Lola Marsh stehen für Pophits, warme Harmonien und smarte Texte. Auf ihrem dritten, überaus abwechslungsreichen Album „Shot Shot Cherry“ zeigt das Duo aus Israel, dass es viele Stile gehen kann.
Am Anfang stand eine kleine Täuschung. Ohne diese wäre Shot Shot Cherry in dieser Form wohl nicht möglich gewesen, erzählen Lola Marsh. Und das kam so: Sängerin Yael Shoshana Cohen und Multiinstrumentalist Gil Landau, die Kernmitglieder der israelischen Indie-Pop-Band, begannen mit der Arbeit an ihrer dritten LP, während sie während der ersten Welle der Pandemie jeweils in ihren jeweiligen Wohnungen in Tel Aviv eingesperrt waren. Damals durften die meisten Menschen nur raus, um mit ihren Hunden Gassi zu gehen oder Medikamente zu kaufen. Irgendwie wollten Lola Marsh aber gemeinsam Musik machen. Und da sie keinen Hund zum Gassi gehen hatten, eilte einer mit einer Tüte Medikamente in die Wohnung des anderen und tat so, als käme er oder sie gerade aus der Apotheke zurück. „Das war ein Trick, auf den viele junge Leute in Tel Aviv zurückgriffen“, sagt Cohen und lacht.
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Es wurde also heimlich gemeinsam an einem Album getüftelt. In einem stinknormalen Zimmer. Und damit fühlte sich das Ganze fast ein bisschen wie in den Anfangstagen an. „Wir haben Songs geschrieben, wie wir es früher getan haben. Unser Ziel war, dass die Songs ganz unterschiedliche Vibes haben“, sagt Landau.
Viel Abwechslung in der Tracklist
Ist ihnen gelungen, möchte man sagen. Es ist viel Abwechslung in dem Album. Der eine oder andere Song etwa zieht auf den Dancefloor. So wie der Titeltrack, der mit seinen Disco-Anleihen ein wenig an ABBA erinnert. Auch „Run Run Baby“ geht in die Beine, bewegt sich aber mehr in Richtung Synthie-Pop. „Ich habe die Tanzfläche während Corona offiziell vermisst“, sagt Cohen. „Wir waren in Europa auf Tour und haben nur sieben von ursprünglich 30 geplanten Shows spielen können, bevor wir nach Hause zurückgekehrt sind und uns direkt in Quarantäne begeben haben. Ich fühlte mich in meinen vier Wänden und meinem kleinen Balkon eingesperrt, habe Songs gespielt und in meinem Haus alleine getanzt.“
Und dann sind da, klar, die ruhigeren Nummern. Besonders stark: „Satellite“, eine wunderbare, pianodominierte Pop-Hymne, bei der Cohen schwer an Lana Del Rey erinnert. Oder „Because Of You“, das von Akustikgitarre und Bass getragen wird. Das Lied wurde von Landaus Schwester Anat und der Mutter seiner Frau Tami inspiriert, die starb, während Lola Marsh Songs für das neue Album schrieben. Landau: „Ich erinnere mich, dass ich nach der Beerdigung ins Studio zurückkam, Yaeli von ihr erzählte und in Tränen ausbrach. Leider kenne ich das Gefühl, einen nahestehenden Menschen zu verlieren: Vor 14 Jahren starb unerwartet meine älteste Schwester Anat. Sie war die großartigste Person, die ich kannte, und ihre Abwesenheit nehme ich überall mit hin. Dieses Lied ist meiner Frau und diesen beiden Frauen gewidmet – wo auch immer sie sind, ich hoffe, sie genießen die Musik.“
Es ist beeindruckend, wie Lola Marsh hier jede Emotion bedienen können, jeden Stil gehen können, ohne dabei beliebig zu klingen. Eine Band, die bei sich angekommen zu sein scheint. Gerne mehr davon.
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