HÆCTOR (Foto: Nick Neufeld)

My Soundtrack: Haector

Es sind die täglichen Verunsicherungen, die die Hamburger Indie-Pop-Band Haector beschäftigen. Wer will ich sein? Wie will ich leben? Welche Werte will ich verfolgen? Bei Haector geht es um die großen und kleinen Fragen des Lebens. Überzeugen kann man sich davon auf dem Debütalbum, das soeben auf den Markt gekommen ist. Durch die zehn schonungslosen Hymnen von „Modern Urban Angst“ ziehen sich Melancholie und Euphorie als scheinbare emotionale Gegensätze hindurch. Immer wieder beweist das Quartett, dass beides doch sehr nah beieinander liegt. Die vier Bandmitglieder Martin Wendt (Vocals), Lena Schöllerman (Bass, Synths), Christoph Rosemeier (Drums, Samples) und Christopher Kellner (Gitarre, Synth Programming) standen uns nun für unsere My-Soundtrack-Reihe Rede und Antwort.

BAND: Sam Fender – The Borders 

Zugegebenermaßen sind wir alle in relativ geordneten Familienverhältnissen groß geworden und niemand kann die in diesem Song beschriebene Brutalität der englischen Arbeiterviertel so richtig begreifen. Für fünf Minuten und 32 Sekunden nimmt uns unser gemeinsamer Hero Sam Fender dennoch kurz mit auf britische Insel und lässt uns spüren wie sich Hilflosigkeit, Gewalt, Verzweiflung und Perspektivlosigkeit wohl anfühlen. Das Ganze ist eingebettet in einen treibenden Beat der schon nach sieben Sekunden, dazu führt, dass sich unsere Schuhsolen definiert nach oben und unten bewegen.

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Wir mögen Sams Art, mit leidender Stimme und dennoch kraftvoller Klangkulisse nicht nur die Einöde zu beschreiben, sondern auch zeitgleich den Ausbruch zu zelebrieren. Vielleicht ist das auch die Verbindung zu Haector. So erscheint das nach zwei Minuten und 44 Sekunden einsetzende Saxophon-Solo zunächst fast ein wenig ironisch, macht dann aber irgendwie als Höhepunkt des Songs wieder Sinn. Genauso wie das großartige Gitarrensolo im Anschluss. Wer in der Deutung des Songs nicht so weit gehen will, der findet einfach einen tollen Ohrwurm, der paradoxerweise mit viel Leichtigkeit und Tanzbarkeit um die Ecke kommt. 

Martin: M83 – Outro

Es gibt wohl kaum Songs, die mehr Gefühle bei mir triggern und intensiver sind als Outro vom M83. Der synthetische  Klangteppich erzeugt eine schier unendliche Weite, verkörpert Demut vor dem Leben und reißt mich im Takt der Drums mit in den Aufbruch zu meinen kühnsten Träumen. Ich finde in diesem Stück auch das Grundmotiv unserer Band “Melancholie küsst Euphorie” wieder.  Zwar bietet dieses monumentale Stück mit nur fünf Textzeilen wenig Lyrics, aber hier greifen Text und Instrumentals perfekt zusammen. “I’m the king of my own land”, 

Chris: Bruce Springsteen – Thunder Road

Dieser Song begleitet mich schon so lange, wie ich denken kann. Ich sang ihn zusammen mit meiner Schwester, wenn wir gemeinsam mit dem Rad in die Schule fuhren. Der ganze Song ist pure Poesie, der Text fließt Poetry-Slam-artig durch, als hätte Bruce ihn in einem kathartischen Rutsch runtergeschrieben. Die Studioversion ist schon groß, aber die Live-Version von 1975, als Bruce noch ganz jung und relativ unbekannt war, ist unbeschreiblich. Nur mit Klavier interpretiert, was das Ganze nochmal eindringlicher macht und den Song noch melancholischer.

Jedes Mal, wenn ich ihn höre, schießen selbst mir abgebrühtem Sack die Tränen in die Augen. Er beinhaltet alles, was mich mein Leben lang bewegt hat: Erkenntnis der Banalität des eigenen Lebens, das Bedürfnis, daraus auszubrechen, geliebt zu werden, dem Leben Relevanz einzuhauchen, und doch das tiefmelancholische Wissen, dass es eine Illusion ist. Was aber auch nichts macht, denn es zählt nur eins: Hoffnung. “It’s a town full of losers and I’m pulling out of here to win” lautet die letzte Textteile, und genau das machen wir. 

Christoph: …And You Will Know Us By the Trail of Dead – Will You Smile Again For Me

Der Song hat mich bei seiner Veröffentlichung 2005 direkt umgehauen (da war ich 19) und zählt nach wie vor zu meinen absoluten Favoriten. Der grandiose Spannungsbogen durch Änderungen in der Dynamik und Rhythmus- sowie Tempowechsel sind für mich bemerkenswert. Die energiegeladenen Parts sind so mitreißend wie bei einem Live-Konzert vor allem wegen der Drums. Trail of Dead erschaffen hier einen Sound, der zuweilen monumental und pompös klingt aber dann auch wieder am Boden verwurzelt erscheint und mich in eine andere Welt einer anderen Zeit eintauchen lässt. Dazu passt perfekt das Cover-Artwork, welches Frontmann Conrad Keely selbst zeichnet. 

Lena: Ben Howard – I Forget Where We Were

Ich mag Songs, die sich nicht beim ersten Hören offenbaren. Sondern die sich zunächst mysteriös verhüllen und unlogisch erscheinen. Die erst einwirken müssen und dann direkt an den Nervenenden andocken. So ein Song ist „I Forget Where We Were“ von Ben Howard.

Das Intro klingt so, als drehe jemand eine Vinyl rückwärts. Das erzeugt einen Sogeffekt und du landest in einer Welt voll Weltschmerz. Der Gesang ist Melancholie pur, die Gitarren schaukeln sich gegenseitig hoch.  Doch am besten gefällt mir das Schlagzeug, weil es herrlich subtil ist und mir doch an zwei Stellen die Haare zu Berge stehen lässt:

Zuerst kickt dich der perfekt gesetzte snare-Schlag bei 3:37 direkt ins Gitarrensolo, bei dem die Gitarren um die Wette weinen, während das Schlagzeug dazu ein Feuerwerk abliefert (den Moment muss ich IMMER mitwippen). Der zweite Moment liegt bei 4:11: Der Snare-Schlag wirkt ganz leicht laid-back und rüttelt Dich wach, spuckt dich aus, zieht dich zurück in die Hauptmelodie, bringt dich wieder auf Spur.

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