Knapp 30 Jahre arbeitete Richard Wagner an seinem Hauptwerk, dem Opernzyklus „Der Ring des Nibelungen“. Der bringt es auf insgesamt 16 Stunden Spielzeit. Mit der Entstehungszeit kann sich die Comicadaption aus der Feder des US-Amerikaners P. Craig Russell durchaus messen. In den 1970ern ersonnen, in den 1990ern über Jahre geschrieben und gezeichnet, 2001 erschienen und 20 Jahre danach ins Deutsche übertragen. Jetzt liegt das gute Stück endlich in unseren Bücherregalen.
In den USA und auch hierzulande kennt man P. Craig Russell vor allem durch seine Fantasy- und Superhelden-Arbeiten. Außerdem machte er des Öfteren mit Neil Gaiman gemeinsame Sache. Im Laufe seiner illustren Karriere hat Russell aber immer wieder auch erfolgreich klassische Musik und Comic zusammengebracht. In seinem Oeuvre finden sich Adaptionen von Mozarts „Die Zauberflöte“, Strauss’ „Salomé“ und „Pelléas und Mélisande“ sowie Arnold Schönbergs „Pierrot lunaire“.
anzeige
„Der Ring der Nibelungen“ aber ist nun P. Craig Russells ambitioniertestes Projekt. Der umfangreiche Stoff bringt ja schon regelmäßig Theaterregisseure zum Verzweifeln. Ob die Oper aber auch als Comic funktioniert? Tut sie. Auf fast 450 Seiten erzählt Marvel-Star Russell Wagners „Nibelungen“ neu – als Pop-Comic-Epos. Dabei ist seine Adaption gestalterisch nah an den ersten Inszenierungen in Bayreuth im 19. Jahrhundert. Dennoch kommt das Ganze nicht verstaubt daher, da Russell hier auch Superhelden-Elemente einfliessen lässt. Hier und da greift der Gute aber für jene, die nicht so mit dem Stoff vertraut sind, erklärend ein, indem er in der Chronologie etwas manipuliert beziehungsweise Szenen umstellt oder auf Gedankenblasen zurückgreift. Natürlich wird auch etwas gekürzt, das geht gar nicht anders.
Die Musik fällt übrigens nicht komplett unter den Tisch. Russell gelingt das Kunststück, durch seine Bildsprache dem Wagner-Kenner die eine oder andere Opern-Passage ins Ohr zu zaubern. Immer wieder gibt es Verweise. Mal kleine, mal große. So kommen Opernenthusiasten wie Comic-Liebhaber hier voll auf ihre Kosten.
anzeige