Der Wiener Pop-Poet Oehl hat im Sommer sein zweites Studioalbum „Keine Blumen“ vorgelegt. Die große Kunst von Oehl ist es ja, dichte Kompositionen und Sound-Kulissen federleicht klingen zu lassen. Deutsch-Pop hat noch nie archaischer und gleichzeitig moderner geklungen, neue Empfindsamkeit noch nie so viel Spaß gemacht. Oehl ist ein vertonter Widerspruch: Kurzweilig und tiefschürfend gleichermaßen. Gedichte zum Tanzen. Tänze zum Nachdenken. Und so war es spannend zu fragen, welche Songs der Gute für seine persönliche My-Soundtrack-Liste auswählen würde.
Feist – Let it Die
Das Debutalbum von Feist, „Let It Die“, „Quiet Is the New Loud“ von den Kings Of Convenience und „O“ von Damien Rice waren die drei prägenden Alben meiner Jugendjahre. Feist als Frankokanadierin repräsentierte für mich damals eine besondere Coolness, ich war mit 16 selbst auf Schulaustausch in Quebec und einfach schwer verliebt in Leslie Feist. Diese coole Ignoranz der Quebecer, ich kann mich erinnern, ewig bei McDonald’s am Schalter zu stehen weil sie mein Englisch einfach nicht verstehen wollten. Aber vor allem war es natürlich Feists Stimme und ihr rohes Gitarrenspiel, LIVE nochmal stärker. Daher hier auch diese Version dieses Songs.
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Die Phrase „Let It Die“ passt auch sehr gut zu unserer Zeit, also das Gehenlassen, die Kulturtechnik des Abschieds, das ist doch genau das was die Gesellschaft braucht. Auf meinem Album „Keine Blumen“ habe ich mich auch stark von diesem Topos leiten lassen. Der Abschied von ökonomischem und ökologischem Wohlstand auf der einen Seite, aber auch der Abschied von viel zu lange gehegten weißen und männlichen Privilegien. Time to let them die.
Frank Ocean – Chanel
Ich weiß nicht genau, warum, aber wenn ich den Song höre, bin ich glücklich. Diese Selbstsicherheit, mit der er über Dualität und das eben nicht Heteronormative singt! Schon die erste Zeile „My guy pretty like a girl“ ist eindeutig gay zu lesen, aber ich fühle dabei auch ein Zugeständnis zu einer Maskulinität, die ich spannend finde. Sie spricht zu mir als Hetero-Mann genauso. „I see both sides like Chanel“ steht für mich aber auch für eine Ambivalenz zweier Seiten. Das ist doch das ganze Leben. Die sichere Seite, die riskante Seite, der Reiz der Grenzerfahrung, dass Leben zwischen zwei Extremen oft nicht viel Platz hat. Aber vielleicht muss man da auch einfach nicht so viel hineininterpretieren. Guter Song.
Crucchi Gang & Faber – Vieni Qui
Faber ist einer der wenigen Menschen, denen ich das Künstler*innendasein wirklich abkaufe. Ich kaufe ihm alles ab, und das musikalische Chaos seines Oeuvres wenn man sich etwa die „Gefällt euch Faber so besser?“-EP anhört, passt da ganz wunderbar dazu. Daher kommt für mich auch der Reiz seiner Stimme, seiner Texte, einer gefühlt nicht planbaren, unheimlichen Gewalt. „Vieni Qui“ („Komm her“) ist Italienisch noch dazu, und das ist für mich sowieso ein Identitätsding, da fühl ich mich einerseits ob meiner südlichen Wurzeln verbunden, ich spreche es aber auch genug, um die Texte zu fühlen.
Der Song konkret erinnert mich angenehm an „In Germany Before the War“ von Randy Newman, dem in letzter Zeit ja auch Danger Dan eine Hommage gewidmet hat (Lauf Davon/Sail Away), und dann hat es aber auch diese Traurigkeit von Paolo Contes „Un’Alta Vita“ (–„Ein anderes Leben“) und das ist für mich die ultimative Traurigkeit. Endlich wieder was fühlen, das gelingt Crucchi Gang und Faber hier einfach ganz besonders gut.
Elliott Smith – Between The Bars
Noch so einer, dem ich die Musik abkaufe. An der Grenze zum Kitsch, aber halt dann doch zu ehrlich. Emo bevor es Emo gab. Er hat auch den Großteil vom „Good Will Hunting“-Soundtrack, ein Film, der irgendwie auch in meiner DNA steckt und dessen Hauptfigur wiederum an den zarten Schläger von Frank Oceans „Chanel“ erinnert, gescored – Empfehlung! Anyways, Elliott Smith nahm sich 2003 selbst das Leben, nachdem er mit Depressionen und Drogen zu kämpfen hatte. Ein Leiden, das man hört. Wenn ich an die „Bars“, also die Gitterstäbe seines Leidens, seiner Sucht und des menschlichen Daseins denke, dann fällt mir wiederum Oliver Kahns Interpretation von „Der Panther“ ein. Der Mensch im menschgemachten Käfig. Ist auch auf Youtube, unbedingt ansehen!
Les Swingle Singers – Largo
Ich war musikalisch gesehen ein relativ ungebildetes Kind. Mainstream-Radio, Kinderkassetten – meine Eltern haben ihr Interesse für Musik wohl mit dem Erwachsenwerden abgelegt. Später waren es mein bester Freund und ein Freund seiner Mutter, der einen Plattenladen hatte, die uns in diese Welt der Independent-Musik einführte. Noch schöner war es fast dann mit 18 Jahren eine für mich noch tiefgreifende Entdeckung zu machen: Renaissancemusik und Barockmusik. Alles an klassischer Musik VOR der Wiener Klassik eigentlich, weil mit der Aufklärung und dem Verlassen der kirchlichen Musik Mitte des 18. Jahrhunderts irgendwas in der Musik für mich verloren gegangen ist.
Long Story Short: Das Cembalokonzert von J.S. Bach ist gigantisch und in dieser Interpretation der Swingle Singers aus dem Jahr 1965, die damals Swing und Klassik zusammengebracht haben, hat es für mich nochmal mehr Kick. Vielleicht bin ich da geschmacklich auch einfach mal irgendwo falsch abgebogen, aber das ist für mich einfach himmlische Musik.
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