Steven Wilson ist immer für Überraschungen gut. Das achte Studio-Album des Multiinstrumentalisten ist jetzt vielleicht sein ambitioniertestes. Denn „The Overview“ ist zwar 42 Minuten lang, besteht aber nur aus nur zwei Titeln: „Objects Outlive Us“ und „The Overview“, die beide vom „Overview-Effekt“ inspiriert sind, den Astronauten erleben, wenn sie vom Weltraum aus auf die Erde zurückblicken.
Als wir Steven Wilson das letzte Mal auf der Bühne sahen, lag ein Abschied in der Luft. Im Sommer 2023, in Schwetzingen, da sah es für den Moment so aus, als könnte es das jetzt gewesen sein mit Porcupine Tree. Dabei hatten die Fans sich damals gerade erst gefreut, dass die britische Prog-Rock-Kapelle sich nach rund zwölfjähriger Schaffenspause wiedervereinigt und sogar ein neues Album veröffentlicht hatte. Im Februar 2025 konnten sie nun aber wieder aufatmen. Da verriet Wilson dem britischen „NME“, dass die Band neue Songs in petto habe und ein neues Album möglich erscheint.
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Solo ist der Brite ja ohnehin immer umtriebig. Der 57-Jährige hat derzeit einen gesunden Zwei-Jahres-Rhythmus zwischen seinen Solo-Werken, zuletzt erschienen „The Future Bites“ (2021) und „The Harmony Codex“ (2023). Und jetzt: „The Overview“. Mit der neuen Platte kehrt Wilson zur expansiven, progressiven Musik zurück, einem Genre, dem er durch sein Solo-Werk und dank Porcupine Tree ja wieder Leben eingehaucht hat.
Was sich Wilson dabei gedacht hat
Tiefsinnig: Wilson hat „The Overview“ als 42-minütige Reise konzipiert, die auf dem sogenannten „Overview-Effekt“ basiert, bei dem Astronauten, die die Erde vom Weltraum aus betrachten, eine transformierende kognitive Veränderung erfahren, wobei sie meistens eine überwältigende Wertschätzung und Wahrnehmung von Schönheit sowie ein verstärktes Gefühl der Verbundenheit mit anderen Menschen und der Erde als Ganzes erleben, wie er im Waschzettel zum Album zu Protokoll gibt. Wilson: „Allerdings sind nicht alle Erfahrungen positiv; manche sehen die Erde wirklich als das, was sie ist, unbedeutend und verloren in der Weite des Weltraums, und die Menschheit als problematische Spezies. Als Spiegelbild davon präsentiert das Album Bilder und Geschichten des Lebens auf der Erde, sowohl gute als auch schlechte.“
So bestehen die beiden Titel jeweils aus musikalischen Abschnitten, die ineinander übergehen. Der erste Titel schreit dabei eher „prog“ und zugänglicher, der zweite ist etwas abgedrehter, auch sperriger. Verstehen muss man das Album dennoch als Gesamtkunstwerk, es will in einem Rutsch durchgehört werden. Am besten mit Kopfhörern, denn es gibt unheimlich viel zu entdecken. Sanfte, ätherische Passagen gehen in dynamische Rock-Parts über. Das Konstruierte, Verkopfte trifft auf das Improvisierte, Jazzige. Einige Elemente dieser monumentalen Erzählung stammen dabei aus verschiedenen Perioden aus Wilsons 30-jähriger Karriere. Es gibt Anspielungen auf klassische Porcupine-Tree-Platten, auf die Erzählweise von „The Raven That Refused To Sing“, die Elektronik von „The Future Bites“ sowie die räumliche Audiovision, die sich durch „The Harmony Codex“ zog.
Obwohl es ursprünglich eine Soloaufnahme war, enthält die fertige Version von „The Overview“ Studiohilfe von den regelmäßigen Kollaborateuren Craig Blundell (Schlagzeug), Adam Holzman (Keyboards) und Randy McStine (Gitarre) sowie eine Reihe von Texten von Andy Partridge von XTC, die dazu beitragen, die Geschichte zu formen, die „Objects Outlive Us“ antreibt.
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