson Ende der Neunziger Jahre mit Sony Music überwarf. Seither konzentrierte sich der Gute auf das Schaffen von Film-Soundtracks und seine Podcast-Serie „Radio Cinéola“. Auch eine Doku und mehrere Bücher sind in der Zeit erschienen.
Trotz Stil-Vielfalt nicht beliebig
Nun aber wagt sich Johnson mit The The mal wieder aus der Deckung. Die Platte, co-produziert von Warne Livesey und Johnson höchstpersönlich, ist typisch für die Band, lässt sie sich doch nicht auf ein Genre festnageln. Es geht musikalisch einmal quer durch den Gemüsegarten. The The offerieren hier Elemente aus Blues, Pop, Rock, New Wave, Post-Punk, Jazz und Soul. Dass Johnson nicht zu rappen anfängt, ist alles. Trotz dieser stilistischen Vielfalt: Beliebig wirkt das Ganze zu keiner Zeit.
Und inhaltlich? Johnson gibt immer noch gern den großen Kritiker mit magischem Bariton, scheut sich nicht, die emotionale Komplexität des menschlichen Daseins im 21. Jahrhundert zu verhandeln. Es geht auf „Ensoulment“ um Intimität in einem Zeitalter der Entfremdung; Demokratie in einem Zeitalter der Post-Wahrheit; Imperium und Vasallentum; und den Aufstieg der künstlichen Intelligenz. Themen, an denen sich ein kritischer Geist wie Johnson gütlich abarbeiten kann.
Voll auf Morphium
Selbst persönliche Geschichten – wie etwa „Linoleum Smooth to the Stockinged Foot“ über einen Krankenhausaufenthalt während der Pandemie – werden clever mit Politischem kombiniert. Ein Highlight der Platte. Die Lyrics hat Matt Johnson übrigens während eines Krankenhausaufenthalts geschrieben, als er sich unter dem Einfluss von Morphium von einer lebensrettenden Operation erholte. Das disharmonische Zusammenspiel von Bläsern und Geige erinnert an diese halluzinogene, surreale Erfahrung, die er versuchte nachzustellen. Hierzu ließ er die Musiker über den Track hinweg improvisieren, ohne dass diese sich gegenseitig hören konnten. Parallel konnte Johnson die entstehenden Sounds mit einer Soundmaschine in Echtzeit manipulieren.
Zu den weiteren Glanzlichtern gehört das romantische „Some Days I Drink My Coffee By The Grave Of William Blake“, bei dem Erinnerungen an Nick Cave wach werden, „Kissing The Ring Of Potus“ (über Trump und die USA) sowie „Cognitive Dissident“, die erste Singleauskopplung aus „Ensoulment“.
Das Album ist als limitiertes CD Hardcover Mediabook, CD Jewelcase, Black 2LP Gatefold und limitiertes Crystal Clear 2LP Gatefold erhältlich. Weitere Formate sind im offiziellen Store zu finden.
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