R.E.M. - Up (foto: Craft Recordings/Concord/Universal Music)

R.E.M. – Up (25th Anniversary Edition)

Erscheinungsdatum
November 10, 2023
Label
Craft Recordings/Concord/Universal Music
Unsere Wertung
7

Aufhören, wenn es am schönsten ist: R.E.M. haben das geschafft – und bislang eisern durchgezogen. Wer Lust auf die legendäre Rock-Band aus Athens hat, muss auf ihren Katalog zurückgreifen. Und da macht es einem die Band gerade einfach. Nach und nach erscheinen gerade Jubiläumseditionen ihrer Alben. Jetzt ist zum 25. Geburtstag das umstrittene elfte Studioalbum „Up“ wiederveröffentlicht worden.

Wir schreiben das Jahr 1998. R.E.M. standen nach 18 Jahren ihrer Existenz plötzlich an einem Scheideweg. Mit Schlagzeuger Bill Berry war ein Gründungsmitglied der Gruppe. die ja eigentlich immer ohne Line-Up-Changes auskam, ausgestiegen. Freundschaftlich. Er wollte kein Rockstar mehr sein. Wollte sich ins Privatleben zurückziehen und hatte auf die ganze Ochsentour einfach keine Lust mehr. Er ging 1997, allerdings unter der Voraussetzung, dass die Band ohne ihn weitermachen würde. Und so wurden Michael Stipe (Gesang), Mike Mills (Bass) und Peter Buck (Gitarre) zum Trio. Dazu musste sich die Kapelle, die den Soundtrack der 1990er mit Hits wie „Losing My Religion“ maßgeblich mitbestimmt hatte, komplett neu erfinden. Stipe verglich R.E.M. damals mit einem dreibeinigen Hund, der ja immer noch laufen könnte. Na ja. Etwas gelenker formuliert es retrospektiv Mike Mills: „Als wir die Entscheidung trafen, ohne Bill weiterzumachen, mussten wir das als Befreiung betrachten. Warum sonst sollten wir es überhaupt tun? Wir mussten es mit Enthusiasmus und Hoffnung angehen, als eine mutige neue Welt mit unerforschten Möglichkeiten.“

anzeige

Ohne Berry ins Studio

Ohne Berry ging es also in San Francisco an die Arbeiten zum Studioalbum „Up“. Sein Platz wurde nicht neu besetzt. Stattdessen setzte die Band auf Drumcomputer. Außerdem experimentierte sie mit weiteren elektronischen Elementen. Bandschleifen. Synthesizer. „Ich glaube, wir alle haben versucht, herauszufinden, wie wir eine andere Band sein können“, erklärt Buck. Der Produzent Pat McCarthy (U2, Counting Crows, The Waterboys) half den Musikern bei der Verwirklichung ihrer klanglichen Ziele. Unterstützt wurden sie auch von Nigel Godrich, der mit „OK Computer“ von Radiohead kurz vor dem Durchbruch stand. „Ein großer Teil von [McCarthys] Arbeit bei der Programmierung war wirklich entscheidend, um dieser Platte die Einheit zu geben, die sie hat“, sagt Mills. „Seine Arbeit an diesem Album kann nicht hoch genug eingeschätzt werden.“

Für die Fans waren die neuen R.E.M. natürlich eine Umstellung. Der schrille, gitarrenbetonte Rock-Sound, mit dem R.E.M. zu einer der größten Bands der Welt aufstiegen, war Vergangenheit. Stattdessen klangen sie mehr nach Brian Eno, Leonard Cohen („Hope“) und den Beach Boys („Why Not Smile“, „At My Most Beautiful“).

Erkundung des Pop

Das Album beginnt mit dem atmosphärischen „Airportman“, bei dem sich eindringliche Ambient-Schichten mit Stipes fast geflüstertem Gesang verbinden. Der Sänger und  Songwriter erinnert sich: „Wir wollten jede Platte mit einem Song oder einer Stimmung einleiten, die den Leuten zeigt, dass sie sich auf etwas ganz anderes einlassen. Wir wollten uns nie wiederholen. ‚Airportman‘ war in dieser Hinsicht vielleicht unsere radikalste Entscheidung. Aber wir wollten unsere langjährigen Fans wissen lassen, dass wir jetzt zu dritt sind. Dass Bill wirklich nicht mehr da ist, und dass wir nicht einfach einen Ersatz-Bill finden wollten, sondern die Gelegenheit nutzen, um neue Wege des Komponierens, Arrangierens und Präsentierens zu erkunden.“

Diese Erkundungen führten auch dazu, dass die Band in Pop-Gefilde vordrang. Und zwar mit Stücken wie dem vom Klavier getragenen „At My Most Beautiful“ (eines der wenigen Liebeslieder von R.E.M.) und das minimalistische „Lotus“ mit seinen energischen „Hey Heys“ und den unscharfen Gitarrenhooks. Der Song, der sich auf „It’s the End of the World (And I Feel Fine)“ von 1987 bezieht, ist das einzige Stück auf dem Album mit einem kompletten Schlagzeug (gespielt von Barrett Martin). Die Band experimentierte auch mit der Instrumentierung – einschließlich eines Cembalos bei „Why Not Smile“, Orgeln aus der Pet Sounds-Ära bei dem verträumten „Parakeet“ und dem Einsatz von Vibraphon und einer Tabla bei „Diminished“. Der letztgenannte Titel ist auch deshalb bemerkenswert, weil es den versteckten Track „I’m Not Over You“ enthält, eine schlichte Solonummer von Stipe.

„Daysleeper“ als Glanzlicht

Ein Highlight ist die Leadsingle „Daysleeper“. Der stilistisch eher typische R.E.M.-Song erzählt die Geschichte eines Nachtschichtarbeiters, der in der Isolation seines durcheinander geworfenen Zeitplans verzweifelt. Das markante „Suspicion“ legt warme Streicher und Klavier über den Beat einer Drum-Maschine, während „Hope“ auf programmierten Beats und surrenden Effekten basiert. Für das erhabene „You’re in the Air“ kehrte das Trio in seine Heimatstadt Athens, GA, zurück, um mit seinem langjährigen Mitarbeiter John Keane aufzunehmen. 

Als die Band „Up“ den letzten Schliff verpasste, entschied sie sich für eine weitere mutige Entscheidung: Sie druckte zum ersten Mal Stipes Texte. „Ich hatte das Gefühl, dass alles neu war“, erinnert er sich. „Ich hatte Regeln, die für Alben galten….Ich warf sie einfach aus dem Fenster.“ Sehr zur Freude der Fans wurde diese Praxis auf den folgenden Studioalben von R.E.M. fortgesetzt. 

Bei seiner Veröffentlichung im Herbst 1998 konnte „Up“ kommerziell nicht ganz an die Erfolge der Vorgänger anknüpfen. Im UK gab es Platz zwei, in den USA Platz drei. In Deutschland kletterte das Album direkt auf die #1. Retrospektiv gilt die Platte als unterschätzt. Dennoch: „Up“ war der Startschuss für die zweite Karrierehälfte von R.E.M. – und ist somit allein schon historisch relevant. Stipe reflektiert: „Die Wachstumsschmerzen, ein Dreiergespann zu werden, waren während der gesamten Entstehung des Albums deutlich zu spüren, und es führte dazu, dass drei beste Freunde als kreative Partner sehr weit voneinander entfernt waren, aber wir haben es geschafft, zusammenzuhalten, und ich glaube, dass ein sehr gutes Album dabei herausgekommen ist.“

Die Formate der Wiederveröffentlichungen

Craft Recordings feiert das 25-jährige Jubiläum von „Up“ nun mit einer Reihe von erweiterten und remasterten Wiederveröffentlichungen. Die Deluxe 2CD+Blu-Ray-Edition bietet eine Fülle von Material, darunter auch das bisher unveröffentlichte Set der Band aus ihrem Gastauftritt in der 90er TV-Hitserie „Party of Five“. Der 1999 aufgenommene Auftritt umfasst eine Setlist mit elf Liedern (darunter Klassiker wie „Man on the Moon“, „Losing My Religion“ und „It’s the End of the World as We Know It (And I Feel Fine)“) sowie eine gesprochene Einführung. Die beiliegende Blu-ray enthält HD-Musikvideos des Albums von 1998 („Daysleeper“, „Lotus“, „At My Most Beautiful“), eine in einem Londoner Studio aufgenommene Performance mit sechs Liedern aus dieser Zeit (mit dem Titel „Uptake“), das Original-EPK des Albums sowie einen Hi-Resolution- und 5.1-Surround-Sound. Die Sammlung ist in einem 32-seitigen Hardcover-Buch untergebracht und enthält außerdem neue Liner Notes von Journalist Josh Modell, die neue Interviews mit den Bandmitgliedern enthalten. 

Die erweiterte Neuauflage, die das Album und den „Party of Five“-Auftritt in seiner Gesamtheit enthält, ist auch als 2-CD, digital und in Hi-Res-Konfiguration erhältlich. Die Doppel-LP wird mit 14 Songs auf 180-Gramm-Vinyl neu aufgelegt. Alle Formate enthalten einen neu gemasterten Ton von Bob Ludwig.

Anspieltipps
Daysleeper
Airportman
At My Most Beautiful
Suspicion
Lotus
7
R.E.M. am Scheideweg.
Hier kaufen

anzeige

Zeen is a next generation WordPress theme. It’s powerful, beautifully designed and comes with everything you need to engage your visitors and increase conversions.

Zeen Subscribe
A customizable subscription slide-in box to promote your newsletter
[mc4wp_form id="314"]
WordPress Cookie Plugin von Real Cookie Banner