Wissen ist wieder sexy: In der Interview-Sammlung „Nerds retten die Welt“ räumt Autorin Sibylle Berg vielen klugen Köpfen den Raum ein, den sie verdienen. Ursprünglich sind die Beiträge, quasi ein Beiprodukt der Recherche zu ihrem Roman „GRM“, in dem Schweizer Online-Magazin „Republik“ erschienen.
Es scheint ja fast schon eine Ewigkeit her zu sein und doch konnte man tatsächlich vor kurzem noch beobachten, wie das Unabänderliche an Bedeutung zu verlieren schien. Alternative Fakten – oft Meinungen, aber oft genug auch platte Lügen – traten in Konkurrenz zum Tatsächlichen. Und dann schienen sie diesen Wettbewerb dummerweise oft auch noch zu gewinnen.
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Wie sich die Zeiten doch ändern. Jetzt, in der weltweiten Corona-Krise, spielen Fakten wieder eine große Rolle. Sowohl die Öffentlichkeit als auch die Entscheidungsträger hängen derzeit an den Lippen der Wissenschaftler. Wahrscheinlich waren diese nie so einflussreich wie heute. Was wir gerade erleben, ist eine Renaissance des Faktischen.
Gesammelte Gespräche mit Koryphäen aus vielen Fachbereichen
Man kann nun darüber streiten, wie gut das Timing von Sibylle Bergs „Nerds retten die Welt“ ist. Die Sammlung von Gesprächen mit Koryphäen, vornehmlich Wissenschaftlern, ist nämlich noch vor der Corona-Krise entstanden. Sonst befände sich unter den Nerds, die die Welt retten, wohl mindestens auch ein Virologe oder Epidemiologe. Stattdessen präsentiert uns Berg hier aber andere Helden. Systembiolog*innen, Neuropsycholog*innen, Meeresökolog*innen, Kognitionswissenschaftlerinnen, Konflikt- und Gewaltforscher*innen etwa. Mit ihnen disktutiert Berg über den Zustand ihrer Kompetenzbereiche und stellt dazu viele Fragen, die die Gesellschaft bewegen. Was tritt man gegen dem Faschismus entgegen? Was tut man gegen schmelzende Gletscher? Gegen die Verknappung des Wohnraums? Was bedeutet die digitale Revolution, und gibt es eigentlich noch Hoffnung?
Kurzum: Es geht um das Gestalten einer besseren Zukunft. Das klingt einfach, ist aber in Wahrheit – so die unterschwellige, ernüchternde Message – utopisch. Zumindest wahnsinnig kompliziert. Ab und an drückt sich diese Erkenntnis auch sprachlich aus, Wissenschaftler sind eben Wissenschaftler, und nicht jeder Fachterminus ist für den interessierten Laien direkt verständlich. Hilfestellung gibt es hier und da aber durch QR-Codes. Klar, nicht jedes Argument überzeugt, so manche Idee mutet einem vielleicht abwegig an, aber: Im Großen und Ganzen sind die geäußerten Ideen faszinierend oder mindestens aufschlussreich.
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