Mit seinem neuen, überaus komplexen Album „grae“ erweitert US-Musiker Moses Sumney sein Klangsuniversum – und zeigt: Grau ist eine bunte Farbe.
Keine Frage: Mit seinem gefeiertem Debütalbum „Aromanticism“ (2017) und der folgenden EP „Black In Deep Red, 2014“ (2018) hat Moses Sumney bereits angedeutet, dass da ein neuer Kritikerliebling im Entstehen begriffen ist. Wenn da bei dem einen oder anderen doch noch Zweifel bestanden, dem sei „grae“ ans Herz gelegt. Zwölf Songs daraus hatte der Gute bereits Ende Februar digital veröffentlicht, nun legt er den Rest des Doppelalbums vor, das als konzeptionelle Auseinandersetzung mit der Farbe Grau daherkommt. Ein Album, das so ganz anders ist, als das, was Sumney bisher veröffentlicht hat. Lauter, ja, aber auch vielschichtiger, komplexer. Ein Album, das zeigt: Moses Sumney, der ein Leben zwischen Südkalifornien und Accra (Ghana) führt, ist ein Mann der Zwischentöne und der Zwischenräume. Ein Album, das behauptet: Das Undefinierbare existiert.
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Ein Manifest der Vielseitigkeit
Das spiegelt sich natürlich zum einen stilistisch wieder. „grae“ entzieht sich jeder eindeutigen Kategorisierung, es irrlichtert zwischen (Art-) Pop, (Art-) Rock, R&B, Jazz, Soul und Folk, emotional zwischen Licht und Finsternis, zwischen Liebe, Lust, Ärger und Schmerz. Zusammengehalten wird das Ganze immer von dieser wunderbaren, kristallklaren, durchdringenden Stimme Moses Sumneys, die hier mal an Prince, dort mal an D’Angelo oder gar Thom Yorke erinnert.
Inhaltlich bricht Sumney mit den Klischees und Vorurteilen, er dekonstruiert überholte, angestaubte Bilder von Männlichkeit („Virile“), Hautfarbe („Neither/Nor“) oder Sexualität, ist dabei oft autobiografisch inspiriert. „Ich bestehe auf mein Recht, viele zu sein”, insistiert er etwa in der Spoken-Word-Nummer “boxes”, und sagt weiter: „Ich glaube wirklich, dass Menschen, die dich definieren, kontrollieren.“ Und so hält sich Sumney bewusst alle Möglichkeiten offen. Seiner Musik tut das augenscheinlich gut.
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