Ein Mann mit Gitarre, dazu Lieder, die direkt aus der Seele zu kommen scheinen: Der Kanadier Grant Davidson, besser bekannt als Slow Leaves, hat den Zuschauern im Strümpfe – The Supper Artclub im Mannheimer Jungbusch am Mittwoch einen unvergesslichen Abend beschert.
Es gibt sie noch, die Orte, an denen man die wahre Magie von Musik erleben kann. Orte, an denen es keinen Bombast braucht, keine flirrenden LED-Wände, keine Pyrotechnik, keine ausgefeilte Lichtshow. In denen es einfach nur darum geht, mit Musik Momente der Wahrhaftigkeit zu schaffen.
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„Strümpfe – The Supper Artclub“ ist einer dieser Orte. Einst wurden im Erdgeschoss des Altbaus in der Jungbuschstraße Strümpfe und Miederwaren verkauft, es hängt noch das Originalschild über der Tür, heute befindet sich dort eine kuschelige Kunstgalerie, die gleichzeitig aber eben so viel mehr ist als das. Hier finden nicht nur Ausstellungen, sondern auch Lesungen und Konzerte statt – und sie ist eine Begegnungsstätte für Künstler und Kreative in Mannheim. Man könnte sagen: ihr Wohnzimmer.
Die familiäre Atmosphäre, die Strümpfe-Inhaber Eric Carstensen hier geschaffen hat, hat nun zum wiederholten Grant Davidson angezogen. Der kanadische Singer-Songwriter ist mittlerweile ein Freund des Hauses und ließ es sich nicht nehmen, auf seiner Deutschland-Tour auch einen Stopp in Mannheim einzulegen. Davidson und das „Strümpfe“, das ist eine gelungene Kombination. Der Sound des aus Winnipeg stammenden Meisters der Melancholie kann sich in dieser familiären Atmosphäre so richtig entfalten.
Meister der Melancholie
Ob ein Song wirklich gut ist, erkennt man oft daran, wenn er auch ohne Gimmicks funktioniert, wenn er Gefühl transportiert, obwohl er aufs Wesentliche reduziert wurde. Davidson hat den Beweis angetreten, dass er über jede Menge wirklich guter Songs verfügt. Für sein neues Album „In Solitude, For Company“ hat er viele seiner traurigsten Stücke neu aufgenommen, dabei aber auf den Kern reduziert. Grant sagt, er habe das Kleid und und Make-up der Songs entfernt, um ihr rohes Erscheinungsbild freizulegen, dass der Idee am nächsten kommt, die Grant im Kopf hatte, als er die Lieder schrieb. „Jemand sagte mir, das klingt, als hättest du ein Best Of deiner traurigsten Hits gemacht. Ich dachte: Das kommt hin, nur dass ich noch nie einen Hit hatte und alle meine Songs traurig sind. Ich würde es daher eher Song-Sammlung nennen“, sagt Davidson und lächelt. So melancholisch sie sind, oft durchzieht seine Texte (und seine Ansagen) auch ein lakonischer Humor.
Davidsons Texte sind in der Regel Innenschauen, unheimlich persönlich, aber gleichzeitig auch so universell nachvollziehbar, dass man Gänsehaut bekommt. Dass der Mann bislang mit seiner Musik, die sich zwischen Songwriter-Folk, Indie-Pop und dezentem Rock bewegt, noch nicht den großen Durchbruch geschafft hat, gehört zu den großen Ungerechtig- und Ungeheuerlichkeiten.
Kein Lautsprecher
Dass er wünschte, es wäre anders, lässt Davidson etwa in dem Song „Sentimental Teardrops“ durchscheinen. „Sometimes I wanna be famous … But I don’t wanna try … I can’t help but be lazy … And maybe that’s why“, singt er da. Natürlich Koketterie. Wer in 13 Jahren sechs Alben höchster Qualität und eine EP aufnimmt, dazu regelmäßig auf Tour geht, auch international, dabei in Kauf nimmt, nicht vor dem allergrößten Publikum zu spielen, der ist alles, aber nicht faul. Eher einer, der passioniert in seiner Kunst aufgeht. Einer, der durch Musik sein Innerstes nach außen kehrt. Der aber vielleicht auch Stil genug hat, sich den gängigen Marktregeln zu verwehren. Davidson ist kein Lautsprecher, der auf Social Media gehört werden will, sondern ein Songpoet, der durch seine Kunst spricht. Es ist ratsam, ihm zuzuhören.
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