Kaum ein Musiker hat so viele Platten veröffentlicht wie der Modfather: 23 sind es mittlerweile (Compilations und Livealben nicht mitgezählt). Mit „More Modern Classics“ erschien gerade ein Greatest- Hits-Album, auf das er seine Lieblingsstücke der letzten 15 Jahre gepackt hat und das er auf fünf Konzertterminen seinem deutschen Publikum vorstellte. In Frankfurt waren wir dabei.
In Großbritannien sind seine Konzerte ruckzuck ausverkauft. Weller ist ein Kultstar, der seit Mitte der 70er Jahre mit seiner Vorliebe für politische Texte für Furore sorgt. Warum er hierzulande weniger Bekanntheit erlangte, mag daran liegen, dass eben jene Politikbezogenheit für das deutsche Publikum weniger kompatibel war. Während Rod Stewart 1978 fragte, ob er sexy sei – was quasi kulturübergreifend beantwortbar war – und sich David Bowie mit surrealistischen Bühnenshows eher als hochkultureller Künstler etablieren wollte, hieß es zeitgleich bei Wellers Band The Jam: „In the city there’s a thousand men in uniform / And I hear they now have the right to kill a man“. Was ihm dadurch gelang: Die Ängste einer Generation in punkrockige Hymnen zu hüllen. Was ihm nicht gelang: ein internationaler Durchbruch. 2007 wurde Rod Stewart nebenbei bemerkt als einziger von den dreien von der Queen mit dem Titel „Commander of the British Empire“ geehrt – Bowie und Weller hatten zwar die Chance, lehnten dies aber beide ab.
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Es kamen recht viele Fans am Dienstag nach Frankfurt – lang ist’s her, dass Weller sich so weit in den Süden Deutschlands vorgewagt hat – um seine Songs aus 38 Jahren mitzuerleben. „Miterleben“ darf hier auch tatsächlich wörtlich genommen werden, denn schon beim Opener „Wake up the nation“ richteten sich die Scheinwerfer mehrmals auf das Publikum, man stand im Hellen, als wäre man selbst Teil der Bühne; ein Effekt, den es eigentlich gar nicht gebraucht hätte, denn in dem Moment, in dem Paul Weller die Bühne betrat, spürte man die Energie, mit der er ans Werk geht, bis in die letzte Reihe. „So long you burn / You can get your work done“ heißt es in Wellers letztem Album „Sonik Kicks“, und dass dieser Mann, der übrigens vor jedem Konzert noch Lampenfieber hat, noch brennt, wurde schon klar, bevor er das erste mal in die Saiten haute.
Und es scheint, als hätte Paul Weller auch sonst alles richtig gemacht. Den Drang, politisch etwas zu bewegen, hat er zwar nicht völlig aufgegeben, aber einen guten Teil davon hat er einfach verlegt, indem er jene Energie zum Teil seiner Darbietung macht, er wirkt derart rau, kraftvoll und geladen, dass man froh sein muss, ihn auf der Bühne zu erleben und nicht bei einem Aufstand auf der Straße. Weller ist abseits der Setlist kein Mann der großen Worte, so folgt auf „Wake up the nation“ das mindestens ebenso furiose „Come on / Let’s go“ und darauf ohne Atem zu holen „From the floorboards up“.
„Die Setlist kenne ich schon, die spielt er doch schon seit Jahren“, tadelten viele Fans im Vorfeld. Teils zu Unrecht, denn Frankfurt durfte etwa das rare Stück „Foot of the mountain“ erleben, das wärmer und gefühlvoller rüberkam und dem Publikum eine kurze Verschnaufpause bot, genauso wie „Porcelain Gods“, was noch mehr Soul hatte als auf Platte und bei dem nun jeder Gänsehaut hatte.
Erstaunlich ist, dass es Weller gelang, seiner Band verdientermaßen noch Raum zu lassen, besonders Gitarrist Steve Cradock, der in exzellenter Form war, und Drummer Steve Pilgrim, der nicht nur mit seinem makellosen Spiel glänzte, sondern auch wahnsinnig gute Backingvocals lieferte. Weller nutzte seine Pausen, um sich mehrere Zigaretten anzustecken. Nach eigener Aussage möchte Paul Weller so lange noch live spielen, bis er umfällt. Und das wird er zweifellos schaffen, denn, wie es bei „Start!“ – einer der fünf Zugaben, nachdem die zwei-Stunden-Marke schon überschritten war – heißt: „What you give is what you get!“
Text: Lin Franca Brylla
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