Markus Kavka/Elmar Giglinger - MTVIVA liebt dich.(foto: Ullstein)

Markus Kavka, Elmar Giglinger – MTViva liebt dich!

Erscheinungsdatum
Oktober 26, 2023
Verlag
Ullstein
Unsere Wertung
9

Sie waren das Tor zu (Pop-)Welt in den 1980er und 1990er Jahren: Musiksender wie MTV und VIVA. In „MTVIVA liebt dich“ wagen mit Markus Kavka und Elmar Giglinger zwei Insider den Rückblick auf eine spannende Phase der deutschen TV- und Musikgeschichte – in Form einer Oral History – und bekommen dabei Unterstützung von vielen Protagonisten, die damals mittendrin statt nur dabei waren.

Ein Klick. Mehr braucht es heute nicht, um sich auf YouTube ein Musikvideo anzuschauen. Früher, in den 1980er und 1990er Jahren, war man auf das Fernsehen angewiesen. Um das Lieblingslied auf Sendern wie MTV oder später Viva abzupassen, musste vielleicht der halbe Tag vor der Glotze verbracht werden. Ein Musikvideo war damals ein Ereignis, man schaute sich gern unzählige Clips am Stück an, verlor sich in dieser bunten, schrillen, schillernden Welt – in einer Zeit, in der es sich junge Menschen leisten konnten, gänzlich unpolitisch zu sein. In den 1990ern, nach Ende des Kalten Krieges, schien für eine Weile alles in Butter, die Möglichkeiten endlos, man musste sich also nicht mit dem großen Ganzen, sondern konnte sich einfach mit sich selbst beschäftigen. Die 1990er waren eine Feier des Ichs.

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Als noch niemand von irgendwelchen Streaming-Diensten und Algorithmen sprach, waren die Musiksender Tastemaker und Gatekeeper. Wer bei den jungen Leuten stattfinden wollte, wer ordentlich CDs verkaufen wollte, musste hier gezeigt werden. Und wer gezeigt werden wollte, musste Videos drehen. Musste ins Risiko gehen, investieren, auch auf die Gefahr hin, dass es das Video am Ende nicht durch den redaktionellen Filter schafft. Kunst und Kommerz. Keine Frage: Die deutsche Musiklandschaft hätte sich ohne deutsches Musikfernsehen ganz anders entwickelt.

Spannender Einblick hinter die Kulissen

Jan Delay etwa wagt die These, dass es ohne VIVA den deutschen Hip Hop der ersten Generation so nicht gegeben hätte. Delay ist einer der unzähligen prominenten Zitatgeber, die der Musikjournalist und Moderator Markus Kavka und der frühere VIVA/MTV-Programmdirektor Elmar Giglinger für ihr Buch „MTViva liebt dich!“ gewonnen haben. Es ist eine spannende Rückschau auf die Geschichte des Musikfernsehens – beginnend in den 1980er-Jahren. Kavka und Giglinger haben dafür zahlreiche Protagonistinnen und Protagonisten, die diese Ära geprägt haben, gesprochen. Die meisten haben offenbar auch zugesagt, 65 Interviews wurden geführt. Darunter: Fettes Brot, Die Toten Hosen, Die Fantastischen Vier, Klaas Heufer-Umlauf, Heike Makatsch, Nilz Bokelberg, Aleks Bechtel und Mola Adebisi. Schade, dass Stefan Raab nicht als Zitatgeber zur Verfügung stand.

Doch auch ohne ihn funktioniert das Ganze. Weil die Geschichten, die hier erzählt werden, von den Menschen vor und hinter der Kamera, einfach gut sind. So erfährt man etwa, wie es überhaupt zum Start von VIVA in Deutschland kommen konnte, wie sympathisch chaotisch und improvisatorisch es gerade am Anfang hinter den Kulissen zuging, wie das Scheitern eingepreist war, wie locker das Geld saß – und mit welch harten Bandagen der Wettbewerb zwischen MTV und VIVA später dann ausgefochten wurde. Warum VIVA II keine lange Halbwertszeit hatte. Und wie das Musikfernsehen am Ende dahinsiechte.

Ungeschönt und unverklärt

Natürlich gibt es auch jede Menge Celebrity-Gossip. Jon Bon Jovi ließ man demnach am besten durch eine hübsche Moderatorin interviewe. Lenny Kravitz lockte gar die Damen aus der VIVA-Personalabteilung ins Studio. Und als VIVA-Praktikant konnte es passieren, dass man am zweiten Arbeitstag schon mal mit auf Dienstreise nach Sri Lanka durfte. Das entschädigte vielleicht dafür, dass Robb Flynn (Machine Head) vor einem lebende Ratten an seine Python verfüttert hat oder Naomi Campbell während des Interviews gelangweilt begann, zu telefonieren.

Letztlich ist „MTVIVA liebt dich“, erschienen zum 30. Geburtstag von VIVA, ein unterhaltsamer Ritt durch ein spannendes Kapitel deutscher TV-Geschichte. Dass nicht nur die Höhen, sondern auch die Tiefen des Musikfernsehens direkt, ungeschönt und unverklärt beschrieben werden, macht das Buch zu mehr als einer reinen Nostalgie-Nummer.

In diesem Sinne: Hamma wieder was gelernt.

Lesezeichen: Markus Kavka, Elmar Giglinger – MTVIVA liebt dich!; Ullstein 2023, 528 Seiten; 21,99 Euro.

9
Unterhaltsam und informativ.
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